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Thema

Kosovo

Manches erfährt auch ein Minister nur durch Zufall. Als Rudolf Scharping am Freitag im Bundestag eine Liste mit neun mutmaßlichen Uran-Unfällen der US-Armee verlas, hatte der Verteidigungsminister die Information keineswegs direkt vom Absender bekommen.

Von Robert Birnbaum

Einen "Klassenunterschied" in der Soldaten-Fürsorge hat der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, zwischen Deutschland und den USA ausgemacht. Anders als die US-Soldaten seien die 2900 Bundeswehrsoldaten des ersten Kosovo-Kontingents vor ihrem Einsatz "definitiv nicht" vor den Gefahren uranhaltiger Munition gewarnt worden.

Von Rainer Woratschka

Der scheidende US-Präsident Bill Clinton hat nach Angaben aus Washingtoner Regierungskreisen am Donnerstag (Ortszeit) die Aufhebung eines weiteren Teils der Sanktionen gegen Jugoslawien unterzeichnet. Die Verfügung werde noch diese Woche veröffentlicht und trete gleichentags in Kraft, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter.

Der Krieg ändert die Perspektive. Vorher, da bläht sich ein Problem bis zur Unerträglichkeit auf: in Bosnien und Kosovo die Bilder von Mordbrennerei und Vertreibung, am Golf vor zehn Jahren die Besetzung Kuwaits.

Von Christoph von Marschall

Die auf dem Balkan tätigen deutschen Hilfsorganisationen sind trotz eines entsprechenden Schreibens vom Bundesverteidigungsministerium nicht gezielt über das Risiko durch giftiges (toxisches) Uran aufgeklärt worden. Recherchen bei Hilfsorganisationen ergaben, dass es im Wesentlichen vom Engagement der Helfer in Bosnien und im Kosovo abhing, ob sie Informationen über gesundheitliche Schäden durch uranhaltige Munition erhielten.

Der neue UN-Verwalter im Kosovo, Hans Häkkerup, hat einen Termin für provinzweite Wahlen von der Einführung entsprechender Gesetze abhängig gemacht. Priorität habe für ihn der Aufbau eines rechtlichen Rahmens, sagte der frühere dänische Verteidigungsminister am Montag, seinem ersten offiziellen Arbeitstag.

Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hat Vorwürfe des Bundeswehrverbandes zurückgewiesen, nach Kosovo eingerückte Bundeswehrsoldaten seien nicht über eine Gefährdung durch Uran-Munition aufgeklärt worden. Scharping sagte am Sonntag im ZDF, beim Einmarsch der Bundeswehr in die Region im Sommer 1999 sei auf die Möglichkeit von schwacher Strahlung hingewiesen worden.

Um die Vorbereitung deutscher Soldaten auf den Umgang mit Uran-Munition bei ihrem Balkan-Einsatz ist eine Kontroverse ausgebrochen. Der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, Oberst Bernhard Gertz, sieht dabei erhebliche Versäumnisse.

Der Minister strotzte vor Selbstsicherheit, als er die Wissenschaftler mit schon süffisantem Lächeln in die Runde bat, seine Positionen zu stützen. Ja, Verteidigungsminister Rudolf Scharping wollte es allen Kritikern zeigen, dass sein Haus keine Probleme mit uranhaltiger Munition auf dem Balkan oder in Deutschland hat.

Am 1. Juli 1999, knapp einen Monat nach Beendigung der militärischen Eskalation in der Kosovo-Krise, informierte die Nato zum ersten Mal darüber, dass sie bei ihren Luftangriffen auf Jugoslawien uranabgereicherte Munition (DU) eingesetzt hat.

Im TV sah alles so perfekt aus: Ein irakischer Munitionsschuppen im Visier des Kampfjets, das Fadenkreuz genau auf die Eingangstür gerichtet. Sekunden später saust ein nachtsichtgerät-grüner Kugelblitz durchs Bild, schlägt mitten durch die Tür in den Schuppen ein und wumms - weg isser.

