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Kein Handy im Schlafzimmer. Moderatorin Mai Thi Nguyen-Kim und WDR-Intendant Tom Buhrow auf dem Podium der Media Convention.

© Fotoagentur FOX / MCB

Media Convention, Tag zwei: Die Sendung mit dem Tom

Wissens-Flut, die neue Streaming-Flut, alternative Netzwerke, Instagram: Splitter von der Media Convention.

Wissen wir mehr oder weniger als vor 20 Jahren? Muss man überhaupt noch etwas wissen, wenn Google, Wikipedia & Co. doch jederzeit zur Hand sind? Überall Wissen, aber was wissen wir wirklich? Die Antworten, die WDR-Intendant Tom Buhrow am Ende von 60 Minuten Debatte auf der Media Convention an der Seite von Wissenschaftsmoderatorin Mai Thi Nguyen-Kim („Quarks“) zur Hand hatte, waren eindeutig: Zugang zu mehr Wissen heißt nicht Mehr-Wissen. Und, wen überrascht das bei so starker WDR-Präsenz auf der Digital-Konferenz in Berlin: Vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei dazu in der Lage, dem fragmentierten Wissen, mithin der fragmentierten Gesellschaft Einordnung und Einbindung anzubieten – ein wesentlicher Faktor der Demokratie-Bildung.

Ein Werbeblock für ARD, ZDF & Co. war das launige, Sendung-mit-der-Maus-hafte Abfragespiel zweier Journalistengenerationen aber nicht nur. Buhrow, 60, gab ein bisschen den alten Mann, der philosophiert („Man sucht im Netz nicht nach Wissen, sondern nach nervlichen Belohnungsfunktionen“), Nguyen-Kim, 32, die durchaus nachdenkliche Youtube-versierte Jungmoderatorin, die sich mehr echte Wissenschaft in den Medien, vor allem auch in den Talkshows wünscht und ihr Handy aus dem Schlafzimmer verbannt hat.

Pointiert und teils von Applaus begleitet fachsimpelten sich die beiden durch das thematische Geflecht, das schon Frank Schirrmacher umtrieb: Was macht die online-ständige und unbegrenzte Abrufbarkeit von Wissen mit uns? Wie sorgsam gehen wir mit dem Wissen um? (Das fragt man sich auch als Beobachter einer solchen Veranstaltung, wenn fast die Hälfte der Zuhörer unentwegt aufs Smartphone guckt, ins Smartphone tippt, wer hört da noch vorne zu?).

Im schlimmsten Falle führe das, so Nguyen-Kim, zu jener „Erregungsbewirtschaftung“, vor der auch Ranga Yogeshwar bei rein ökonomisch orientierten Medienunternehmen warnt. Einigkeit bestand in der Antwort auf die Frage, woher denn die Kompetenz kommen solle, besser mit den via Google, Social Media etc. so leicht verfügbaren Informationen umzugehen: schon aus der Schule. Aber eben auch via Medien.

"Deutschland-Pass" als Neuanfang?

Nicht weniger als einen Neuanfang hatte Medienwissenschaftler Bertram Gugel bei seiner Veranstaltung im Gepäck. Er skizzierte, wie ein alternatives Netzwerk zu großen Playern wie Facebook, Youtube und Co., die seit Jahren auch mit Kritik und Datenschutzpannen leben müssen, aussehen könnte.

Heraus kam die Idee des „Deutschland-Passes“: Ein Netzwerk an Inhalten müsse geschaffen werden, das Produzenten und Medienunternehmen unabhängig von den Platzhirschen macht.

„Protokolle und Standards statt Plattformen“ lautet Gugels Devise. Die Software müsse offen sein, um Probleme besser zu beseitigen. TV-Anbieter könnten ihre eigenen, unterschiedlich konzipierten Apps bauen, die zu einem gemeinsamen Pool an Inhalten führen. Die können die Nutzer dann über den "Deutschland-Pass" auf allen Zugängen abrufen. Die Konkurrenz soll damit nicht auf technischer, sondern auf inhaltlicher Ebene stattfinden, so die Idee.

