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© ARD/HERBY SACHS

Update

ARD-Reporter ausgewiesen: Auswärtiges Amt bestellt russischen Botschafter ein

Moskau hat zwei deutsche Journalisten ausgewiesen. Zuvor hatte das Land Berlin zwei Russen die Aufenthaltstitel entzogen. Der Vorgang wird auch propagandistisch genutzt.

Stand:

Nachdem die russischen Behörden zwei ARD-Mitarbeiter ausgewiesen haben, hat das Auswärtige Amt den russischen Botschafter in Berlin einbestellt. „Die Ausweisung der ARD-Mitarbeiter durch Russland ist inakzeptabel und die Begründung schlicht falsch und gelogen. Wir verurteilen das in aller Deutlichkeit“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock.

Russland hat am Donnerstag zwei ARD-Journalisten ausgewiesen. Wie die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Mittwoch mitteilte, ist dies eine Vergeltungsmaßnahme für ein von den deutschen Behörden verhängtes „Arbeits- und Aufenthaltsverbot“ für die Korrespondenten des russischen Senders Perwy Kanal („Erster Kanal“) in Deutschland. Der Kanal ist der meistgesehene im russischen Fernsehen.

Russland sei grundsätzlich bereit, neues ARD-Personal zu akkreditieren. Dies könne aber nur geschehen, wenn russische Journalisten in Berlin ihrer Arbeit nachgehen könnten, erklärt das Ministerium weiter.

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Tatsächlich handelt es sich aber nicht um ein Arbeitsverbot. Wie der Tagesspiegel auf Anfrage an die Senatsinnenverwaltung in Berlin erfuhr, wurde zwei russischen Journalisten die Aufenthaltserlaubnis entzogen. Es handelt sich um den Korrespondenten des TV-Senders „Erster Kanal“ Ivan Blagoy und seinen Kameramann Dimitry Volkov.

Wie die Innenverwaltung schreibt, sei der russische Sender „Teil der Medienholding National Media Group und im 9. Sanktionspaket der EU vom 16.12.2022 gelistet“. Die Entscheidung sei durch ein Gericht bestätigt worden. Die zwei Journalisten könnten dagegen noch Einspruch einlegen.

Die russischen Behauptungen sind falsch, die Bundesregierung hat das Büro nicht geschlossen.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes

In der Begründung des Landes Berlin in einem ähnlichen Fall aus dem Frühjahr wurde auch darauf verwiesen, dass die russischen Journalisten – damals ging es um den Sender Ruptly – Fehlinformationen und Propaganda zur Diskreditierung des Westens und der EU verbreiten. Damit würden die Interessen Deutschlands beeinträchtigt und gefährdet.

Blagoy und sein Arbeitgeber machen daraus nun den Vorwurf, die zwei russischen Journalisten in Berlin sollten mundtot gemacht werden.

Steilvorlage für russische Propaganda

Blagoy behauptete in einer Sendung des „Ersten Kanals“, die Bundesregierung habe die Schließung des Berliner Büros angeordnet und dessen Mitarbeiter – Blagoy und seinen Kameramann Dimitry Volkov – zur Ausreise bis Mitte Dezember aufgefordert.

Die deutschen Behörden würden das Vorgehen mit dem Verstoß gegen EU-Sanktionen begründen, was tatsächlich stimmt. Die hätten er und sein Mitarbeiter aber nicht verletzt. Die zwei Journalisten seien eine „Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Deutschland und der EU“, zitiert Blagoy in einem fünfminütigen TV-Clip (hier zu sehen) aus dem zehnseitigen Schreiben des Landesamtes für Einwanderung in Berlin. Die Journalisten könnten die öffentliche Meinung und politische Entscheidungen beeinflussen, soll es dort heißen.

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Blagoy stellt in seinem Beitrag die Behauptung auf, die Ausweisung hänge mit einem Bericht über einen in Russland festgenommen Deutschen zusammen. „Hier ist sie, die Redefreiheit im europäischen Stil“, heißt es in einem Beitrag des „Ersten Kanals“ zu dem Vorgang sarkastisch.

Der Fall hatte da schon die höchsten staatlichen Stellen in Russland auf den Plan gerufen. Der stellvertretende russische Außenminister Alexander Gruschko sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, dass Russland „weiter für die Rechte unserer Journalisten“ kämpfen werde. Sollten keine Veränderungen eintreten, „müssen wir uns revanchieren“, betonte er.

