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Amsterdam ruht in sich. Kein Tourist fällt vom Fahrrad.

© Imago

Touristen-Hotspots ohne Touristen: Unglaublich nah und extrem leise

Bald dürfen Deutsche wieder reisen. Bis dahin haben die Einheimischen ihre Städte für sich - und gehen auf Tour ohne Störgeräusche

In den vergangenen Wochen durfte kein Tourist zu den Sehenswürdigkeiten dieser Welt reisen. Was für die Locals in Paris, London oder Sydney ungewohnte Erfahrungen mit sich brachte. Bis vor kurzem debattierten sie über Overtourism, nun konnten sie ihre Städte ohne Reisende neu genießen. Kein Tuk-Tuk nervte, keine Junggesellengruppe grölte - und man hörte mit einem Mal wieder die Vögel. Wir haben mit Menschen in elf weltbeliebten Hotspots gesprochen, am Telefon oder über Zoom, und ihre Anekdoten aufgeschrieben.

AMSTERDAM

Stef Bakker, Interior Designer
Als ich in den 80er Jahren nach Amsterdam zog, hatten die Geschäfte sonntags geschlossen, die Menschen stellten Klappstühle vor ihre Häuser und setzten sich mit einem Glas Wein an den Kanal. Das ging in den letzten Jahren nicht mehr. Zu viele Touristen, die keinen Respekt gegenüber der Stadt und ihren Bewohnern hatten. Jetzt sind nur wir Amsterdamer übrig, wir fangen wieder an, vor unseren Wohnungen zu picknicken. Man kommt leichter ins Gespräch, weil jeder weiß, der andere kann nur ein Nachbar sein.

Man sieht die Architektur in all ihrer Pracht, gerade bei diesem herrlichen Frühlingswetter der vergangenen Tage, hübsch bemalte Fassaden, die an die Farbpalette der alten holländischen Meister erinnern. Wo ich wohne, zwischen Anne-Frank- Haus und Königspalast, sind die alten Mauern der Kanäle beschädigt, die Stadt hat einen Meter davor Schutzwälle hochgezogen und den Zwischenraum mit Sand gefüllt. Darauf wachsen nun wilde Blumen, unbehelligt von Autos oder Menschengruppen. Auf dem Wasser fahren keine Ausflugsdampfer mehr. Die Grachten sind friedlich wie lange nicht mehr.

Neulich habe ich morgens eine Frau beobachtet, vielleicht 45 Jahre alt, die auf einem SUPBoard einen Kanal entlang fuhr, die Haare noch verwuschelt, als wäre sie gerade aus dem Bett gestiegen, sie trug Shorts und einen Bikini, die Gracht war kristallklar, und sie paddelte in aller Ruhe durch das Wasser, unbekümmert in ihrer eigenen Blase. Es war eine entrückte, leicht surreale Szene – als wäre ich in einem Film von Wes Anderson gelandet.

In der Bucht vor Split schwimmen nun wieder Delfine.
In der Bucht vor Split schwimmen nun wieder Delfine.

© Ulf Lippitz

SPLIT

Anita Birimisa, Stadtführerin
Seit Montag dürfen sich wieder Gruppen mit bis zu 40 Personen in Kroatien treffen, Hochzeiten und Taufen sind möglich. Die Großfamilie ist uns Kroaten wichtig. Drei Generationen leben nach wie vor unter einem Dach. Jetzt können alle zusammen in die Stadt gehen, an der Riva, der Uferpromenade, entlangspazieren. Die See ist so ruhig, kein Schiff legt an, keine Yacht kreuzt im Wasser.

Sogar die Delfine sind wiedergekommen und schwimmen nun vor der Stadt herum. Ein Spektakel ist das! Seit Jahren haben wir das nicht erlebt. Wenn ich zur Riva gehe, treffe ich mindestens 20 Bekannte, die ich lange nicht gesehen habe und mit denen ich auf Abstand plaudere.

