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Proteste gegen Bezalel Smotrich (r.) und Itamar Ben-Gvir (l.) in Israel.

© Matan Golan/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa

Baerbock schließt Zustimmung nicht aus: Plan des EU-Außenbeauftragten für Sanktionen gegen rechtsextreme israelische Minister gescheitert

Kurz vor einem Außenministertreffen der EU machte Josep Borrell einen Vorschlag, israelische Extremisten zu sanktionieren. Da mehrere Länder sich dagegen aussprechen, wird der Entschluss wohl nicht gefasst werden.

Stand:

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den Regierungen der 27 EU-Staaten einen Vorschlag für Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder unterbreitet. Bestraft werden sollen demnach Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, wie mehrere EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur kurz vor einem EU-Außenministertreffen an diesem Donnerstag bestätigten. 

Ein notwendiger Konsens zeichnet sich allerdings nicht ab. Ungarn und Italien wiesen am Donnerstag beim informellen Außenministertreffen in Brüssel den Vorschlag zurück. Mit dem Widerstand aus Budapest und Rom ist Borrells Vorstoß de facto gescheitert. Denn Sanktionsbeschlüsse in der Europäischen Union müssen einstimmig gefasst werden.

Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir sorgten zuletzt mit Äußerungen gegen Palästinenser für Empörung und sind rechtsextreme Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die Parteien der beiden Politiker kamen zwar gemeinsam nicht einmal auf zehn Prozent der Stimmen, doch als Königsmacher erhielten sie überproportional viel Macht in der neuen Regierung.

Ben-Gvir hatte sich zuletzt unter anderem dafür ausgesprochen, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort herrschende Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen. Ähnlich äußerte sich Finanzminister Smotrich.

Er bezeichnete eine mögliche Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen Geiseln der Hamas als moralisch und gerechtfertigt, selbst wenn dies den Hungertod von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen bedeute. Zudem sind beide Verfechter der aus Sicht des höchsten UN-Gerichts illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten im Westjordanland.

Widerstand aus Budapest und Rom

Außenministerin Annalena Baerbock schließt eine deutsche Zustimmung zu EU-Sanktionen gegen die beiden rechtsextremen israelische Regierungsmitglieder nicht aus. Die Grünen-Politikerin machte bei einem EU-Treffen deutlich, dass aus ihrer Sicht allein die gesetzlichen Vorgaben und die Vorwürfe gegen die Politiker ausschlaggebend sein sollten. Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob diese für eine Sanktionierung ausreichten, sagte sie.

Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto hingegen sprach in einer Videobotschaft von einem „gefährlichen Vorschlag“ Borrells. Er belaste die Beziehungen zu Israel und „würde die Sicherheit und die langfristige Stabilität des Nahen Ostens eindeutig gefährden“.

Italiens Außenminister Antonio Tajani sagte, Sanktionen gegen israelische Minister lösten den Konflikt ebenso wenig wie eine theoretische Anerkennung Palästinas. „Ich glaube nicht, dass dies der richtige Weg ist, um Israel davon zu überzeugen, ein Abkommen mit den anderen Parteien in Kairo zu schließen“, sagte er mit Blick auf die laufenden Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen.

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Weiter 107 Geiseln in der Gewalt der Hamas

Die Hamas hat nach israelischer Zählung derzeit noch 107 Geiseln in ihrer Gewalt. Mindestens ein Drittel davon gilt als tot. Insgesamt verschleppten palästinensische Terroristen am 7. Oktober vergangenen Jahres mehr als 250 Menschen aus Israel in das Küstengebiet. Rund 1200 Menschen wurden bei dem beispiellosen Terroranschlag getötet.

Israels Armee reagierte mit verheerenden Angriffen in Gaza, bei denen nach Angaben der Hamas bereits mehr als 40.000 Menschen getötet wurden. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig prüfen und unterscheiden nicht zwischen Zivillisten und Kämpfern. Israel gibt an, mindestens 17.000 Terroristen getötet zu haben.

Dem Vorstoß Borrells zufolge könnten die Sanktionen gegen Smotrich und Ben-Gvir wegen Aufstachelung zu Hass und Menschenrechtsverletzungen verhängt werden. Demnach müssten von ihnen in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden und sie dürften nicht mehr in die EU einreisen.

Israels Außenminister: „Israelfeindliche Entscheidungen“ verhindern 

Als ein Argument gegen eine Sanktionierung der Minister nennen Diplomaten in Brüssel die anhaltenden Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts im Nahen Osten. Vor diesem Hintergrund könne es kontraproduktiv sein, durch Sanktionen Gesprächskanäle in die israelische Regierung zu gefährden, heißt es. Bislang hat die EU nur Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler und deren Strukturen verhängt.

Der israelische Außenminister Israel Katz schrieb unterdessen am Abend auf der Plattform X: „Wir arbeiten unermüdlich mit unseren europäischen Verbündeten zusammen, um israelfeindliche Entscheidungen auf dem morgigen Treffen der EU-Außenminister zu verhindern, die von israelfeindlichen Elementen vorangetrieben werden.“

Angesichts einer Bedrohung Israels durch den Iran und „seine stellvertretenden Terrororganisationen“ müsse die freie Welt an der Seite Israels stehen und dürfe sich nicht gegen das Land wenden.

Druck auf die EU wächst

Die Forderungen nach einem Kurswechsel der EU im Umgang mit Israel wurden zuletzt lauter. So forderte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kurz vor dem EU-Außenministertreffen scharfe europäische Sanktionen wegen der israelischen Siedlungspolitik.

Borrell gehört zu den Israel-kritischsten Vertretern in der EU, was ihn in den Augen der Netanjahu-Regierung unglaubwürdig macht. Der 77-jährige Spanier gibt das Amt des Außenbeauftragten im Herbst an die bisherige estnische Regierungschefin Kaja Kallas ab, die im Nahostkonflikt als gemäßigter gilt.

Als Grund für ihre Forderungen nennen die Menschenrechtler das im Juli veröffentlichte Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zur israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete. In diesem vertritt das höchste UN-Gericht die Auffassung, dass Israels Besatzung illegal ist und so schnell wie möglich beendet werden muss.

Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem im Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt. Zuvor war es von Jordanien und Ägypten besetzt gewesen. 2005 räumte Israel Gaza und Teile der Westbank und übergab sie der palästinensischen Autonomiebehörde, kontrollierte aber gemeinsam mit Ägypten weiter die Grenzen zu Land, Luft und im Wasser. (dpa)

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