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Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) spricht im Landtag.

© dpa/Bernd Settnik

Woidke versucht Schadensbegrenzung : Unruhe in Brandenburger SPD nach Ampel-Kritik der Finanzministerin

Corona-Politik, Russland-Sanktionen, Umgang mit Demos: Finanzministerin Katrin Lange geht immer wieder auf Contra. Der Unmut über sie wächst.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat teils distanziert, teils verständnisvoll auf Positionen seiner Finanzministerin Katrin Lange (SPD) reagiert, die „allen Grund“ für aktuelle Protestdemonstrationen gegen die Politik von Bundes- und Landesregierung sieht. Diese Aussagen hatte die AfD, die nach einer neuen Umfrage stärkste Kraft in Brandenburg vor der SPD wäre, prompt begrüßt.

„Ich hätte das so nicht formuliert“, sagte Woidke am Donnerstag dieser Zeitung. „Ich teile aber die Sorge der Ministerin bezüglich der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes“, so Woidke.  Das sei eine Sorge, „die große Teile der Bevölkerung intensiv bewegt“. Es komme darauf an, „gemeinsam mit der Bundesregierung den Menschen diese Sorgen zu nehmen, den Menschen die Sicherheit zurückzugeben“.

Während Lange als Kritikerin von Sanktionen gegen Russland gilt, stellte Woidke für die Landesregierung klar: „Wir stehen ganz klar zu den gegen Russland verhängten Sanktionen. Das ist der Weg, Russland zum Einlenken im Aggressionskrieg gegen die Ukraine zu bewegen“, so Woidke. „Wir unterstützen die Ukraine im Kampf gegen ein aggressives Russland.“

Wir dürfen nicht anfangen, Leuten nach dem Mund zu reden, die keine Lösung wollen.

Maja Wallstein, Cottbuser Bundestagsabgeordnete

Lange ist SPD-Vize-Landesvorsitzende, als Finanzministerin einflussreich. Der Auftritt im Landtag, mit den Allen-Grund-Aussagen zu den Protestdemos im Land, heftigen Breitseiten gegen die Ampel-Koalition in Berlin und einem Plädoyer für Verhandlungen mit Russland über eine „für die Ukraine akzeptable Lösung“, hat Unmut sowohl in der Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen als auch in der Landes-SPD ausgelöst. Woidke sagte zur Unruhe in den eigenen Reihen: „Wir sind eine Volkspartei. Da gibt es viele Meinungen.“   

Es waren keine spontane Ausrutscher. Jede Formulierung war bereits im Redemanuskript für die Einbringungsrede zum Doppelhaushalt 2023/2024 enthalten, die das Finanzministerium an Medien verschickte. In der Landtagsfraktion herrschte teils Fassungslosigkeit, auch in der Brandenburger SPD-Landesgruppe im Bundestag gingen Abgeordnete teils auf Distanz.

SPD-Kollegen kritisieren Finanzministerin für Aussagen

„In dieser Krise müssen wir auf allen Ebenen unseren Beitrag leisten. Tatsächlich haben wir eine schwierige dynamische Lage und niemand hat die Lösung im Schrank“, sagte die Cottbuser Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein dem Tagesspiegel.

Wer Verantwortung in der Krise übernimmt, wie es auch die Brandenburger Landesregierung gerade mit dem Zwei-Milliarden-Hilfspaket tue, „hat es eigentlich nicht nötig, sich abfällig über eine verantwortungsvoll agierende Bundesregierung zu äußern“, so Wallstein. „Wir dürfen nicht anfangen, Leuten nach dem Mund zu reden, die keine Lösung wollen, weil sie Krisen und Verzweiflung brauchen, und sollten lieber zusammen an einem Strang ziehen.“

Lange verlasse den demokratischen Konsens, auch in der Partei, warnte die Bundestagsabgeordnete Ariane Fäscher aus Oberhavel gegenüber dem Tagesspiegel.  „Es ist unsere Aufgabe, den Menschen zu beweisen und zu erklären: Wir kommen durch diese Krise! Leider geht die Argumentation von Frau Lange in die falsche Richtung.“

Fächer kritisierte auch die Art und Weise Langes, solche Debatten anzuzetteln. Das sorge für mediale Aufmerksamkeit, sei aber nicht richtig. „Sie nimmt Kollerateralschäden in Kauf, die ich nicht in Ordnung finde“, fügte Fäscher mit Blick auf den AfD-Beifall und die innerparteilichen Konflikte in der SPD hinzu.

In Potsdam verkündete das Basismitglied Sven Fischer am Donnerstag seinen Parteiaustritt „nach der Rede der stellvertretenden Landesvorsitzenden, die unwidersprochen durch den Landesvorsitzenden oder den Fraktionsvorsitzenden geblieben ist“. Dieser Landesverband repräsentiere nicht mehr die Partei, in die er einmal eingetreten sei. Sozialdemokrat sei man nicht wegen des Parteiausweises, sondern der Überzeugungen wegen.

SPD-Landesfraktionschef verteidigt Lange

SPD-Landtagsfraktionschef Daniel Keller bedauerte, dass Fischer vorher ein Gesprächsangebot Langes nicht wahrgenommen habe. Er stellte sich hinter die Ministerin. „Wir müssen feststellen, dass Menschen auch in Brandenburg demonstrieren. Es ist klar, dass wir Antworten auf ihre Fragen finden müssen“, sagte Keller.

Das tue Lange mit dem Rettungspaket, die Finanzministerin drücke mit ihren Aussagen „auf Tempo“ beim Bund. Und Lange habe mit ihrem Wunsch nach Frieden deutlich gemacht, dass es ihr „um die Bedingungen der Ukraine geht, die politische Souveränität der Ukraine im Vordergrund steht“.

Es ist nicht das erste Mal, dass Lange öffentlich Positionen vertritt, die quer zur Regierungslinie in Land und Bund liegen. 2021 hatte Lange offen die Corona-Politik von Bund und Ländern kritisiert, schärfere Maßnahmen abgelehnt. „Es entsteht bei vielen Menschen auch zunehmend der Eindruck, die einzige Antwort seit über einem Jahr ist immer nur der Lockdown – ob Wellenbrecher-, Brücken- oder Sonstwas-Lockdown“, sagte Lange damals. „Dass so die Unzufriedenheit bei den Leuten steigt, kann man niemandem verdenken.“

Lange, die vor dem Ukraine-Krieg die Russland-Sanktionen kritisierte, hält den von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegenüber der EU zugesagten Verzicht auf Pipeline-Öl aus Russland für falsch.

Die embargokritische Position der Finanzministerin spiegelt sich inzwischen in der Verwaltungspraxis des Finanzministeriums wieder. So heißt es in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Informationsschreiben des Brandenburger Landesbetriebes für Liegenschaften (BLB) an Mieter und Nutzer „zu nötigen Energieeinsparungen beim Betrieb von Landesliegenschaften und Anmietungen“ wörtlich zu den Ursachen der Energiekrise: „Die in den letzten Monaten entstandene geopolitische Situation führt zu einer sanktionsbedingten Verknappung von Rohstoffen und Energie nicht gekannten Ausmaßes und somit auch zu einer äußersten Anspannung unserer Volkswirtschaft“.

„Reduktion und Verzicht ist das Gebot der Zeit für die breite Allgemeinheit aber auch die öffentliche Hand in der Wahrnehmung aller Pflichten und Versorgung“, heißt es weiter.  

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