Oder ich gehe zum römischen Diokletianpalast, dem Spielplatz meiner Kindheit, setze mich auf die Steine und lausche den Geschichten aus vergangenen Zeiten, die sie mir erzählen. Eine Märchenwelt öffnet sich mir. Oben am Palast, in einer Gasse, liegt mein Lieblingscafé „Galerija“, dort setze ich mich hin, bestelle einen verlängerten Espresso und schaue auf die Steine, die von der Antike, dem Mittelalter oder der Neuzeit erzählen.

Dazu haben wir plötzlich Zeit: die Stadt anzugucken. Wir erkennen Split wieder. Kein Kreuzfahrtpassagier blockiert unsere Sicht. Besonders für die Kinder ist das neu. Die gingen ja kaum noch ins Zentrum. Jetzt können sie das tun, was Generationen vor ihnen noch kannten: mit der Familie in die Stadt gehen, sich mit anderen treffen, die Eltern unterhalten sich, und die Kinder spielen auf dem alten Pflaster um sie herum.

Freie Aussicht für die Queen vor dem Buckingham Palace.
Freie Aussicht für die Queen vor dem Buckingham Palace.

© Imago

LONDON

Sarmad Hassani, Geschäftsmann
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie fühlt sich jeder einzelne Tag in London wie ein früher Sonntagmorgen an. In den letzten Jahren habe ich mir immer solche Randzeiten gesucht, um durch die Stadt zu joggen.

Plötzlich gehört London mir. Zur Rush Hour renne ich am menschenleeren Covent Garden vorbei, verschnaufe als einziger mitten auf dem Piccadilly Circus, grüße Buckingham Palace und das Parlament, sprinte ganz allein am Themseufer entlang, wo sonst Schlangen vor dem London Eye, dem großen Riesenrad, stehen. Während ich vor mich hin schwitze, fühle ich mich abwechselnd wie der Superheld in einem Will-Smith-Endzeit-Film oder als Teil eines Renaissance-Gemäldes, um mich herum Straßen voll cremefarbener Villen.

Sollte ich je Zweifel gehabt haben, wie wunderschön diese Stadt ist: Sie sind seit Corona beseitigt. Andere haben all diese Orte als Poster an der Wand oder Bildschirmschoner auf dem Handy, sie zahlen viel Geld, um hier Urlaub machen zu dürfen. Neuerdings fällt mir auch auf, wie viel unsere Stadtverwaltung dafür getan hat, dass London seine Einzigartigkeit bewahrt hat, dass es so sauber ist.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

In der City of London, dem Finanzzentrum, wo ich arbeite und ansonsten in der Mittagspause mit anderen Businessleuten im Anzug 20 Minuten für einen Salat anstehe, herrscht absolute Stille. Nur lautlose Elektrobusse gleiten an mir vorbei. Viele meiner Kollegen haben sich auf ihre Landhäuser zurückgezogen. Auch die Take-Away-Restaurants in diesem Teil der Stadt haben zugemacht, weil es kaum noch Kundschaft für sie gibt.

Früher hörte ich in meinem London innerhalb einer Minute 15 Sprachen, roch karibisches, iranisches und indisches Essen, bekam die unterschiedlichsten Frisuren und Outfits zu Gesicht. Trotz der neugewonnen Entschleunigung: Ich würde alles dafür geben, diese Vielfalt zurückzubekommen. Es kann schließlich nicht jeden Tag Sonntag sein.

Pariser genießen in Montmartre das Nachbarschaftsgefühl ohne Reisende.
Pariser genießen in Montmartre das Nachbarschaftsgefühl ohne Reisende.

© AFP

PARIS

Tanguy Hussin, Ingenieur
Paris ist gerade ein Seebad nach den Sommerferien. Die Straßen sind leer, die Leute gehen langsamer, Restaurants haben geschlossen, die Hektik hat nachgelassen. Für einen Pariser ist es ein komischer Anblick, wenn vor den Cafés keine Stühle stehen, sondern wenn sie hinter verschlossenen Türen aufgestapelt sind.

Für mich war das Ende des strengen Lockdowns eine Befreiung. Die Zeit davor fühlt sich im Nachhinein wie ein komischer Traum an. Die Regeln waren streng: Man durfte für eine Stunde in einem Umkreis von einem Kilometer raus. Nur zum Einkaufen oder zum Sport, und man brauchte ein Schriftstück, welches das bestätigt.

