In den letzten dreißig Jahren hat sich die Irisch-Republikanische Armee nie um die breite öffentliche Meinung geschert. Warum sollte sie auch?
Nordirland
Selten wohl haben sich Laienschauspieler so exakt ans vereinbarte Drehbuch gehalten: Die Abrüstung der IRA hat begonnen, und bei allen Gutwilligen ist die Erleichterung zu spüren. Politiker in Belfast, Dublin und London geben sich Mühe, die Empfindlichkeiten vormaliger Gegner zu schonen, denn sie wollen den Neubeginn.
Der Nordirland-Konflikt geht auf die Einwanderung englischer und schottischer Protestanten in den nördlichen Teil der Insel Ende des 16. Jahrhunderts zurück.
Der Barmann, der zum IRA-Kommandanten von Belfast aufstieg, und der Rechtsprofessor, der einst einer Bürgerwehr gegen eine Koalitionsregierung von Katholiken und Protestanten angehörte: Gerry Adams und David Trimble sind in der Tat ein ungleiches Paar, wenn sie nun versuchen, den nordirischen Friedensprozess gemeinsam zu retten.Der Präsident der IRA-nahen Sinn Fein-Partei und der Vorsitzende der größten Protestantenpartei haben sich noch nie öffentlich die Hand geschüttelt, aber in diesen Tagen gehen sie behutsam miteinander um.
Dublin. Seit Mitternacht besteht die Rumpfregierung Nordirlands nur noch aus Nationalisten und Republikanern - Vertretern der katholischen Bevölkerungsminderheit also.
Seit dem 11. September kennen selbst hartgesottene Menschen dieses Gefühl, das einen zutiefst verunsichert, ja niederdrücken kann: Angst.
Auf Deutschlands Straßen wird für den Frieden demonstriert. Was ist Ihre Botschaft an die Protestierenden?
Die Angriffe auf Amerika schienen zunächst eine ernüchternde Wirkung auf die Nordiren zu haben. Aber die Welt der lokalen Muskelprotze und Revolverhelden bleibt klein; begrenzt durch Mauern im Hinterhof.
Der nordirische Polizeikommandant Sir Ronnie Flanagan hat am Freitag die Politiker und die Geistlichen in der Unruheprovinz scharf kritisiert. Flanagan erwartete eine deutlichere Stellungnahme der beiden Gruppen, nachdem es im Norden von Belfast zu schweren Krawallen gekommen war.
Streng genommen wurde Nordirland am Samstag für 24 Stunden von britischen Politikern regiert. Die autonome Provinzregierung und das Belfaster Parlament standen still.
Morgen ist in Berlin Einschulung. Das ist ein aufregender Tag für die Kinder, für ihre Eltern und die nahen Verwandten.
In ihrer fast dreißigjährigen Gewaltorgie hat es die IRA nicht geschafft, den Ruf ihrer katholischen Glaubensbrüder derart in den Schmutz zu ziehen, wie es nun einer winzigen Gruppe protestantischer Betonköpfe für die eigene Seite mühelos gelungen ist. Die Bewohner einer protestantischen Enklave in Nordbelfast haben mit ihrer Kampagne gegen wehrlose katholische Schulmädchen unermesslichen Schaden angerichtet.
Morgens um neun durfte man noch hoffen. Zum dritten Mal in dieser Woche formierte sich auf der Ardoyne Road im Norden von Belfast ein Konvoi aus Eltern und ihren Töchtern, vier- bis elfjährigen Mädchen mit frischen Gesichtern und coolen Schleifen im zusammengebundenen Haar.
Zum zweiten Mal in Folge gerieten am Dienstagmorgen vier- bis elfjährige Schulmädchen in Belfast zwischen die Fronten eines bitteren kommunalen Zwists. Wie schon zum Schulbeginn am Montag rotteten sich protestantische Anwohnergruppen an der Ardoyne Road zusammen, um den Kindern und ihren besorgten Eltern den kurzen Weg zur katholischen HeiligKreuz-Schule zu versperren.
Vierjährige Mädchen weinen bitterlich, während sie durch einen stählernen Tunnel unter den Blicken vermummter Sicherheitskräfte geschleust werden. Die Belfaster Schülerinnen sind zu Geiseln protestantischer Anwohner geworden.