Werbefreie Bezahlmodelle gibt es schon, erläutert Gugel und verweist auf Rundfunkbeiträge oder Kabelgebühren. Der Entwurf soll eine Alternative zum oft geforderten „europäischen Netflix“ darstellen, das aus seiner Sicht nur in einer „Abstimmungshölle“ enden werde, da zwangsläufig viele Parteien daran beteiligt wären. Kaum ist die Idee ausformuliert, folgt der Mitmach-Aufruf.

Für den Neustart bräuchte man Menschen, die Inhalte entwickeln und finanzieren und eine Infrastruktur aufbauen. Eine konkrete Ausgestaltung gebe es noch nicht, so Gugel, irgendwo müsse man anfangen. „Aus meiner Sicht müssen die Medienunternehmen in Deutschland, die ein europäisches Netflix fordern, in die Vorleistung gehen.“

Warten auf "Game of VoDs"

Beim Dauerthema Streaming-TV wird zwar vor allem auf die Newcomer Disney+, Warner und Apple geschaut, doch ebenso spannend ist, war in Europa und Deutschland passiert, wie die „Game of VoDs“-Diskussion auf der Media Convention zeigte. In Frankreich will das öffentliche Fernsehen mit zwei privaten Partnern bis zum Jahresende eine Abo-Streaming-Plattform starten, es fehlt nur noch der Segen der Wettbewerbshüter, wie Erich Scherer von France Télévisions erzählte. Koproduktionen mit Netflix wird es dann nicht mehr geben. Auch in Deutschland wollen die Öffentlich-Rechtlichen ihre eigenen Inhalte lieber unter eigener Marke streamen, mit dem ZDF laufen Gespräche über die Vernetzung der eigenen Angebote, berichtet Tanja Hüther für die ARD. Aber auch der ARD+ Channel bei der Telekom sei ein gangbarer Weg, um der Konkurrenz durch Amazon und Netflix zu begegnen.

Ein anderer könnte die überwiegend werbefinanzierte Plattform sein, die derzeit von ProSiebenSat1 und Discovery geschmiedet wird und die in diesem Sommer starten soll. Wie bei dem französischen Modell wird dabei stark auf lokale Inhalte gesetzt, erläutert Nicole Agudo Berbel von ProSiebenSat1 Media. Die dritte Staffel von „Jerks“ wird zum Launch eine große Rolle spielen so wie auch „Check Check“ mit Klaas Heufer-Umlauf, kündigte sie an. Das Konkurrenzangebot von RTL, TV Now, ist bereits vor einigen Wochen gestartet. Wie sich die neuen Plattformen gegen die globalen Dienste schlagen? Bald wird man es wissen.

Pizza teilen per Instagram

Von der Zukunft zurück zur digitalen Konferenz-Gegenwart: Einen Instagram-Exkurs unternahm Funk-Formatentwicklerin Duygu Gezen, die nach eigenen Angaben 23 Stunden pro Woche auf der Plattform verbringt. Sie brachte neben Smalltalk-Wissen (das meistgeteilte Essen ist die Pizza, der meistgelikte Beitrag ein Ei) aktuelle Trends mit: Etwa den Kanal „Eva Stories“, der in Kurzvideos die Geschichte eines jüdischen Mädchens im Holocaust erzählt.

Die Funktion „IGTV“, die bei Instagram das Hochladen von bis zu einstündigen Videos ermöglicht, sieht Gezen kritisch. Kommentare und Views seien überschaubar, „noch würde ich davon abraten, da Energie und Geld reinzugeben“. Vom Durchbruch keine Rede, in den vorgestellten Instagram-Kanälen dominierten solche, die das Story-Feature kreativ nutzen. Tom Buhrow dürfte das weniger interessieren. Er hat keinen Instagram-Account.

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