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Kim Jong Un am 21. Oktober 2024 beim Besuch einer Baustelle in Chagang-do.

© AFP/STR

Update

Es geht um Milliarden: Was Kim von seinem schmutzigen Deal mit Putin hat

Der ostasiatische Diktator schickt Waffen und nun offenbar auch Soldaten für Russland in den Ukrainekrieg. Das Regime von Kim Jong Un profitiert gleich mehrfach.

Stand:

Das nordkoreanische Regime benötigt einen Feind im Ausland, um an der Macht zu bleiben. Beständig inszeniert sich Diktator Kim Jong Un als Verteidiger seines Landes gegen ausländische Mächte – gegen Südkorea, mit dem der Norden seit den 1950ern offiziell im Kriegszustand ist, und gegen die mit Seoul verbündeten USA. Doch einen Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen, auf diesen Gedanken wäre in Pjöngjang von allein wohl niemand gekommen. Dafür brauchte es Wladimir Putin.

Nach dem Überfall auf die Ukraine war der Diktator im Kreml alsbald auf der Suche nach Unterstützern, um die wirtschaftlichen und personellen Verluste des Krieges zu kompensieren. Einen Verbündeten fand er in Nordkorea. Das abgeschottete Land steht Russland beziehungsweise der Sowjetunion ohnehin seit Jahrzehnten nahe. Bald nach Beginn des Ukrainekriegs wurden dann die ersten Kisten mit Artilleriegeschossen und Kurzstreckenraketen an die russische Armee verschifft.

Diese Waffenlieferungen für die völkerrechtswidrige Invasion haben seit Kriegsbeginn einen Wert zwischen 1,7 und 5,5 Milliarden US-Dollar erreicht. So wurde es jüngst in einer Studie der Hankuk Universität in Seoul geschätzt, veröffentlicht in einer Publikation der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Weil Nordkorea offenbar auch Tausende Soldaten nach Russland schickt, damit sie im Ukrainekrieg eingesetzt werden, könnten die nordkoreanischen Einnahmen allein deswegen um weitere Hunderte Millionen US-Dollar zunehmen, heißt es in der Studie.


Mehr Geld für ein ohnehin reiches Regime

Für Kim Jong Un, der sein verarmtes und international zu einem großen Teil isoliertes Land seit 2011 regiert, hätte Russlands Angriff kaum zu einem besseren Zeitpunkt passieren können. „Nordkorea profitiert in mehrfacher Hinsicht“, sagt Experte Frederic Spohr dem Tagesspiegel.

Geld gegen Waffen und Truppen – das ist der naheliegende Deal, über den sich Kim Jong Un freuen kann. Wie der reiche Diktator und sein Umfeld auch ganz persönlich profitieren, lässt sich zwar nur schwierig beantworten. Denn Nordkorea ist ein abgeschottetes Land. Außenstehende sind auf Satellitenbilder, Staatsmedien und Dissidenten angewiesen, wie Spohr erklärt. Entscheidend sei das chinesische Handynetz an der Grenze, das teilweise in Nordkorea funktioniert. „Seit der Corona-Pandemie sind die Informationen [aus Nordkorea] noch spärlicher geworden“, gibt Spohr zudem zu bedenken.

Allerdings darf trotzdem vermutet werden, dass Kim durch sein Abkommen mit Putin noch reicher wird.

Das Luxusleben des Kim Jong Un

Villen, eine 80 Meter lange Luxusjacht und eine Fahrzeugflotte aus westlichen – und damit feindlichen – Nobelkarossen gehörten wohl schon zum Lebensstil der nordkoreanischen Diktator-Familie, bevor man noch näher an Putin herangerückt ist. Die Geschäftsfelder des Kim-Regimes sollen Berichten zufolge allerhand Verbrechen umfassen, darunter Versicherungsbetrug und Cyberkriminalität.

Wladimir Putin und Kim Jong Un stoßen bei einem Treffen in Pjöngjang an (Archivbild).