Die Stadt hat sich sehr verändert. Einerseits, weil keine Touristen da sind, andererseits, weil viele Franzosen, die zwar in der Stadt leben, aber nicht aus Paris kommen, zurück in ihre Heimatorte gegangen sind. Das sind schätzungsweise ein Drittel der Einwohner.

Als man wieder raus durfte, bin ich erstmal viel spazieren gegangen. Flanieren ist ja eine typische Pariser Sache. Gerade bei den jungen Leuten, weil die Wohnungen so klein sind. Meine ist nur zwölf Quadratmeter groß. Ich treffe mich jetzt oft draußen mit Freunden, wir trinken einen Aperitif auf der Straße oder holen uns etwas zu essen aus Restaurants, die Take-away anbieten. Neulich haben wir Pizza in Montmartre gegessen. Üblicherweise laufen da da so viele Leute herum, dass man den Boden kaum erkennen kann. An diesem Abend waren wir fast für uns.

Vom Miradouro da Graça blickt man auf die Altstadt von Lissabon.
Vom Miradouro da Graça blickt man auf die Altstadt von Lissabon.

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LISSABON

Telmo Pires, Sänger
Wer im Zentrum wohnt, erlebt gerade eine himmlische Ruhe. Kein Sauftourist weckt dich nachts um zwei mit seinem Geschrei, kein Tuktuk rattert über den Kopfstein und fährt dich fast platt. Diese eigentlich aus Asien stammenden Taxis haben in letzter Zeit Lissabon übernommen, ihre lauten Motoren sind wahrlich zur Pest geworden.

Sie fahren Touristen durch Gassen und die steilen Straßen zur alten Burg oder das Bairro Alto hoch. Früher quälte man sich hinauf, lief die Stadt zu Fuß ab und gönnte sich danach in einem Terrassencafé einen Espresso.

Nun sind die Dinger weg, jeder atmet auf. Dadurch, dass Fahrzeuge fast komplett aus dem Straßenbild verschwunden sind, habe ich das Gefühl, die Stadt sei größer geworden – nicht mehr so beengt. Ich entdecke neue Läden in meiner Nachbarschaft Graça. Früher war ich nie beim Metzger, jetzt gehe ich drei Mal die Woche hin, weil ich meine alte Tante mitversorge. Die Luft ist viel besser geworden. Jeden Tag gehe ich zum Miradouro da Graça, einem Aussichtspunkt, von dem ich die Unterstadt und den Tejo überblicken kann. Normalerweise hängt eine Dunstglocke über Lissabon, ein brauner Streifen, der schlierig über dem Panorama steht. Jetzt ist er verschwunden, man sieht Lissabon glasklar.

Königliche Ruhe vor dem Opernhaus in Sydney.
Königliche Ruhe vor dem Opernhaus in Sydney.

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SYDNEY

Peter Shopovski, Clubpromoter
Durch den Central Business District, den CBD, von Sydney zu laufen, fühlte sich in den vergangenen Wochen sehr surreal an. Verwaiste Straßen, keine geschäftigen Menschen unterwegs, eine gespenstische Ruhe hatte das Geschäftszentrum erreicht. Auf meinen Spaziergängen durch die Parks der Stadt sah ich plötzlich Rabenkakadus mit ihren charakteristischen roten Schwanzfedern. Die Vögel erobern sich die Plätze zurück, die wir Menschen ihnen einst genommen hatten.

Und ein bisschen taten wir Sydneysiders das auch mit dem Viertel um den alten Hafen und das bekannte Opernhaus, das uns die Touristen verleidet haben. Jahrelang bin ich da nie hingegangen, inzwischen ist es zu meinem täglichen Ritual geworden, einen langen Spaziergang am Wasser entlang zu machen. Ich lerne die Schönheit unserer Stadt wieder schätzen. Und ich bemerke viele Einwohner, die dasselbe tun. Alle reden, wie toll es mit einem Mal in der Stadt ist – und keiner spricht mehr über die nächste Reise weg von hier.

