
© Lichtbild aus der zweiten Auflage ihrer Publikation „Annunciata, die Lilie des Himalaja“ von 1883.
Stadtplanungs-Pionierin Adelheid Poninska: „Beharrlichkeit im frauenfeindlichen akademischen und intellektuellen Milieu“
Architektur-Historikerin Eliana Perotti über die deutsche Sozialreformerin und Städtebau-Theoretikerin Adelheid Poninska sowie deren Ideen zu Stadtgrün und sozialer Planung.
Stand:
Was hat Sie zu der eingehenden Beschäftigung mit Adelheid Poninska bewogen?
Ich bin im Zuge meiner Forschung zum Beitrag der Frauen an die städtebauliche Theorie auf Adelheid Poninska gestoßen und zwar auf Grund ihrer Schrift „Die Großstädte in ihrer Wohnungsnoth“ von 1874, das als erstes städtebauliches Traktat Deutschlands gelten kann.
Was fasziniert Sie am meisten an Poninskas Persönlichkeit?
Es ist auf Grund der mangelhaften Quellenlage nicht einfach, ihre Persönlichkeit einzuschätzen. Bemerkenswert sind aber sicherlich ihre Beharrlichkeit, im frauenfeindlichen akademischen und intellektuellen Milieu ihre Zeit, den Weg der Gelehrtheit zu beschreiten, wie auch ihre Fähigkeit innovativ und gesamtheitlich zu denken.
Warum geriet eine solche Pionierin weitgehend in Vergessenheit?
Die Rezeption ihres Traktats gestaltete sich kompliziert und vermochte dem Werk weder historisch noch fachlich gerecht zu werden. Nicht nur ein Gender-Bias dürfte der verweigerten Rezeption ihres Werkes zugrunde liegen, auch ihre Einführung einer sozialen, ethischen Dimension in den sonst wesentlich technologisch ausgerichteten deutschen Städtebaudiskurs mag bei der etablierten Wissenschaftspraxis für Irritation und Ablehnung gesorgt haben.
Ist Ihnen über die Adelheid-Poninska-Straße in Berlin-Staaken hinaus noch weitere erinnerungskulturelle Präsenz bekannt?
Was ich Ihnen noch nennen kann, ist die Siedlung Marienbrunn in Leipzig, dort findet man einen Dohnaweg und einen Arminiushof.
Gibt es neue Erkenntnisse über Adelheid Poninska und ihr Wirken seit der Veröffentlichung von „Frauen blicken auf die Stadt“? Sind weitere Veröffentlichungen geplant?
Neulich (im Juni 2024) habe ich an der Wiener Tagung „Why Have There Been No Great Women Architects?“ mit einem Referat zu Poniska teilgenommen: „Die ‘sentimentale gelehrtseynwollende hässliche Preussin, Gräfin Poninski-Dohna’, Autorin des ersten städtebaulichen Traktats in Deutschland – Misogynie und Missachtung“. Dazu wird ein Sammelband veröffentlicht werden.
In welchen architektonischen und städtebaulichen Projekten sehen Sie Poninskas Ideen umgesetzt?
Man kann keine solche direkte Umsetzung ihrer städtebaulichen Vorstellungen ausmachen, da sie ja auch sehr spät rezipiert wurden. Ich würde sie auch nicht in engem Zusammenhang mit der Gartenstadt bringen, da ihre urbanistischen Vorschläge die Großstadt und ihre Verbesserung betreffen und sie in dieser Hinsicht eine sehr heterogene Palette von Eingriffen vorschlug. Als Vorreiterin moderner Stadtplanung kann sie in Bezug auf die Einführung der sozialen Perspektive, auf die Betonung des Stadtgrüns und der Einführung eines grünen Stadtrings gelten.
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