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Deutsch-französische Krisen: Das gefährliche Vakuum in Europa
Just in einem Moment, in dem die EU Stärke zeigen muss, schwächeln ihre beiden einflussreichsten Mitglieder. Doch es gibt einen Hoffnungsträger.

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Europa droht zu zerbrechen. Immer deutlicher tritt die Lagerbildung zutage: zwischen den Kräften, die sich als Teil einer starken EU sehen, und denjenigen, die sich von ihr abwenden. Besonders dramatisch offenbart sich das derzeit in Georgien. Tausende Menschen demonstrieren seit Tagen gegen die Ankündigung der pro-russischen Regierung, die EU-Beitrittsverhandlungen des Landes auszusetzen.
Putins Strategie scheint aufzugehen: Mit gezielter Einflussnahme und Desinformation befeuert er in Staaten, deren Weg in die EU vorgezeichnet schien, die Zweifel am Erfolg des europäischen Modells. Und längst nicht nur dort. Auch innerhalb der EU gewinnen Putin-freundliche Populisten an Einfluss.
Im Angesicht dieser Entwicklungen ist die Union umso mehr gefordert, Stärke auszustrahlen, mit allem Nachdruck für die Werte zu stehen, auf die sie gebaut ist. Doch just zu dieser Zeit fallen die beiden Staaten aus, die eigentlich die Zugpferde sein sollten. Und nicht nur das. Sie senden Signale aus, die keinerlei Vertrauen in die politischen und wirtschaftlichen Fähigkeiten Europas schaffen. Im Gegenteil.
Deutschland und Frankreich, die größten Wirtschaften der EU, durchlaufen schwere Krisen. Mit ihren Minderheitsregierungen waren beide Staaten zuletzt kaum mehr handlungsfähig. Deutschland wird nach der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar auf Wochen mit der Regierungsbildung beschäftigt sein. Und die wird angesichts der politischen Gemengelage kaum ein Selbstläufer sein. Die deutsche Wirtschaft steckt in einem Konjunkturtief. Daran wird sich nach den aktuellen Prognosen auch im kommenden Jahr nichts ändern.
Blickt man auf Frankreich, wirken die deutschen Probleme fast harmlos. Mit den überhasteten Neuwahlen im Juni hat sich Präsident Macron zum Spielball der Populisten gemacht. Das linke und das rechte Lager stürzten an diesem Mittwoch mit einem Misstrauensvotum gemeinsam die von Macron eingesetzte Regierung. Ein Paradebeispiel für den wachsenden Einfluss der politischen Ränder.
Während in Deutschland zumindest perspektivisch Hoffnung auf eine halbwegs stabile Koalitionsregierung besteht, ist in Frankreich vollkommen unklar, wie eine tragfähige Führung des Landes künftig aussehen könnte. Das politische Spektrum ist fragmentiert. Bei den vergangenen Wahlen im Juni gelang es den Parteien nicht, sich zu einem mehrheitsfähigen Bündnis zusammenzuschließen.
Marine Le Pen, die Fraktionsvorsitzende des rechtspopulistischen Rassemblement National, spekuliert indes darauf, Macron durch ihr Taktieren zum Rücktritt zu bewegen. Denn ihr drohen wegen der mutmaßlichen Veruntreuung von EU-Geldern fünf Jahre Haft und der Entzug des passiven Wahlrechts. Damit wäre ihr Traum von der französischen Präsidentschaft vermutlich endgültig beendet. Es sei denn, es gelänge ihr bis zur Urteilsverkündung im kommenden März, sich in einer vorgezogenen Wahl durchzusetzen.
Verschärft wird das politische Chaos in Frankreich durch eine Finanzkrise, die dramatische Ausmaße angenommen hat. Streitet man in Deutschland noch darüber, ob auch nur eine Lockerung der Schuldenbremse infrage käme, hat sich Frankreich in den vergangenen Jahren in die Gruppe der am höchsten verschuldeten EU-Staaten katapultiert. Zum wiederholten Mal hat Paris die Maastricht-Kriterien verletzt, die sich die Währungsgemeinschaft zugrunde gelegt hat. Käme es in Frankreich zu einer Schuldenkrise, hätte dies dramatische Auswirkungen weit über die Eurozone hinaus.
Es fällt schwer, angesichts dieser Entwicklung optimistisch zu bleiben. Wenn Donald Trump am 20. Januar seine zweite Amtszeit antritt, wird er gnadenlos versuchen, die Schwächen und Spaltung der EU-Staaten zu instrumentalisieren, um seine Interessen durchzusetzen. Wie kann Europa Stärke projizieren, wenn seine beiden Riesen schwächeln?
Die Antwort könnte im Osten liegen. Denn dort schickt sich der polnische Ministerpräsident Donald Tusk an, eine Führungsrolle in Europa zu übernehmen. Alleine wird Polen das deutsch-französische Vakuum kaum ausgleichen können. Doch gerade angesichts der zunehmenden Bedrohung aus Russland kann das Land eine entscheidende Rolle spielen. Und in düsteren Zeiten als europäischer Hoffnungsträger wirken.
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