Nächtliche Solidaritätsbezeugung in Zeichen von Corona in Downtown Seattle.
Nächtliche Solidaritätsbezeugung in Zeichen von Corona in Downtown Seattle.

© dpa

SEATTLE

Maya Firmbach Kraft, Studentin
In meinem normalen Alltag begegne ich Touristen selten, die zieht es eher nach Downtown, da gehen Einheimische nie hin, oder zu Sehenswürdigkeiten wie der Space Needle, dem Aussichtsturm. Aber neulich war ich auf dem Pike Place Market, wo es Fisch, Blumen und Souvenirs gibt, um bei einem Bauern aus der Region Obst und Gemüse zu holen. Der Markt ist eine Besucherattraktion, nun natürlich leer, eine komische Atmosphäre.

Ich gehe viel spazieren, allein oder mit meinem Freund Sam. Jetzt regnet’s gerade, aber wir hatten auch schon Tage mit über 25 Grad. Es ist sehr still. Nicht nur, weil die Besucher fehlen, sondern auch, weil die Mitarbeiter von den großen Firmen wie Amazon, Google und Microsoft im Homeoffice arbeiten und nicht pendeln. Ich fahre jetzt mehr Auto als sonst, nicht mehr Bus, um anderen nicht nahezukommen.

Um zu einer der Grünanlagen zu kommen, muss ich halt den Wagen nehmen. Und erst mal einen Stellplatz finden, denn die Parkplätze dort sind gesperrt, damit erst gar nicht so viele Leute hingehen. Das hilft nichts, die Rasen und Wege sind voller als sonst, vor allem beliebte Ausflugsziele wie Green Lake oder Gas Works. „Keep it moving“ steht auf Schildern, da hält sich niemand dran. Am Wochenende waren wir im Discovery Park, ein riesiges Gebiet, in dem man das Gefühl hat, in der Natur zu sein. Ganz früh, vor acht, sind wir hin, um anderen aus dem Weg zu gehen.

Ich will immer was Neues entdecken, deswegen fahren wir gern in bestimmte Viertel, um da rumzulaufen. Ballard zum Beispiel, da gibt’s ganz viele Bars, kleine Läden und Restaurants, die jetzt alle zu haben, die Fenster sind sogar mit Holz verbarrikadiert. Aber die haben Murals, Wandbilder, darauf gemalt, das ist schön. Hausbewohner setzen Teddybären auf ihre Fensterbank, damit die Kinder was zu gucken haben, wenn sie vorbeilaufen.

Die Cafés und Restaurants haben alle geschlossen, außer für Gerichte to go. Aber wir kochen eh viel selber. Jetzt muss ich auch aufhören: Sam hat Pancakes gemacht – zum Frühstück!

Wo sonst Touristen für den Petersdom anstehen, herrscht nun Leere.
Wo sonst Touristen für den Petersdom anstehen, herrscht nun Leere.

© AFP

ROM

Cecilia Trombadori, Lektorin
Vor einem Monat hat man nur Vogelgezwitscher und Krankenwagensirenen draußen gehört, inzwischen dreht Rom wieder die Lautstärke auf: Busse, Autohupen, Vespas. Aber es hat noch nicht den Lärmpegel erreicht, an den wir uns seit langem gewöhnt hatten.

In Rom fährt man Auto. Zum Supermarkt, zum Restaurant, entlang dem Lungotevere, wo die Straßen so voll sind wie vorher. Unsere großen Piazzas waren früher Parkplätze. Um die Piazza Navona im Zentrum kurvten zu meiner Kindheit noch Autos, danach wurde sie ein Ausflugsziel für Touristen, kein Römer geht noch dorthin. Während der Coronakrise wuchs wieder Gras zwischen den Pflastersteinen, das muss ich mir unbedingt angucken, bevor es niedergetrampelt wird.

Neulich habe ich einen Film von Ettore Scola aus den 70er Jahren gesehen, eine Szene spielte auf der kreisrunden Piazza del Popolo, wo der Weg hoch zum Park der Villa Borghese geht. Um den Obelisken in der Mitte des Platzes hielten überall Wagen. Vor einigen Tagen stand ich auf der Piazza – und habe mich gewundert, wie anders sie wirkte. Wenn sie voll mit Touristen und Straßenverkäufern ist, scheint sie ziemlich groß zu sein, doch ohne Menschen schrumpften ihre Ausmaße. Gar nicht so riesig, dachte ich.

