zum Hauptinhalt

Baerbock bei „Anne Will“: „Wir handeln, obwohl wir hadern“

Die Gäste bei Anne Will sorgen sich erst um die Kommunikation von Kanzler Scholz. Dann geht es um das zentrale Thema: Wie viele schwere Waffen für die Ukraine?

sa

Zeitenwende ist das aktuelle Schlagwort – und dass es zu Recht im Umlauf ist, zeigte diese Ausgabe von "Anne Will". In der Runde am Sonntagabend saßen nicht alerte, juvenile Herren, sondern drei Frauen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die für die FDP den Vorsitz im Verteidigungsausschuss des Bundestages hat, diskutierten das Thema: "Panzer im Kriegsgebiet - wohin führt Deutschlands Ukraine -Politik?"

Zwei Männer waren auch da, aber sie bespielten die Ränder: Johann David Wadephul (CDU) und "Spiegel"-Autor Markus Feldenkirchen.

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Die Debatte war zunächst gekennzeichnet von einer kleinen Mogelpackung: Baerbock saß nicht im Studio in Berlin-Adlershof, sondern war zugeschaltet. Zwanzig Minuten lang beantwortete sie Fragen der Moderatorin, dann war sie weg.

Die Entscheidung, der Ukraine schwere Waffen zu liefern, fand Baerbock richtig. Ob es mehr sein müssten, also auch Panzer der Typen Marder und Leopard 1, das ließ sie offen. Diese Entscheidung sei mit den europäischen Partnern abgesprochen, überhaupt geschehe nichts im deutschen Alleingang.

"Wir handeln, obwohl wir hadern", auf diese Formel brachte Baerbock den Kurs in der Ukraine-Politik. Schnell sprach sie, atemlos geradezu. Will fragte das Naheliegende – und es war sehr zu bedauern, dass Baerbock an der folgenden Diskussion nicht teilnahm. Immerhin kündigte sie an, demnächst nach Kiew fahren zu wollen.

Kommuniziert Scholz zu wenig?

Auch die Diskussion nach Baerbocks Abgang bewegte sich zunächst in die verkehrte Richtung: Kommuniziert Olaf Scholz zu wenig? Strack-Zimmermann und Esken verneinten das. Die FDP-Politikerin meinte zwar, die Bundesregierung solle sagen, was alles in die Ukraine geliefert werde. Sie selbst aber wollte keine Details verraten.

"Spiegel"-Autor Feldenkirchen monierte die Hü-und-Hott-Politik des Kanzlers - die Debatte steckte tief in der Vergangenheit, wo doch Zukunft gefragt war.

Anne Will hätte ihren Talk schneller und pointierter auf jene Frage lenken sollen, die sie mit einer eingeblendeten Umfrage eröffnete: 45 Prozent der Deutschen sind gegen die Lieferung von schweren Waffen, 45 Prozent sprechen sich dafür aus. Am Sonntag musste Scholz bei einer Rede auf "Kriegstreiber"-Zwischenrufe reagieren. Nicht wenige Deutsche sind besorgt, dass sich der Ukrainekrieg zu einem dritten Weltkrieg ausweiten könnte.

Unterstützung für die Ukraine

Der CDU-Politiker Wadephul war eindeutig für eine vermehrte Unterstützung der Ukraine, Putin brauche eine militärische Antwort. Solche Wortmeldungen waren für Feldenkirchen Anlass zu fragen, ob dieser Krieg und Deutschlands Haltung dazu nicht längst eine militarisierte Schlagseite bekommen hätten. „Nein“ von allen Seiten, die Diplomatie sei längst nicht aufgegeben.

Ich weiß nicht, ob der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, diese Talkshow gesehen hat. Falls ja, dann hätte der Soldat im diplomatischen Dienst feststellen können, dass die Deutschen der Ukraine mehr und mehr an Material liefern wollen, sie aber ihre Regierung immer deutlicher fragen, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Das wird Melnyk nicht befriedigen, vielleicht setzt es wieder Ohrfeigen.

Die Deutschen, so scheint es, sind fern vom Kriegsrausch. Aber ist das nicht besser für ein Volk, wenn es aus einen bisherigen Kriegsräuschen gelernt hat? "Wir sortieren uns", sagte Strack-Zimmermann. Und genau diese Sortierung müsste die kommenden Talkshows beschäftigen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false