Deutsche Strahlenschützer schließen aus, dass deutsche Soldaten im Kosovo ernste Gesundheitsgefahren durch urangehärtete Munition zu erwarten haben. Nach Ansicht der Wissenschaftler vom GSF-Forschungszentrum ist die Strahlendosis, der die Soldaten durch Uranmunition ausgesetzt waren, viel zu gering, um Krankheiten wie Leukämie hervorzurufen.

Von Hartmut Wewetzer

Das Bundesverteidigungsministerium sieht keinen Anlass, auf dem Balkan dienende Bundeswehrsoldaten auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen wegen des Kontakts mit Uranmunition untersuchen zu lassen. "Es würde zu einer Massenhysterie führen, wenn wir Zehntausende Soldaten dazu auffordern würden", sagte der parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow dem Tagesspiegel.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat eine "rückhaltlose Aufklärung" des Einsatzes von Uran-Munition auf dem Balkan gefordert. Mit Blick auf die Nato-Tagung an diesem Dienstag in Brüssel setzte sich der Kanzler dafür ein, dass "alle Fakten auf den Tisch kommen", weil Zweifel bestünden, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen von Soldaten und uranhaltiger Munition gebe.

Heute sind rund 40 000 Heeressoldaten aus 30 Nationen im Rahmen der internationalen Kfor-Friedenstruppe in der jugoslawischen Provinz Kosovo stationiert. Kosovo wurde von der Kfor in fünf Schutzzonen (Sektoren) aufgeteilt, die von Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den USA und Italien kontrolliert werden.

Bei Bundeswehr-Soldaten in Bosnien und im Kosovo ist nach einer Studie im Auftrag des Verteidigungsministeriums bisher keine Vergiftung mit Uran-Munition nachgewiesen worden. In dem Zwischenbericht des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit, der dem Tagesspiegel vorliegt, wurde bei 118 untersuchten Soldaten keine auffällige Uran-Konzentration im Urin gemessen.

Von Robert Birnbaum

Sechs am Sonntag in der südserbischen Pufferzone zum Kosovo von der Albanerguerilla UCPMB entführten Serben sind am Montagabend freigelassen worden. Ihre Freilassung sei unter Vermittlung der Kosovo-Friedenstruppe Kfor und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz IKRK erreicht worden, sagte der serbische Vizeregierungschef Nebojsa Covic.

Die künftige Regierung der jugoslawischen Teilrepublik Serbien hat in den kommenden Monaten harte Nüsse zu knacken: Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden, die Verwaltung ist von Korruption durchsetzt und der Dialog mit den Minderheiten muss angestoßen werden. Auch die Kosovofrage ist noch immer ungeklärt.

Seitdem es kalt geworden ist in Prizren - und die Winter im Kosovo werden hier sehr kalt - arbeiten die Frauen in der Wäscherei in gefütterten Stiefeln. Auf dem Fliesenboden der Wäscherei im Kellergeschoss des Krankenhauses gefriert der Wasserdampf.

Zwei Serben sind im Norden des Kosovo bei gewaltsamen Protesten gegen die Festnahme eines Landsmannes durch die Friedenstruppe Kfor ums Leben gekommen. Ein Mann habe am Sonntag nach mehrstündigen Unruhen tödliche Schussverletzungen erlitten, der zweite einen Herzinfarkt, sagte ein Kfor-Sprecher.

Militante Kosovo-Albaner bereiten nach Darstellung der jugoslawischen Streitkräfte eine groß angelegte Offensive im entmilitarisierten Grenzstreifen zu Serbien vor. Generaloberst Vladimir Lazarevic sagte bei einem Treffen der jugoslawischen und serbischen Regierung am Samstag im südserbischen Bujanovac, an dem Ende Dezember geplanten Angriff würden sich mehrere tausend Kämpfer beteiligen.

Der gemäßigte Albaner-Führer Ibrahim Rugova hat die Einladung des neuen jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica zu Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo vorerst ausgeschlagen. In einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" betonte der Führer der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK), die bei der Kommunalwahl 58 Prozent der abgegebenen Stimmen erringen konnte: "Verhandlungen erscheinen mir sinnlos und unnötig".

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