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Benny Levenson ist für Kollegen in 80 Ländern der Welt zuständig.

© picture alliance/dpa/Britta Pedersen

Ranghöchster Kardiologe der Welt kommt aus Berlin: Die erstaunliche Karriere des Benny Levenson

Einst war er Leistungssportler, seit Jahren leitet er eine Praxis in Charlottenburg und ist in zig Gremien aktiv. Jetzt steigt Benny Levenson mit 70 Jahren noch weiter auf.

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Sein Vater, Rechtsanwalt in München, habe immer die Maxime vertreten: „Mach’s richtig oder lass‘ es bleiben.“ So erzählt es Benny Levenson. Der niedergelassene Invasiv-Kardiologe mit gut laufender Praxis im Berliner Bezirk Charlottenburg hat sich daran gehalten.

Früher mal Leistungssportler, war und ist der gebürtige Münchner neben seinem Haupt- und Brotberuf in derart vielen Berufsverbänden, Kommissionen, Fachgruppen und Beratungsgremien aktiv, dass einem beim Lesen seiner Vita geradezu schwindlig wird.

Jetzt, in einem Alter, in dem sich andere längst im Ruhestand befinden, legt Levenson noch eins drauf: Ab 1. April fungiert der 70-Jährige im American College of Cardiology (ACC) als Vorsitzender und Sprecher der „Assembly of International Governors“ (AIG). Levenson ist damit für drei Jahre der ranghöchste Kardiologe weltweit – und für 16.000 ACC-Mitglieder und Kolleg:innen in 80 Ländern der Erde zuständig.

Wie kommt man in eine solche Position? Bei Levenson, der von einer „Wahnsinns-Ehre“ spricht und erst als zweiter Deutscher (nach dem Freiburger Kardiologen Christoph Bode) das Amt bekleiden darf, scheint sie folgerichtig. Der Berliner Kardiologe war schon über mehrere Jahre Sprecher der deutschen ACC-Sektion.

Der folgerichtige Aufstieg

Von 2020 bis 2024 war er Europavertreter im globalen Lenkungsausschuss der renommierten Fachgesellschaft. Und im Dezember 2023 hatte ihn das ACC unter dem Brasilianer Antonio Carlos Palandri Chagas zum „Chair-elect“ des AIG gewählt. Daraus hat sich jetzt die Spitzenposten ergeben.

Wichtig für diese Karriere waren mit Sicherheit auch fachliche Meriten. Vor zwei Jahren erhielt Levenson vom ACC die Goldmedaille „für herausragende Verdienste in Wissenschaft, Ausbildung und Zusammenarbeit“ – eine sehr rare Ehrung, die vor ihm nur fünf weiteren Kardiologen zuteilwurde.

Einer der Hintergründe: Levenson hat vor gut sechs Jahren ein Projekt namens Global Heart Attack Treatment Initiative (GHATI) initiiert, dem er immer noch mit Herzblut verbunden ist. Darin werden weltweit Daten zur Versorgung von Patienten mit akutem und per EKG nachweisbaren Hebungs-Herzinfarkt (Stemi) ausgewertet.

Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen außerhalb Europas und Nordamerikas, wo die größten strukturellen Probleme vermutet werden. Schließlich treten dort mehr als 75 Prozent der weltweit rund 18 Millionen Todesfälle durch kardiovaskuläre Erkrankungen auf.

Frauen sind deutlich schlechter versorgt

20
Prozent beträgt der Anteil weiblicher Patienten in besonders strukturschwachen Ländern.

Bei den Auswertungen der Daten zeigte sich unter anderem, dass in den besonders strukturschwachen Ländern nur knapp 20 Prozent weibliche Patienten versorgt wurden. Zum Vergleich: In den USA und in Westeuropa beträgt der Anteil weiblicher Patienten in den Registern 30 bis 40 Prozent. Als Ursache für die Unterversorgung von Frauen vermuten die Forscher soziokulturelle Gründe.

Die Zielsetzung von GHATI ist es, diese global nachweisbar bestehenden Ungleichbehandlungen aufzuzeigen und den Kolleg:innen in betroffenen Ländern Hilfsmittel an die Hand zu geben, um die Versorgung mithilfe ihrer Regierungen zu verbessern. Schon die Teilnahme an dem Register-Projekt bewirke Verbesserungen, betont Levenson.

Sie habe zur Folge, dass das Thema in die Köpfe komme. Der jüngste Erfolg sei, dass das Gesundheitsministerium des brasilianischen Bundesstaates São Paulo mit seinen mehr als 45 Millionen Einwohnern alle Herzkatheterzentren zum Mitmachen verpflichtet habe.

GHATI war das erste globale Projekt des ACC und der AIG. Es laufe „wie geschnitten Brot“ und werde nun auch auf Europa, also auf nominell „hochversorgte, reiche“ Länder ausgerollt, sagt Levenson. Er hat vor, in den Katheterlaboren weltweit eine Laptop-basierte Version des Registers bereitzustellen.

Er wurde von der Politik enttäuscht

Bei alldem konnte Levenson aus reichlich Erfahrung in Deutschland schöpfen. Bei der Berliner Ärztekammer hat er etwa das Schrittmacherregister Berlin-Brandenburg auf den Weg gebracht. Bundesweit war er ab 1995 Mitbegründer des QuIK-Projekts („Qualitätssicherung im Herzkatheterlabor“) – eine externe, vergleichende Qualitätssicherung.

