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Ein TGV in Paris.

© AFP/Ian Langsdon

Update

„Massiver Angriff“ in Frankreich: Scholz verurteilt Brandanschläge auf Schnellzugnetz – Reparaturen kommen voran

In Frankreich wurden Brandanschläge auf Bahnanlagen verübt. Die Regierung spricht von Sabotage, doch die Hintergründe sind unklar. Der Bundeskanzler hofft auf schnelle Aufklärung.

Stand:

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Brandanschläge auf das französische Schnellzugnetz am Tag der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele als nicht hinnehmbar bezeichnet. „Das ist etwas, was absolut zu verurteilen ist“, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch der Deutschen Botschaft in Paris.

„Ein solches Fest des Friedens mit Gewalttaten zu stören, kann niemals akzeptiert werden und verlangt entschiedenste Zurückweisung“, so Scholz weiter. Er hoffe, „dass die französischen Behörden bald erfolgreich sein werden bei der Identifizierung der Täterinnen und Täter.“

Am Morgen hatte Frankreichs Bahngesellschaft SNCF einen „massiven Angriff“ auf das Schnellzugnetz gemeldet. Unbekannte haben Brandanschläge auf mehrere Anlagen verübt. An den betroffenen Orten wurden demnach jeweils Leitungen mit zahlreichen Glasfaserkabeln in Brand gesetzt, die für die Sicherheit der Züge und die Weichenstellungen wichtig sind.

Geheimdienste und Sicherheitskräfte seien mobilisiert, „um die Täter dieser kriminellen Taten zu finden und zu bestrafen“, erklärte Premierminister Gabriel Attal am Freitag. Es kam zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, laut SNCF waren 800.000 Fahrgäste davon betroffen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Die schwerwiegenden Sabotageakte gegen das französische Bahnnetz zeigen, wie ernst die Bedrohungslagen aktuell in Europa sind und wie wichtig die starken Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Olympischen Spiele sind“. Sie verwies auf die von ihr wegen des sportlichen Großereignisses im Nachbarland angeordneten vorübergehenden Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze.

Anschläge auf Schnellzugnetz: Welche Strecken sind betroffen?

Der Zeitung „Le Parisien“ zufolge fanden die Anschläge in Verginy, Courtalain, Croisilles und Pagny-sur-Moselle statt. Der Schnellzugverkehr auf der Atlantik-, Nord- und Ostachse war laut SNCF stark beeinträchtigt. Die Bahnlinie im Südosten des Landes sei nicht betroffen, dort wurde laut SNCF „ein böswilliger Akt vereitelt“.

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Der geschäftsführende Verkehrsminister Patrice Vergriete erklärte zwischenzeitlich, dass jeder zweite Zug nach Osten, nach Norden und jeder vierte Schnellzug in Richtung Bordeaux betroffen sei. Ausfälle gab es auch auf den TGV-Strecken Richtung Lille im Norden und Straßburg im Osten.

An den Pariser Bahnhöfen warteten zahlreiche Passagiere auf Informationen, ob und wann sie ihre Reise antreten könnten. Am Bahnhof Montparnasse waren die Gleise durch Gitter abgesperrt.

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Am Gare de L'Est sagte die Reisende Corinne Lecocq der Nachrichtenagentur Reuters, ihr Zug nach Straßburg an der Grenze zu Deutschland sei ausgefallen. „Wir nehmen jetzt die langsame Linie“, sagte sie. „Ich habe Urlaub, also ist es ok, auch wenn es ärgerlich ist, dass wir zu spät kommen.“

Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, versicherte laut dem Sender BFMTV, dass die Vorkommnisse die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele nicht beeinträchtigen werden: „Es ist inakzeptabel, was passiert ist, aber es wird sich nicht auf die Zeremonie heute Abend auswirken, weil es keine Auswirkungen auf das Verkehrsnetz der Region Île-de-France hat.“

Ausfälle gibt es auch beim Eurostar, der London unter dem Ärmelkanal hindurch mit dem Kontinent verbindet. Züge von und nach Paris würden umgeleitet, teilte die Zuggesellschaft Eurostar mit. Die Verspätung betrage 90 Minuten. Mehrere Züge seien abgesagt worden. Eurostar rufe die Reisenden auf, Fahrten an diesem Freitag nicht anzutreten, berichtete der britische Sender BBC.

Die Spiele ins Visier zu nehmen, heißt, Frankreich ins Visier zu nehmen.

Amelie Oudea-Castera, Frankreichs Sportministerin

Die Schweizer Zuggesellschaft SBB teilte mit, gegenwärtig sei der Zugverkehr von der Schweiz nach Frankreich nicht beeinträchtigt.