© IMAGO/SNA

Geld ist nicht alles, heißt es – und auch die nordkoreanische Führung profitiert noch in anderer Hinsicht vom neuen Bündnis mit Putins Russland. Der Deal bringt technologisches Knowhow, vermutet Spohr. Gabriel Jonsson, Professor für Koreastudien in Stockholm, ging gegenüber dem „Guardian“ von Unterstützung für das nordkoreanische Raketen- und Nuklearprogramm aus. Es findet ohne internationale Kontrolle statt, seit Nordkorea 2009 die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde des Landes verwies.


Russland fest einbinden – und die Abhängigkeit von China verringern

Die Kriegshilfe für Aggressor Russland verschafft Nordkorea auch Vorteile auf der internationalen Bühne – und im geopolitischen Spiel der Mächte. Pjöngjang kann sich auf diese Weise einen Verbündeten im UN-Sicherheitsrat sichern, so Spohr. Dazu kommt: „Da Russland praktisch auf die Hilfe aus Nordkorea angewiesen ist, kann Nordkorea seine Abhängigkeit von China reduzieren und beide Staaten gegeneinander ausspielen“, meint der Experte.

Russland braucht Nordkorea, so die gängige Annahme, weil die Zahl seiner getöteten oder verwundeten Soldaten groß ist. Die Nato schätzte sie jüngst auf mehr als 600.000. Außerdem ist der Munitionsverbrauch hoch. China wiederum braucht Nordkorea als Gegengewicht zum US-amerikanischen Einfluss in Ostasien.

Nordkoreas Bevölkerung: Arm, aber es geht langsam bergauf

Was bedeutet der Deal der Diktatoren für die arme nordkoreanische Bevölkerung? Dazu muss man wissen: Wirtschaftlich geht es dem Land miserabel. Das Bruttoinlandsprodukt liegt bei nur 23 Milliarden US-Dollar, selbst die kriegsgebeutelte Ukraine kommt auf 178 Milliarden. Kurz vor der Coronapandemie waren laut UN 41 Prozent der nordkoreanischen Bevölkerung unterernährt, Grenzschließungen und schlechte Ernten sollen die Situation noch schlimmer gemacht haben.

Inzwischen scheint sich die Lage ein wenig zu bessern. Dr. Hojye Kang vom Institut für Koreastudien der FU Berlin verweist gegenüber dem Tagesspiegel darauf, dass die Lebensqualität für die Durchschnittsbürger in den vergangenen zehn Jahren gestiegen sei. Die jüngste Zunahme großer Bauprojekte und neuer Fabriken in Nordkorea deute auf einen allmählichen Anstieg der Produktionskapazitäten hin. Auch Spohr sagt, dass der inzwischen wieder aufgenommene Handel mit China und Russland die Situation verbessert haben dürfte.

Einige Analysten vermuteten außerdem, dass Russland auch mit Öl und beispielsweise Lebensmitteln für die Hilfe aus Nordkorea bezahlt. „In diesem Fall würde wohl auch die Bevölkerung etwas profitieren“, so der Experte.

Die Bürger haben nichts vom Putin-Deal

Aber man sollte sich keine Illusionen machen. Die nun aufblühenden Beziehungen zu Russland werden den Lebensstandard der breiten Bevölkerung laut Spohr nicht grundsätzlich erhöhen.

Unterdessen dürften die ersten nordkoreanischen Soldaten an der Front im russischen Kursk angekommen sein, zumindest wenn sich die Erwartungen der ukrainischen Führung bestätigt haben. Das „Wall Street Journal“ hatte berichtet, dass es sich um junge Rekruten ohne viel militärische Erfahrung handle. Abgemagert sollen sie sein. Der Verteidigungsminister Südkoreas, das nun enger mit Kiew kooperieren will, bezeichnete Nordkoreas Putin-Truppen als „Kanonenfutter“.

Wie viele Soldaten Nordkorea insgesamt schicken wird, ist jedoch unklar. Die Rede ist von zunächst rund 10.000. Dr. Hojye Kang von der FU Berlin jedenfalls hat Zweifel. „In Anbetracht der Tatsache, dass Nordkorea derzeit den Schwerpunkt auf die Stärkung der Landesverteidigung legt und umfangreiche Baumaßnahmen im Inland durchführt, ist es fraglich, ob das Land die Kapazität hat, zusätzliche Streitkräfte ins Ausland zu entsenden.“ (mit dpa/AFP)

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