Dazu kommt die Mitarbeit in Kommissionen und AGs der Kassenärztlichen Vereinigung von Land und Bund sowie im Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK), bei dem Levenson über 16 Jahre als Vize-Vorsitzender fungierte. Auch in der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie-Herz-Kreislaufforschung (DGK) – die „ältere Schwester des ACC“, da von denselben Wissenschaftlern 1927 gegründet – arbeitet er seit 1995 in wichtigen Gremien. 2003 publizierte Levenson das erste deutschsprachige Positionspapier zum Einsatz von Medikamente freisetzenden Stents, die heute zum Alltag in der Koronarversorgung gehören.

Auch mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach kam Levenson öfter ins Gespräch.

© picture alliance/dpa/Reuters/Pool/ANNEGRET HILSE

Wichtig ist dem Mediziner bei alldem zweierlei: die interdisziplinäre, sektorenübergreifende Zusammenarbeit mit Blick aufs Patientenwohl, und die für Vermeidung oder Verzögerung von Herzerkrankungen oft ganz entscheidende Prävention.

Zuletzt erlebte Levenson diesbezüglich allerdings eine herbe politische Enttäuschung: Das Vorhaben von Gesundheitsminister Karl Lauterbach namens „Gesundes-Herz-Gesetz“ kam wegen der abgebrochenen Legislatur nicht über Kabinettsbeschluss und erste Lesung hinaus.

Über Bedenkenträger und bürokratische Hemmnisse bei aus seiner Sicht wichtigen Projekten kann sich der künftige Chairman mächtig ärgern. Und zwar parteiübergreifend. Ziel von Lauterbachs Gesetzesvorhaben sei es gewesen, die Früherkennung und Versorgung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen spürbar zu verbessern, sagt Levenson.

Auftanken während der Sprechstunden

Deutschland sei hier im internationalen Vergleich schwer abgeschlagen. Und selbst wenn einigen die Sache inhaltlich teils zu weit gegangen sei: Bei einem derart wichtigen Ziel müsse man doch „wenigstens mal anfangen“. Details ließen sich später ja immer noch nachjustieren.

Trotz seiner zahlreichen Gremien-Aktivitäten ist Levenson nach wie vor regulär in der Patientenversorgung tätig – gemeinsam mit vier weiteren Kardiolog:innen in der von ihm vor über 30 Jahren gegründeten Gemeinschaftspraxis, im Katheterlabor sowie einen Tag die Woche im Krankenhaus, wo er auch junge Kollegen ausbildet.

Seit seiner Ausbildung – erst zum Facharzt für Innere Medizin und Kardiologe, dann zum Leitenden Notarzt an der Katastrophenschutzschule des Bundes in Ahrweiler/Bad Neuenahr – arbeitet Levenson als Kardiologe. In die Hauptstadt verschlagen hat es ihn fürs Medizinstudium an der Berliner FU. Vorher hatte er bereits an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Chemie, Physik und Philosophie studiert.

Entweder ganz oder gar nicht. Eine schöne Devise, doch wie geht die Patientenversorgung zusammen mit den vielen Funktionärsaufgaben, dem internationalen Engagement? Und: Wo bleibt die Entspannung? Die funktioniert auch über den Kopf. Auftanken könne er beispielsweise während seiner Sprechstunden, sagt Levenson. Die Arbeit in seiner Praxis sei beglückend. Von jedem der 20 bis 40 Patienten, denen er dort pro Tag begegne, nehme er etwas mit.

Erfolge machen Spaß, Misserfolge spornen an.

Benny Levenson

Und sein Einsatz für das ACC? Dafür benötige er vielleicht zehn Wochenstunden zusätzlich, sagt Levenson. Im Regelfall handle es sich um Videokonferenzen – am späten Nachmittag, abends oder auch schon mal nachts um eins, es gelte ja die Zeitzonen zu berücksichtigen. Hinzu kämen nationale Kongresse, als Chairman müsse man sich vielleicht etwas öfter vor Ort sehen lassen. Doch auch da bleibt dem Kunstliebhaber und passionierten Fotografen zwischendurch Luft, um durch ein Museum zu schlendern.

Von den internationalen Begegnungen, den Kollegen mit anderen Mentalitäten komme ebenfalls viel zurück, sagt der Kardiologe. Klar, Stress und Frustration gebe es auch. Dagegen benötige man eine gewisse Resilienz. Doch er halte es mit dem Motto: „Erfolge machen Spaß, Misserfolge spornen an.“

Was Levenson gar nicht gefällt, sind die politischen Entwicklungen in den USA. Er habe sich schon gefragt, sagt er, wie man sich als amerikanische Fachgesellschaft weiterhin um Länder kümmern könne, die vom Weißen Haus „mindergeachtet“ würden. Das Ergebnis dieser Überlegungen: „Man kann nicht nur, man muss.“

Das ACC verstehe sich als „United Nations of Cardiology“. Politik interessiere dabei nicht. So säßen auf den Tagungen Kardiolog:innen aus verfeindeten Ländern wie Russland, China, Irak, Israel oder Iran zusammen und diskutierten auf fachlicher Ebene, wie man die globalen Herausforderungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Griff bekommen könnte. Dabei sei das ACC unabhängig von Regierungen, es finanziere sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. „Das ist in der aktuellen Situation sehr hilfreich.“

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