Wie lange wird mit Einschränkungen gerechnet?

Die Reparaturarbeiten kommen mittlerweile voran. Auf der Schnellstrecke von Paris Richtung Südwesten könne inzwischen wieder jeder dritte vorgesehene Zug fahren, teilte die SNCF am Nachmittag mit. Reisende müssen sich aber noch auf Verzögerungen von eineinhalb bis zwei Stunden einrichten.

Auf der Schnellstrecke Richtung Norden, über die die Züge nach Köln, London und Brüssel fahren, gibt es noch vereinzelte Ausfälle von Zügen und Verspätungen von eineinhalb bis zwei Stunden. Auf der für den Verkehr von Paris nach Deutschland wichtigen Oststrecke können die Züge zwischen Paris und Nancy/Metz nach Reparaturarbeiten wieder wie vorgesehen fahren. Das bedeutet ebenfalls keine Beeinträchtigungen mehr für die Züge, die zwischen Paris und Frankfurt über Saarbrücken verkehren.

Auf der Strecke bis Straßburg gibt es noch Verspätungen von rund einer Stunde sowie einige Zugausfälle, teilte die SNCF mit. Beeinträchtigt sind dadurch auch die über diese Route von und nach Stuttgart und Frankfurt fahrenden Züge. Die Bahn arbeitet weiter mit Hochdruck an der Reparatur der Schäden. Über das Wochenende müsse aber weiter mit Behinderungen gerechnet werden, teilte die Bahn mit.

Reisende warten zum Start der Olympischen Sommerspiele am Eurostar-Bahnsteig im Pariser Bahnhof Gare du Nord.

© dpa/Mark Baker

Welche Sicherheitsvorkehrungen trifft Paris nach den Angriffen?

Die Sicherheitsvorkehrungen werden verstärkt. Die Pariser Polizeipräfektur „konzentriert ihr Personal auf die Pariser Bahnhöfe“, kündigte Laurent Nuñez, der Polizeipräfekt von Paris, im Sender franceinfo an.

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen Schädigung von Staatsinteressen aufgenommen. Es bestehe zudem der Verdacht auf Sachbeschädigung mit gefährlichen Mitteln in einer organisierten Bande sowie Angriffe auf Datenverarbeitungssysteme, teilte die Staatsanwaltschaft am Freitag in Paris mit. Im Fall einer Verurteilung drohen den Tätern bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe und 225.000 Euro Geldstrafe. Für die Ermittlungen ist die Abteilung zur Bekämpfung organisierten Verbrechens zuständig.

Was weiß man bislang über die Angriffe in Frankreich?

Die SNCF spricht von Vandalismus und „mehreren gleichzeitigen böswilligen Handlungen“. Eine dem Fall nahestehende Person sprach von „Sabotage“. Wer hinter den Anschlägen steckt und ob sie politisch motiviert sind, war zunächst nicht klar. Zunächst bekannte sich niemand zu den Taten. Premier Attal rief zur Vorsicht bei Spekulationen über das Profil der Täter auf.

Frankreichs Sportministerin Amelie Oudea-Castera verurteilte den Vandalismus. „Das ist absolut entsetzlich“, sagte sie dem Fernsehsender BFMTV. „Die Spiele ins Visier zu nehmen, heißt, Frankreich ins Visier zu nehmen.“ Auch sie sprach „mit Vorsicht und nach ersten Analysen“ von einer Art koordinierten Sabotage.

Ermittler untersuchen eine der Anschlagsstellen an der TGV-Strecke nach Lille.

© IMAGO/MAXPPP/IMAGO/Maillard

Verkehrsminister Vergriete sagte, dass durch die „koordinierten böswilligen Aktionen“ der Verkehr erheblich beeinträchtigt sei: „Alles weist darauf hin, dass es sich um mutwillige Aktionen handelt. Die Indizien deuten auf Brandstiftung.“ Er verurteile die Aktionen aufs Schärfste. Regionalpräsidentin Valérie Pécresse sprach von einem „Akt der Destabilisierung“.

SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou sagte: „Es ist ein Anschlag auf die Urlaubsreisen, auf die Franzosen“, sagte er mit Blick auf das Wochenende drei Wochen nach Beginn der Sommerferien, an dem mit starkem Ferienverkehr zu rechnen war. Eine „Bande von Spinnern“ habe dies verhindert, erklärte er.