Dass westliche Staaten gegen russische Propaganda vorgehen, ist nicht ungewöhnlich. Laut der „Moscow Times“ haben auch die USA den „Ersten Kanal“ wegen seiner Nähe zum Kreml sanktioniert. Offiziell ist der Sender halbstaatlich. In der gesamten EU darf der Sender derzeit nicht ausgestrahlt werden. Der Vorwurf aus Brüssel: Er verbreite Propaganda und Desinformationen.

Bundesregierung dementiert Schließung des russischen Büros

Der „Erste Kanal“, für den Blagoy und sein Kameramann arbeiten, ist eines der Medien, die die russische Offensive in der Ukraine verteidigen. Der Sender verbreitet antiwestliche Rhetorik und ruft zu Atomschlägen gegen den Westen auf.

Senderleiter Konstantin Ernst ist eine zentrale Figur in der russischen Medienlandschaft. Mit der Inszenierung von Zeremonien und Militärparaden versucht er immer wieder, Kremlchef Wladimir Putin gut aussehen zu lassen. Die Europäische Union hat gegen Ernst Sanktionen verhängt.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, man beobachte in den europäischen Staaten eine klare Linie, russische Medien einzuschränken. „Man lässt unsere Sender nicht senden, man lässt unsere Journalisten nicht arbeiten, man nimmt ihnen die Möglichkeit, ihre Akkreditierung zu verlängern“, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge in Moskau.

20
deutsche Medien sind ungefähr in Russland akkreditiert.

Die Bundesregierung dementierte umgehend, dass in Deutschland eine „Schließung des russischen Büros“ angeordnet worden sei. „Die russischen Behauptungen sind falsch, die Bundesregierung hat das Büro nicht geschlossen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin. Er äußerte sich besorgt zur Lage von Journalisten in Russland.

Opfer der Revanche aus Moskau sind laut der ARD der Korrespondent Frank Aischmann und Sven Feller, ein technischer Mitarbeiter. Aischmann ist laut ARD-Angaben langjähriger Hörfunkkorrespondent und für den MDR im Einsatz. Korrespondenten müssen in Russland ihre Visa inzwischen alle drei Monate verlängern lassen. Auch die Zahl der Visa wurde seit dem russischen Überfall auf die Ukraine begrenzt.

Wir sind schockiert über diesen Schritt.

DJV-Vorsitzender Mika Beuster

Laut der Internetseite des russischen Außenministeriums sind derzeit rund 20 deutsche Medien in Russland akkreditiert. Auf ein deutsches Verbot des russischen Senders RT (ehemals Russia Today) kurz vor Beginn der Offensive in der Ukraine im Februar 2022 hatte Moskau mit der Schließung des deutschen Auslandssenders Deutsche Welle reagiert. RT gilt in Europa weithin als Desinformations- und Propagandaorgan des Kreml.

Journalistenverband kritisiert Ausweisung

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) übt scharfe Kritik an der Ausweisung der ARD-Mitarbeiter. „Wir sind schockiert über diesen Schritt“, sagte der DJV-Vorsitzende Mika Beuster am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. Beuster sprach von einem „unverhohlenem Angriff auf die Pressefreiheit.“ Die ARD-Kollegen hätten „hervorragende Arbeit gemacht und unabhängig, kritisch und fair berichtet.“

Der DJV-Vorsitzende sprach sich trotz des Vorgangs dafür aus, weiter aus Russland zu berichten. Gerade in Kriegszeiten sei es wichtig zu erfahren, wie dieses Land „tickt, was denken die Menschen und was sind die Verlautbarungen der offiziellen Organe“. Deshalb sei er für die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar.

Ähnlich äußerte sich die Organisation Reporter ohne Grenzen, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzt. Der Sprecher von Reporter ohne Grenzen Deutschland, Christopher Resch, sprach im Deutschlandfunk von einem „grundlosen, harten Schritt“ und einer „drastischen Einschränkung der Pressefreiheit“. Angesichts der Drangsalierung von Medien in Russland sei die Ausweisung aber „keine wirkliche Überraschung“, sagte Resch. (mit dpa, Reuters und AFP)

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