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Ein Jahr nach Trumps Wiederwahl: „Er hat mehr geschafft als jeder andere Präsident zuvor“
Vor einem Jahr ist Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt worden – und die USA sind tiefer gespalten denn je. Während die einen wegen Trump ihre Heimat verlassen, feiern andere seine Politik.
Stand:
Von ihrer Heimat Atlanta im Bundesstaat Georgia sind es nur acht Stunden Flugzeit, aber für Elizabeth ist es trotzdem eine neue Welt.
Bis zum 1. September war die junge Frau Infektiologin bei der US-Behörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) – eine „Seuchendetektivin während Corona“, wie sie selbst sagt. Seit Anfang Oktober lebt sie in Italien, arbeitslos, weil sie in einem Land mit Donald Trump als Präsident nicht mehr leben wollte. „Ich bin zum Feind erklärt worden, nur weil ich meinen Job gemacht habe“, sagt sie.
Am selben Abend sitzt Rachel in einem französischen Bistro in Brooklyn. Sie ist fast genauso alt wie Elizabeth, beide sind um die 40. Doch die Kluft zwischen den beiden in ihrer Meinung zu Trump könnte größer nicht sein.
„Ich bin sehr zufrieden – mit der Regierung und mit Trump“, sagt sie. „Er hat mehr geschafft als jeder andere Präsident zuvor.“ Was genau? „Mir geht es um Israel, um Einwanderung – und ein ganzes System, das aufgeräumt werden muss.“
Ein Präsident krempelt das Land um
Ein Jahr nach seiner Wiederwahl am 5. November 2024 ist Trump dabei, das gesamte Land umzukrempeln. In den ersten zehn Monaten seiner zweiten Amtszeit verschärfte er die Migrationspolitik und ordnete Razzien gegen illegale Einwanderer an.
Er schickte die Nationalgarde in mehrere demokratisch regierte Städte, angeblich, um dort „aufzuräumen“, strich Gleichstellungsprogramme und schränkte Transrechte und den Schutz von Minderheiten ein. Zusammen mit seinem Gesundheitsminister Robert F. Kennedy schraubte er Forschungsgelder zurück.

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Schon jetzt wirken die USA gespaltener denn je zuvor. Kaum ein Thema, kaum eine Debatte, bei der Demokraten und Republikaner noch zusammenfinden. Laut einer Umfrage des Pew Research Centers sagen 80 Prozent der Befragten, dass Demokraten und Republikaner sich nicht einmal über einfache Fakten mehr einig sind.
Und auch bei Elizabeth und Rachel gibt es kaum etwas, das sie noch vereint. Elizabeth sieht die Demokratie in Gefahr. Rachel wünscht sich, dass Donald Trump seine Agenda weiter umsetzt.
Er möchte so schnell wie möglich weg
Doch nicht nur Elizabeth hat genug von den USA. Rafiki, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, ist ein Transmann aus dem Swing State Pennsylvania – einer der Staaten, deren Ausgang bei der Präsidentschaftswahl 2024 entscheidend war.
Seit Trump Präsident ist, hat er Angst – und will so schnell wie möglich sein Land Richtung Südamerika verlassen, auch weil er sich fürchtet, das als Transmann bald nicht mehr schaffen zu können. Wie viele andere Transpersonen fürchtet er, Probleme bei der Neuausstellung eines Passes mit dem geänderten Geschlecht zu bekommen.

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Wohin genau, überlegt er noch. Aktuell steht Uruguay, eines der liberalen Länder in Südamerika, hoch im Kurs. Sein Umfeld macht sich Sorgen. „Eine Freundin an der Westküste hat mir angeboten, bei ihr unterzukommen, falls ich fliehen muss.“ Rafiki lebt mit einem älteren Freund der Familie zusammen, der den ganzen Tag Trumps Haussender Fox News schaut.
Dort spricht er kaum über Politik, dafür mit Bekannten in Europa, die sich um seine Sicherheit sorgen – und an deren Worte er öfter denkt. „Meine Freundin aus Großbritannien sagt, die USA fühle sich so an, als würde man zusehen, wie ein geliebter Mensch in die Sucht abrutscht – und man könne nichts tun.“
Natürlich gibt es einen Brain Drain.
Elizabeth, Ärztin
Ganz ähnlich aussichtslos empfand die Wissenschaftlerin Elizabeth die Lage in den USA – und wollte einfach nur noch weg. Im Videocall mit dem Tagesspiegel spricht sie über die Hintergründe zu ihrer Auswanderung und darüber, dass viele Akademiker wegziehen. „Natürlich gibt es einen Brain Drain“, sagt sie. Sie und ihr Mann, der ebenfalls Arzt ist, kennen viele Kollegen, die die Vereinigten Staaten nach der Wahl Trumps ebenfalls verlassen haben.
Das vergangene Jahr gehörte seit seinem Amtsantritt zu den schlimmsten in ihrem Leben – und das, obwohl sie als Ärztin während der Corona-Pandemie im öffentlichen Gesundheitsdienst gearbeitet hat. Sie hätte nicht gedacht, dass es schlimmer kommen könnte, erzählt sie. Doch dann sah sie, wie Gelder gekürzt, Kollegen entlassen wurden. „Wir wurden von der Administration als böse Menschen dargestellt, die anderen schaden wollen“, sagt sie.
Die Profiteure der Trump-Ära
Es gibt Menschen in den USA, die die Arbeit von Präsident Donald Trump ganz anders sehen und die Maßnahmen des Präsidenten unterstützen, wie die Zwillingsbrüder Tyler und Cameron Winklevoss. Für sie war das letzte Jahr ein absoluter Gewinn – im wahrsten Sinne des Wortes.
Gemeinsam gründeten die 44-Jährigen 2015 die Kryptobörse Gemini. Beide spendeten Millionen an Trumps Präsidentschaftskampagne – und für den 300 Millionen Dollar teuren Ballsaal, den Trump im Weißen Haus bauen lässt. Wie viel sie dafür spendeten, ist nicht bekannt.