Die Liste der gewaltsam ausgetragenen Konflikte ist ziemlich lang: Weltweit gibt es 35 ernste Krisenzonen. Die Regionen, auf die der deutsche Blick als Erstes fällt - Nahost, Balkan und im Wechsel Nordirland oder Spanien - stehen seit Monaten wieder unter Feuer.
Nach Monaten der Stagnation ist Bewegung in Nordirlands Politik gekommen: Die irische Regierung, die Katholische Kirche und die gemäßigte Katholikenpartei Nordirlands empfehlen der katholischen Jugend Nordirlands eine Karriere im Polizeidienst. In jener Institution also, die den Katholiken als Unterdrückungsinstrument der Protestanten und der britischen "Besatzer" galt.
Zum ersten Mal seit der Teilung Irlands vor 80 Jahren haben sich Repräsentanten der katholisch-nationalistischen Bevölkerungsminderheit Nordirlands hinter die Polizei gestellt. Am Montag verkündete die SDLP, die aus der Bürgerrechtsbewegung entstandene sozialdemokratische Partei der gemäßigten Katholiken, sie unterstütze die modifizierten Reformpläne der britischen Regierung für eine neue Polizei.
BBC war schnell. Nur ein paar Minuten, nachdem sich in Israel zum wiederholten Male ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatte, liefen bereits die "Breaking News" über den Bildschirm des britischen Senders.
Letzte Woche verkündete die IRA großspurig, sie habe einen Vorschlag zur endgültigen, überprüfbaren Entsorgung ihrer Waffen unterbreitet, gestern nahm sie das - noch immer geheime - Zugeständnis wieder vom Tisch. Dieser Schritt entspringt taktischen Überlegungen, ändert aber letztlich nicht viel an der politischen Gleichung, die es zu lösen gilt.
Fußball-Profi Jan Koller vom Bundesligisten Borussia Dortmund ist vom Verband seines Landes mit einer Buße von rund 20 000 Kronen (1100 Mark) belegt worden und erhielt keine Prämie. Der 28 Jahre alte Stürmer war im Juni beim WM-Qualifikationsspiel gegen Nordirland (3:1) ausgewechselt worden und hatte aus Verärgerung über seine schwache Leistung sein Trikot vor der Trainerbank ausgezogen und durch die Luft getreten.
Einen Tag nach Aussetzung der nordirischen Selbstverwaltung hat Großbritannien die Macht wieder an die protestantisch-katholische Provinzregierung zurückgegeben. Der britische Nordirlandminister John Reid unterzeichnete am Samstag ein Dekret, mit dem die Regierung um Mitternacht wieder eingesetzt wurde.
Nach 20 Monaten droht in Nordirland das Ende der Regionalregierung. Protestantenführer David Trimble lehnte am Dienstag das Angebot der katholischen Untergrundorganisation IRA zur Entwaffnung ab.
Einen Tag nach dem Entwaffnungsvorschlag der IRA haben sich die Friedensaussichten in Nordirland am Dienstag wieder verschlechtert. Der zurückgetretene nordirische Regierungschef und Protestantenführer David Trimble verweigerte seine Zustimmung zum Friedenspaket der britischen und irischen Regierung.
Mit den Waffen der IRA könnten nach einer Rechnung der "Times" zwei Armeebataillone ausgerüstet werden. Die IRA gilt als die am besten ausgestattete Terror-Organisation der Welt.
Die Zahl der Waffen, mit denen die Nordiren tagtäglich konfrontiert sind, soll geringer werden. Zu verdanken ist dies - nein, nicht der IRA, sondern zunächst einem Vorschlag der britischen Regierung, die ihre Truppen in der Provinz reduzieren will.
Die protestantischen Ulster Unionisten haben zurückhaltend auf das Friedenssignal der IRA reagiert: Ein Fortschritt, aber die entscheidende Frage bleibe unbeantwortet - die nach der Entwaffnung der IRA. Erst wenn die wirklich begonnen habe, sagte Unionistenführer David Trimble, könne er in die durch das Friedensabkommen ausgehandelte Allparteienregierung zurückkehren.
Was immer die "Real IRA" erreichen wollte, mit ihrer jüngsten Londoner Bombe hat sie einmal mehr unterstrichen, in welch erbärmlichem Zustand der nordirische Friedensprozess ist. Kaum hatten die Premiers Blair und Ahern ihr Maßnahmenpaket vorgelegt und dabei weitere Zugeständnisse an die republikanisch-irischen Paramilitärs gemacht - unter anderem eine Amnestie für flüchtige Terroristen - da zündet die "Real IRA" in London ihre 40 Kilo Sprengstoff.
