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Illustration: Eine Jugendliche mit gelber Taucherbrille ist unter Wasser in einem Schwimmbecken zu sehen.

© Tropical studio - stock.adobe.com/Denis Moskvinov

Australien zwingt Jugendliche zum Social-Media-Entzug: Und die finden es gut!

Droht eine Revolte der Heranwachsenden gegen das Social-Media-Verbot in Down Under? Ganz im Gegenteil – für viele ermöglicht es einen Ausstieg der individuell nicht möglich wäre, meint unser Kolumnist Magnus Heier.

Magnus Heier
Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Stand:

Seit eineinhalb Wochen dürfen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren in Australien keine eigenen Konten mehr auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, TikTok, Snapchat, Instagram und anderen betreiben. Das ist ein maximaler Eingriff in einen essenziellen Teil ihres sozialen Lebens, ihrer Kommunikation, ihres Seins. Man dürfte vermuten, dass diese Nachricht Schockwellen über den Globus treibt, dass Kinder und Jugendliche auch in Deutschland Panik bekommen, sich empören, Widerstand planen.

Ich kann mich mit den Freaks, die ständig im Netz unterwegs sind, nicht mehr unterhalten – die können überhaupt nicht mehr zuhören.

Eine 14-Jährige zu den Folgen ständiger Social-Media-Nutzung

Das Gegenteil scheint der Fall, wenn man das Gespräch mit Jugendlichen sucht: Nichts ist daran repräsentativ, statistisch belastbar, wissenschaftlich. Aber viele der jungen Menschen scheinen das Verbot in Australien zu begrüßen! Sie kennen die drastischen Folgen stundenlangen Chattens: „Ich kann mich mit den Freaks, die ständig im Netz unterwegs sind, nicht mehr unterhalten – die können überhaupt nicht mehr zuhören“, sagt eine 14-Jährige.

Wer nicht mithalten kann, wird gemobbt

Eine 9-Jährige leidet unter dem Stress, ständig erreichbar sein zu müssen, auf Nachrichten sofort reagieren zu müssen. Und vor allem: Mit den anderen mithalten zu müssen: schön und cool und dünn zu sein. Wer nicht mithalten kann, wird gemobbt – auch schon unter Kindern.

Nun wäre es naheliegend, Instagram und Co. einfach abzuschalten. Problem gelöst. Geht aber nicht, weil die anderen – die Freunde, die Klassenkameraden – noch dort sind. Weil ein Aussteiger viel Selbstbewusstsein braucht, um alleine auszusteigen. Und damit Kontrolle und Übersicht darüber verliert, was über sie oder ihn im Netz verbreitet wird.

Würden alle anderen auch abschalten, wie jetzt in Australien, wäre es für den Einzelnen leicht – auch die anderen müssten sich statt im Netz im wirklichen Leben verabreden: telefonieren, reden, treffen. Der soziale Stress im Netz wäre weg. Der offenbar von vielen Kindern und Jugendlichen ersehnte Ausstieg aus den sozialen Medien ist allein kaum möglich. Die australische Regierung gibt eine mutige Hilfe. Ob sie in Deutschland politisch mutige Nachahmer findet, darf bezweifelt werden.

Alle Folgen der Kolumne „Im weißen Kittel“ finden Sie auf der Übersichtsseite.

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