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„Donald Trump ist die Wahl für Bitcoin, Krypto und Wirtschaft“, schrieb Tyler Winklevoss im Wahlkampf auf X. „Die Trump-Regierung war unglaublich gut für unsere Branche“, sagte er im September Fox News. „Sie hat den Krieg gegen Krypto und juristische Schikanen gegen uns beendet.“ Eine Anfrage des Tagesspiegels an die beiden blieb unbeantwortet.
Die Republikaner wollen uns nicht helfen.
Transmann Rafiki
Nachdem Trump in seiner ersten Amtszeit noch Kritik am Kryptobusiness geäußert hatte, legte er nun mit einer Exekutivanordnung fest, dass die Regierung das Wachstum und den Einsatz von digitalen Vermögenswerten wie Kryptowährungen fördern will. „Ein historisches Gesetz“, sagte hierzu Tyler Winklevoss. Das Gesamtvermögen der beiden Brüder wird zusammen auf neun Milliarden US-Dollar (rund 7,6 Milliarden Euro) geschätzt.
Das System sei kaputt
„Die Republikaner wollen uns nicht helfen“, sagt hingegen Rafiki Montague. „Mit uns meine ich jene, die nicht cis, hetero, weiß und wohlhabend sind.“ Manche Trump-Anhänger wollten wirklich, dass es dem Land besser gehe – weniger Armut, mehr Jobs, sagt Rafiki. Doch Trump habe dieses Bedürfnis gezielt genutzt und die Arbeiterinnen und Arbeiter glauben lassen, er stehe auf ihrer Seite, während er in Wahrheit nur den Reichen diene.
Rafiki ist kurz davor, seine Krankenversicherung zu verlieren. Das wäre schlimm, sagt er, auch weil er auf teure Medikamente angewiesen ist.
Für die Republikanerin Rachel geht es bei Trump auch um eine Veränderung bei Obamacare, der Krankenversicherung. „Zu viele nutzen die staatlichen Programme aus“, klagt sie. „Es gibt Menschen, die wirklich Hilfe brauchen – Obdachlose zum Beispiel –, aber das Geld landet woanders.“ Donald Trump sei der Einzige, der dieses kaputte System reparieren könne.
Dass Kritiker und Minderheiten wie Transpersonen das Land verlassen, kann Rachel verstehen. „Am Ende geht es immer darum, wie sehr man seine eigenen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt“, sagt sie – und betont, dass sie Trumps Positionen wichtig für das Land findet, auch wenn sie nicht alles uneingeschränkt unterstützen würde, etwa die Einschränkung von Frauenrechten. Trotzdem blicke sie hoffnungsvoll auf die Veränderungen der kommenden drei Jahre.
Natürlich verdient Trump den Friedensnobelpreis.
Rachel
Sehr zufrieden ist sie mit dem Abkommen zwischen Israel und Gaza. „Ich habe geweint, als die Geiseln freikamen“, sagt sie. „Es war so überwältigend. Natürlich verdient Trump den Friedensnobelpreis. Das Abkommen ist absolut historisch“, sagt sie. „Ohne ihn wäre es nie dazu gekommen.“
Der Friedensdeal als größter Erfolg des Präsidenten in den ersten zehn Monaten seiner zweiten Amtszeit – das sehen auch viele seiner Gegner so. Schlechter läuft es im Land selbst: Regierungsstillstand seit einem Monat, in den Städten gibt es Proteste gegen seine Einwanderungspolitik. Der Präsident schickte die Nationalgarde, Gerichte stoppten ihn.

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Der Einsatz des Militärs in den Städten gehörte für die Wissenschaftlerin Elizabeth zu den roten Linien, die von der Regierung im Weißen Haus überschritten wurden. „Dann der Umgang mit der Pressefreiheit, das Aussetzen von Jimmy Kimmels Late-Night-Show – erschreckend, wie schnell sich das verschlechtert hat“, sagt sie. Angriffe auf Wissenschaft und Bildung: Universitäten, Forschungsinstitute – das alles spielte eine Rolle bei der Entscheidung, auszuwandern.
Den finalen Schubs gab aber ein Anschlag auf die Gesundheitsbehörde, wo sie arbeitete. „In meinem Bürogebäude wurden 50 Schüsse abgefeuert. Die Reaktion der Trump-Regierung war: praktisch keine. Das war für mich der Punkt, an dem ich wusste, ich kann nicht bleiben.“
In Italien hofft sie nun, dass die amerikanische Demokratie überlebt – und „dass dieser gefährliche Kurs gestoppt wird, bevor es zu spät ist“.
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