Ähnliche Sabotage-Akte hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben. Im Januar 2023, während der Proteste gegen die Rentenreform, hatten Unbekannte durch Feuer 600 Kabel beschädigt, was zu zahlreichen Zugausfällen führte. In Deutschland hatten sich Linksradikale im vergangenen September zu Brandstiftung in Kabelschächten der Bahn bekannt, um gegen „neokoloniale Ausbeutung“ zu protestieren.

Lassen sich solche Anschläge verhindern?

„Weder in Frankreich noch in Deutschland ist ein Schutz der Bahntrassen in der Form möglich, dass Anschläge ausgeschlossen werden könnten“, sagte der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, der „Rheinischen Post“. „Die gute Nachricht ist, dass Störungen sofort erkannt werden und dann alle Signale automatisch auf Rot springen. Unfälle können also trotz solcher Anschläge sehr gut verhindert werden.“

Norbert Gebbeken, Gründer und Sprecher des Forschungsinstituts Risk, erläuterte: „Man bekommt durch das Internet schon sehr viele Informationen über die kritischen Infrastrukturen und kann mit erstaunlich wenig Aufwand eine große Wirkung erzeugen.“ Ein Gesamtschutz von Bahntrassen und kritischer Infrastruktur sei zudem nicht finanzierbar, so Gebbeken. Die Strecken in Deutschland und Europa seien dafür einfach zu lang.

Frankreich habe schon eines der am besten gesicherten Hochgeschwindigkeitsnetze in Europa, viele Trassen seien durch Zäune gesichert, erläuterte Naumann: „Gegen die kriminelle Energie von Terroristen können aber auch solche Zäune nichts ausrichten.“

Gebbeken betonte zudem: „Ebenerdige Barrieren wie Zäune schützen nicht vor gezielten Angriffen von oben beispielsweise mit Drohnen. „Wir brauchen flächendeckende Risikoanalysen und wir brauchen dann eine Priorisierung.“ Auf Basis dessen müsse man für bestimmte Anlagen oder Hauptadern Sondermaßnahmen einrichten. So könnten diese in Zukunft besser geschützt werden.

Sind auch Sportler:innen von den Zugausfällen betroffen?

Die Brandanschläge haben nur leichte Auswirkungen auf die deutsche Mannschaft. Zwei Springreiter wollten ursprünglich mit dem Eurostar-Zug zur Mittagszeit in Frankreich für die Eröffnungs-Zeremonie ankommen, kehrten nach einer großen Verspätung aber wieder um und verpassen die Eröffnungsfeier.

„Das ist sehr schade, aber wir wären zu spät gekommen“, sagte der Springreiter Philipp Weishaupt: „Es gab keine Chance mehr, es rechtzeitig zu schaffen“. In Lüttich stieg Weishaupt mit seinem Kollegen Christian Kukuk aus, beide fuhren zurück nach Riesenbeck.

Die in Belgien lebende Reservereiterin Jana Wargers wollte in Brüssel zusteigen, verzichtete aber aufgrund der Verspätung des Zuges. Allein Richard Vogel wird zur Eröffnungsfeier kommen, denn der Reiter aus Marburg flog nach Paris.

Keine Beeinträchtigungen gibt es dagegen für die deutschen Basketballer um Fahnenträger Dennis Schröder. Sie hatten ohnehin vor, von Lille aus um 11:00 Uhr mit dem Bus zur Eröffnungsfeier zu fahren.

Passagiere vor einem TGV-Schnellzug am Gare Montparnasse in Paris.

© AFP/THIBAUD MORITZ

IOC-Präsident Thomas Bach zeigte sich mit Blick auf die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele am Freitagabend nicht beunruhigt. „Wir haben volles Vertrauen in die französischen Behörden“, sagte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen seien getroffen worden. Die französischen Behörden würden zudem von 180 weiteren Geheimdiensten aus der ganzen Welt unterstützt, erklärte Bach.

45.000 Sicherheitskräfte für Eröffnungsfeier in Paris

Am Freitagabend findet in Paris die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele statt. Zu der pompösen Zeremonie entlang der Seine werden in der Metropole enorm viele Zuschauer erwartet. Die Veranstalter rechnen mit rund 300.000 Menschen am Ufer.

Etwa 120 Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter werden zu der Eröffnungsfeier erwartet, unter ihnen auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch die US-amerikanische First Lady Jill Biden wird bei der Zeremonie live dabei sein.

Gesichert wird das Event von rund 45.000 Sicherheitskräften. Der Luftraum im Umkreis von 150 Kilometern um Paris wird für den Abend gesperrt. Die Bereiche der Seine, an denen die Parade stattfindet, sind weitläufig für den Autoverkehr gesperrt. (AFP, dpa, Reuters)

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