Protestantische Paramilitärs haben in Nordirland einen 18-jährigen Protestanten erschossen, den sie für einen Katholiken hielten. Ein weiterer Jugendlicher wurde bei der Attacke in der Nacht zum Montag in dem Dorf Glengormley nördlich von Belfast verletzt.
Der britische Premierminister Tony Blair hat mit seinem irischen Kollegen Bertie Ahern die Beratungen über ein Friedenspaket für Nordirland abgeschlossen. Die Vorschläge zur Rettung der Belfaster Allparteienregierung sollten aber erst Mitte kommender Woche veröffentlicht werden, sagte Blair nach dem zweistündigen Treffen am Freitag in Sedgefield, seinem Wahlkreis im Nordosten Englands.
Nordirland ist nicht Nahost. Die handgreiflichen Nachrichten aus dem Nordostzipfel Irlands könnten das Gefühl wecken, alles sei verloren, aber das würde der komplexen Wirklichkeit kaum gerecht.
Die ungezügelte Wut von Katholiken hat sich in der Nacht zum Freitag über den Helmen der nordirischen Polizei entladen. Stundenlang attackierten die überwiegend jugendlichen Randalierer im Ardoyne-Viertel von Nord-Belfast die Beamten mit etwa 250 Brandbomben, Säurekanistern und Wurfgeschossen.
Fast hätte man aufgeatmet. Tagelang waren die befürchteten Meldungen über Unruhen in Nordirland ausgeblieben - obwohl doch seit Sonntag wieder Hochspannung angesagt ist: Die Jahreszeit der protestantischen Oraniermärsche hat begonnen.
Am 10. April 1998, an einem klirrend kalten Frostmorgen, einigte sich die überwiegende Mehrheit der nordirischen Parteien mit den Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Republik Irland auf einen historischen Neubeginn: Eine breite Koalition sollte Nordirland innerhalb des Vereinigten Königreichs einvernehmlich verwalten, aber die Zugehörigkeit zur irischen Insel sollte sich in einer engen Zusammenarbeit mit der benachbarten Republik ausdrücken.
David Ervine (47) sitzt für die Progressive Unionist Party (PUP) im nordirischen Parlament. Die PUP ist aus den Friedensgesprächen ausgestiegen.
Die seit Montag andauernden Verhandlungen über die Zukunft der nordirischen Regierung sind am Mittwoch ergebnislos vertagt worden. An diesem Donnerstag finden beinahe zwanzig Paraden des protestantischen Oranier-Ordens in allen Ecken Nordirlands statt, und am Freitag soll in England weiter verhandelt werden.
Es gibt Krieg, es gibt Frieden, und es gibt ein Mittelding, das jeder aus der Zeitung kennt, aber keiner sich so genau vorstellen kann - den so genannten Friedensprozess. Der Prozess, so signalisiert dieses Wort, bewegt sich vom Krieg zum Frieden, und immer ist das Prinzip Hoffnung dabei.
Während der britische und der irische Premierminister am Dienstag in einem englischen Landschloss weiter mit den größeren Parteien Nordirlands verhandelten, um den Fortbestand der nordirischen Regierung zu gewährleisten, kamen aus Belfast unheilvolle Nachrichten: Die Ulster Freedom Fighters (UFF), ein Teil der größten Protestantenmiliz, der ebenfalls verbotenen Ulster Defence Association (UDA), verkündeten, sie seien ab sofort gegen das Friedensabkommen vom Karfreitag 1998, wollten aber an ihrem Waffenstillstand festhalten. Diese überaus gewalttätige Gruppierung hatte in den letzten Wochen konfessionelle Krawalle in Nord-Belfast geschürt und auch anderswo Anschläge auf Katholiken verübt.
Die Logenbrüder des protestantischen Oranier-Ordens von Portadown marschierten gestern Nachmittag grimmig an die stählerne Barrikade der britischen Armee, die ihnen die Parade-Route durch das katholische Wohnviertel der Stadt versperrte. Etwa 3000 Soldaten und Polizisten sollten gewalttätige Zusammenstöße zwischen militanten Protestanten und Katholiken verhindern.
Im Sommer schlagen sich die Nordiren gegenseitig aufs Haupt. Der Wahn verfliegt im Laufe des August, dann wird man wieder sachlich, bisweilen gar versöhnlich.