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Eine unbemannte Kampfdrohne vom Typ Orion-E wird auf dem Internationalen Militärtechnischen Forum „Army-2022“ in Kubinka (Region Moskau, Russland) ausgestellt.

© IMAGO/SNA/IMAGO/Valery Melnikov

Trotz Sanktionen: Ukrainischer Geheimdienst findet deutsche Bauteile in Russlands „Orion“-Drohne

Dem ukrainischen Geheimdienst zufolge wurden in einer russischen Drohne Bauteile aus den USA, Frankreich und der Schweiz gefunden. Auch zwei Komponenten eines deutschen Konzerns sind demnach dabei.

Stand:

Am Dienstag veröffentlichte das Online-Portal „War&Sanctions” des ukrainischen Militärgeheimdienstes (HUR) eine detaillierte Analyse der russischen „Orion“-Drohne. Die Auswertung enthält nicht nur eine dreidimensionale Skizze des unbemannten Luftfahrzeugs, sondern auch etliche Daten zu den in der Drohne verbauten Komponenten und ihrer Herkunftsländer.

Auf seinem Telegram-Kanal schreibt der ukrainische Militärgeheimdienst, dass die Kampf- und Aufklärungsdrohne „Orion“ von der russischen Unternehmensgruppe „Kronstadt“ hergestellt wird, die aktuell wegen des anhaltenden Ukrainekriegs auf westlichen Sanktionslisten steht.

Geheimdienst der Ukraine: Viele Konzerne Russlands nicht sanktioniert

Nach eingehender Analyse habe man insgesamt 43 russische Konzerne ausmachen können, die durch die Zulieferung von Bauteilen an der Produktion der „Orion“ beteiligt sind. Dem HUR zufolge unterliegt „ein Drittel von ihnen derzeit keinen Sanktionen seitens der Länder der Sanktionskoalition“, womit westliche Verbündete der Ukraine gemeint sind.

„Das schafft eine reale Möglichkeit für die Fortsetzung der Lieferungen kritischer Komponenten und die Fortsetzung des Krieges gegen die Ukraine“, urteilt der Militärgeheimdienst. Mehr noch: Die „Orion“ stelle „nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine dar, sondern für die gesamte zivilisierte Welt.“ Der Geheimdienst betont, dass Russland die Komponenten und Technologien auch an seine Verbündeten wie etwa Nordkorea oder den Iran liefern könnte, weshalb die Bauteile auch in anderen Krisenregionen zum Einsatz kommen könnten.

Putins „Orion“-Drohne: Wohl auch deutsche Teile verbaut

Das ukrainische Analyseportal für ausländische Komponenten in Waffensystemen „War&Sanctions” gibt an, dass die komplexeren Bauteile der „Orion“-Drohne größtenteils von den 43 russischen Herstellern produziert werden. Die darin verbauten Mikrochips, Prozessoren und kleineren Elektrokomponenten sollen allerdings von westlichen Herstellern stammen.

Der Analyse zufolge wurden in der „Orion“ neben russischen Bauteilen Komponenten aus sechs anderen Ländern verbaut, die von Unternehmen aus den USA sowie aus China, Japan, Frankreich, der Schweiz – aber auch aus Deutschland kommen.

Insgesamt zwei der in einer „Orion“-Drohne verbauten Bauteile sollen demnach vom deutschen Halbleiterhersteller „Infineon Technologies“ mit Sitz im oberbayerischen Neubiberg kommen. Dabei handelt es sich um einen Transistor (DC-DC-Spannungswandler für Stromversorgung / 080P03LS HAA845 / Veröffentlichungsdatum laut „War&Sanctions“: 1.6.2024) und einen Mikrokontroller (Sensor für das optoelektronische räumliche Orientierungssystem / SAF-XC164CS-16F40F BB / Veröffentlichungsdatum laut „War&Sanctions“: 1.6.2024).

Was sagt „Infineon Technologies“ dazu?