Geht man vom Platz durch das alte Stadttor hindurch, gelangt man auf die Piazzale Flaminio. Mit meiner siebenjährigen Tochter bin ich kürzlich dort gewesen, eine kleine Erinnerungstour für mich, denn meine Schule befand sich früher in der Nähe. Wir Kinder trafen uns an der Haltestelle, drumherum verkauften Schwarze auf Tüchern Fake-Handtaschen von Gucci, Rapper und Popper standen in kleinen Gruppen zusammen, man hat eigentlich den Platz vor lauter Menschen nie sehen können.

An jenem Tag aber war er leer, ich konnte ihn ohne störende Faktoren genießen. Es war ein seltsames Gefühl. Wir gingen in das Atelier meines verstorbenen Urgroßvaters, der Maler war, und besuchten mit einer alten Tante die Räume. Draußen gab es einen kleinen Garten im Hinterhof, kein Mensch war zu hören – und ich dachte: Rom ist eine akustische Wüste.

Die Boulevards von Barcelona sind noch verwaist.
Die Boulevards von Barcelona sind noch verwaist.

© AFP

BARCELONA

Gustavo Melon Mesa, Bauingenieur
Ich wohne mit meiner Familie in der Nähe des Parc de la Ciutadella, vielleicht zehn Minuten Fußweg vom Picasso-Museum entfernt. Da sind regulär viele Touristen unterwegs. Aufgrund der Ausgangssperre waren die Straßen zwei Monate lang menschenleer. Es fuhren fast keine Autos. Wenn wir das Fenster aufgemacht haben, konnten wir die Vögel zwitschern hören. Eine völlig neue Erfahrung für uns.

Lange durften wir gar nicht auf die Straße, nur eine Person und dann zum Einkaufen. Da sind die Leute um acht Uhr abends zum Fenster gegangen und haben für die Krankenpfleger, Sanitäter und Ärzte geklatscht. Dabei haben wir angefangen, mit den Nachbarn zu plaudern, die man sonst nur vom Sehen kannte. Jetzt grüßen wir uns auf der Straße.

Nachmittags treffen sich die Kinder auf den Mercat del Born zum Spielen. Da tobte bis zur Pandemie das Leben, vor allem abends vor den vielen Bars und Kneipen. Jetzt können die Kinder da ungehindert spielen. Sie haben so viel Platz, dass sie sich einen neuen Sport ausgedacht haben: Fußball auf Rollerblades. Ist ja keiner da, den sie stören könnten.

Andere Teile von Barcelona sind dagegen wieder voll geworden – zum Beispiel das Strandviertel Barceloneta. Ich gehe gerne Joggen, Sport darf man jedoch nur zwischen sechs und zehn Uhr morgens oder von 20 bis 23 Uhr auf der Straße machen. Um acht Uhr morgens habe ich in Barceloneta das Gefühl, gleich würde Woodstock losgehen – so viele Menschen treffen sich beim Laufen auf der Promenade. Kaum möglich, da zwei Meter Sicherheitsabstand zu halten.

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KRÜGER NATIONALPARK

Kurt Schultz, Ranger
Mir gehört ein Safari-Unternehmen in Hazyview, an der Grenze zum Krüger-Nationalpark. Ich lebe davon, Touristen aus aller Welt den Park zu zeigen. Seit dem Lockdown geht das nicht mehr. Die Tiere haben die 20 000 Quadratkilometer jetzt fast ganz für sich – nur einige Wildhüter leben noch im Staff Village, und natürlich patrouillieren die Sicherheitsleute nach wie vor an den Grenzen. Die Wilderer versuchen ja trotzdem, Jagd auf Nashörner zu machen.

