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TV-Kritik: Live is life

ARD und ZDF mögen für ihr Fernsehprogramm viel Geld ausgeben, sehr kreativ sein - vor allem zu Silvester merkt man nichts davon.

Das Silvesterprogramm im deutschen Fernsehen. Ein Selbstversuch. „Silvesterstadl“ im Ersten, (immerhin live, aber Zuschauer und Gäste dieser Sendung feiern bei zwanghaft guter Laune ja eh das ganze Jahr über Silvester), „ZDF-Hitparade“ im Zweiten, „Chartshow“ und „Knallerfrauen“ sowie „Two and a Half Men“ in der Endlosschleife bei den Privaten, aufgewärmte Popkonzerte mit Udo Lindenberg bei 3sat, Frank Zander im Hauptstadtsender RBB. Volles Programm, gute Laune. Konserve, Konserve, wenn da nicht die Berliner Partymeile gewesen wäre, zu der das ZDF gegen zehn Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf hinschicken durfte. Die haben es, ins Getümmel neben Jürgen Drews geschmissen, am Brandenburger Tor genauso wenig retten können wie der RBB mit seinem getreuen Reporter Ulli Zelle. Wahrscheinlich guckt Silvester zu Hause eh keiner zu, werden sich die Programmmacher gedacht haben. Da brauchen wir uns auch keine Mühe zu geben; die sieben, acht Milliarden Euro Zwangsgebührenabgabe geben wir an anderer Stelle für ein werthaltigeres Programm aus.

Guten Rutsch mit der ARD? Nein, weg damit, Serien-DVD oder Buch in die Hand genommen – oder Radio Eins einschalten. Da setzte sich Moderatorin Marion Brasch um 19 Uhr ins Studio und unterhielt sich drei Stunden lang mit Hörern, denen es hörbar guttat, auch an so einem Abend ernst genommen zu werden, anspruchsvoll unterhalten zu werden. Auf Fragen einzugehen wie: Wann warst du das letzte Mal schadenfroh? Was glaubst du, welche Eigenschaften deine Freunde an dir hassen? Hübsch auch: Wann bist du das letzte Mal über deinen Schatten gesprungen? Wie stellst du dir dein Leben in zehn Jahren vor?

Das passte alles sehr sehr gut zu den letzten Stunden des Jahres, zur Zeitenwende, für ein gewisses Klientel zumindest. Beispielsweise für die offenbar alleinstehende Mutter, der es mit ihren beiden Kindern in Norwegen gut geht, die dank Internetradio da oben endlich auch Radio Eins hören kann. „Nichts als die Wahrheit“ heißt das schlichte, überzeugende Format, das es vor zehn Jahren schon mal bei Radio Fritz gab. Das Prinzip: Hörer rufen an, sagen eine Zahl zwischen Eins und 70 und bekommen eine Frage, die sie so ehrlich wie möglich beantworten sollen. Aus Fragen werden Antworten, aus Antworten Geschichten.

Eine Frage an die Verantwortlichen von ARD und ZDF: Warum sieht gerade (!) das Silvesterfernsehprogramm so aus, als wäre es von und für Menschen gemacht, die sonst eher RTL2 gucken? Am nächsten, letzten Tag des Jahres mal eine Elke Heidenreich oder einen Roger Willemsen ins Studio setzen. Und so reden, so fragen lassen wie Marion Brasch.

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