Auf schriftliche Nachfrage des Tagesspiegels erklärte ein Sprecher von „Infineon Technologies“ am Freitag, dass der Konzern „eine klare Position“ vertrete und man seit Beginn des russischen Angriffskriegs „umfassende Maßnahmen“ ergriffen habe, um die Einhaltung sämtlicher Sanktionen zu gewährleisten. „Wie im März 2022 beschlossen, hat Infineon seine Landesgesellschaft in Russland aufgelöst“, erklärte der Sprecher.

Es ist äußerst schwierig, den Weiterverkauf eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu kontrollieren.

Sprecher von „Infineon Technologies“

Fragen danach, wie Komponenten des Konzerns in die russische „Orion“-Drohne gelangt sein könnten, oder ob es generell möglich sei, dass „Infineon“-Bauteile gegebenenfalls über Umwege nach Russland gelangt sein könnten, ließ das Unternehmen offen. Der Sprecher erklärte aber: „Es ist äußerst schwierig, den Weiterverkauf eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu kontrollieren.“ Tatsächlich finden oftmals ältere westliche Komponenten auch noch nachträglich den Weg in die russische Rüstungsindustrie.

Der Konzern versicherte indes, dass man weltweit alle Vertriebspartner angewiesen habe, „verlässliche Maßnahmen zu ergreifen“, um Lieferungen zu unterbinden, die gegen die Sanktionen verstoßen. „Diese klare Position hat Infineon mehrmals in Mitteilungen an die Vertriebspartner bekräftigt beziehungsweise konkretisiert“, heißt es weiter. Bei jeglichem Verdacht darauf, dass ein Unternehmen Handel mit Russland betreiben könnte, „stoppen wir die Belieferung und fordern Aufklärung“, so der Konzern.

Wie gelangen westliche Komponenten nach Russland?

Wie genau die Komponenten in die russische „Orion“-Drohne gelangten, ist bisher unklar. Wenn allerdings, wie vom HUR berichtet, ein Drittel der 43 russischen Bauteile-Hersteller keinen Sanktionen unterliegen, dann kann westliche Elektronik mitunter den Weg in die russische Rüstungsindustrie finden. Ein Drittel von 43 nicht-sanktionierten Konzernen entspricht abgerundet etwa 14 russischen Unternehmen, die weiterhin ungehindert Handel betreiben können.

Bauteile in „Orion“-Drohne: Welche Konzerne sind noch betroffen?

Neben den zwei Komponenten aus Deutschland wurden etliche Bauteile weiterer Unternehmen aus anderen Ländern in der „Orion“-Drohne gefunden. 30 der Konzerne sollen „War&Sanctions“ zufolge ihren Hauptsitz in den USA haben, darunter etwa Unternehmen wie der Telekommunikationsriese „Motorola“, der kalifornische Halbleiterhersteller „AMD“, „Analog Devices“ oder das 2021 von „Analog Devices“ aufgekaufte Unternehmen „Maxim Integrated“. Auch Bauteile des US-Konzerns „Texas Instruments“ wurden den Angaben zufolge in der russischen Drohne gefunden. Das Technologieunternehmen gehört zu einem der weltweit größten Halbleiterhersteller.

In der „Orion“-Drohne wurden den Angaben zufolge außerdem ein Gleichspannungswandler (DC/DC-Wandler) des französischen Konzerns „Gaia“ gefunden. Auch zwei Komponenten des Schweizer Halbleiterherstellers „STMicroelectronics“ wurden demnach verbaut. Aus Japan ist der Konzern „Murata Seisakusho“ betroffen – einer der weltweit größten Hersteller für elektronische Bauteile.

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Westliche Bauteile in Russlands Drohnen: Was kann man dagegen tun?

Der ukrainische Militärgeheimdienst schlägt vor, dass sämtliche Unternehmen, die Produkte an die russische Rüstungsindustrie liefern, „von den internationalen Lieferketten für Rohstoffe und Komponenten abgeschnitten werden müssen.“

Darüber hinaus müsse man endlich damit beginnen, die westlichen Sanktionen der teilnehmenden Länder miteinander zu synchronisieren. Auch eine verschärfte Kontrolle zur Einhaltung sämtlicher Sanktionen sei ein wichtiger Hebel, um Russland „den Zugang zu kritischen Technologien zu verwehren und seine militärischen Fähigkeiten einzuschränken“, betont der HUR.

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