Die Löwen spazieren jetzt in der Dämmerung über den Golfplatz in Skukuza, dem Hauptcamp im Park. Manche Raubkatzen schlendern ganz ungestört über die Straßen. Vergangene Woche fraß ein Leopard seine Beute an Loch 7. Das Gelände ist nicht eingezäunt, weil die Tiere Abstand halten, wenn Menschen dort sind. An unsere offenen Safariwagen sind sie auch gewöhnt. Sie haben gelernt, sie zu ignorieren. Wenn der Park bald wieder geöffnet wird, könnte das ein Problem werden: Die Tiere werden sich erstmal erschrecken und wegrennen.

Damit meine Rangerinnen und Ranger beschäftigt bleiben, üben wir uns in Theorie, besprechen die Tier- und Pflanzenwelt. Und wir arbeiten daran, unsere Flotte auf den neuesten Stand zu bringen. Seit Corona habe ich sechs Kilo verloren. Täglich mache ich ein straffes Sportprogramm, sonst halte ich es zu Hause nicht aus – normalerweise bin ich den ganzen Tag auf den Beinen.

Vor meiner Tür steht das gepackte Auto. Sobald der Park wieder von Einheimischen befahren werden darf, geht es für mich in den Norden, an die Grenze zu Zimbabwe. Ich werde erstmal einige Tage ungestörte Natur genießen. Mein Hobby ist fotografieren und filmen – vielleicht gelingt mir nochmal so eine Aufnahme wie Anfang des Jahres, als ich dokumentieren konnte, wie ein Pavian ein Löwenbaby entführte.

Die Wiener haben nun alle Ruhe der Welt, den Stephansdom zu bestaunen.
Die Wiener haben nun alle Ruhe der Welt, den Stephansdom zu bestaunen.

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WIEN

Klemens Renoldner, Autor
Täglich gehe ich jetzt über den Stephansplatz. Meine Wohnung ist vier, fünf Minuten entfernt, daher lege ich meine Wege in der Stadt so, dass ich ihn mindestens einmal am Tag überquere. Vor dem 15. März, also dem Beginn der Corona-Beschränkungen bei uns in Österreich, habe ich ihn gemieden.

Wo sich früher einmal zwei stark befahrene Straßen kreuzten, hatte man Anfang der 1970er Jahre eine gigantische Fußgängerzone geschaffen. Wer zum Stephansdom wollte, musste sich seitdem durch chinesische, japanische, koreanische und polnische Reisegruppen hindurchkämpfen und sich von Burschen in Pseudo-Rokokokostümen, mit idiotischen Mozart-Perücken am Kopf, wegen irgendwelcher erbärmlicher Mozart-Konzerte anquatschen lassen.

Das Rätsel, warum sich Touristen am liebsten dort aufhalten, wo sich die Menschenmassen versammeln, als wären diese selbst die Attraktion, kann man auch am Stephansplatz in Wien nicht lösen.

Jetzt aber sind die Besucher weg, der Platz ist leer, die Stadt gehört den Wienern. Auch die Fiaker, diese touristischen Pferdekutschen, sind verschwunden, damit netterweise auch der Gestank von Pferdemist. Gegenüber dem Hauptportal des Doms verramscht die Firma Ostovics Designer-Küchenkram, Ware zum halbierten Preis. Daneben, bei „Wein & Co“ mit den überteuerten Weinflaschen, gibt man die Ware nun auch etwas billiger her.

Alle wollen den früheren Betrieb wieder aufnehmen, neue Käufer anlocken. Die Kaffeehäuser sind nur mäßig frequentiert, was man sympathisch oder beängstigend finden mag, einige haben ihre Wiedereröffnung gleich auf Herbst vertagt.

Der Dom darf jetzt von 300 Personen besucht werden. Früher waren es angeblich bis zu 14 000 täglich und mehr als fünf Millionen im Jahr. Das ändert sich gerade. Man setzt seine Mund-und-Nasenmaske auf und wird automatisch gezählt. Gestern war ich die Nummer 27. Die Kirche war hell erleuchtet und leer. Für einen Euro besichtigte ich den Stephansdom, romanische und gotische Statuen, barocke Gemälde, Grabplatten, über eine Stunde lang. Es herrschte eine große Stille.Ich glaube, es war mein erster wirklicher Besuch im Wiener Stephansdom.

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