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EU-Kommission stoppt Zahlungen an Israel: Bundesregierung reagiert skeptisch – Kritik aus CDU an Ursula von der Leyen
Nach dem israelischen Angriff auf die Hamas-Führung in Katar will EU-Kommissionschefin von der Leyen klare Kante zeigen. In ihrer eigenen Partei stößt die CDU-Politikerin damit auf Skepsis.
Stand:
Wegen Israels Vorgehen im Gazastreifen setzt die EU-Kommission ihre Unterstützung für das Land aus. Man werde alle entsprechenden Zahlungen stoppen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europaparlament in Straßburg. Es solle allerdings keine Auswirkungen für die Arbeit mit der israelischen Zivilgesellschaft oder der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geben. Israel kritisierte, der Entschluss der EU-Kommission basiere teils auf der Propaganda der Hamas.
Von der Leyen kündigte auch an, den Mitgliedsländern Vorschläge für Sanktionen gegen extremistische Minister und gegen gewalttätige Siedler zu unterbreiten. Auch wolle man den Mitgliedstaaten empfehlen, in einem Partnerschaftsabkommen enthaltene Handelsvereinbarungen auszusetzen.
„Mir ist bewusst, dass es schwierig werden wird, Mehrheiten dafür zu finden“, sagte von der Leyen in ihrer ersten Rede zur Lage der EU in ihrer zweiten Amtszeit. Für manche Staaten gehe jede dieser Maßnahmen zu weit und für andere nicht weit genug. „Doch wir alle müssen unserer Verantwortung gerecht werden – Parlament, Rat und Kommission.“
Die CDU-Europaabgeordnete Hildegard Bentele zeigte sich „schockiert über die Einseitigkeit“ der Pläne ihrer Parteifreundin von der Leyen. „Keine klare Forderung an Hamas außer einem halbherzigen "Freilassen der Geiseln", kein Wort zu den Fortschritten bei der humanitären Hilfe, und das Assoziierungsabkommen wird geopfert – ohne Plan für den künftigen Dialog mit Israel“, kritisierte die Vorsitzende der EU-Israel-Delegation im Europäischen Parlament. Das sei verheerend für die EU-Israel-Beziehungen.
Außenminister Johann Wadephul reagiert verhalten auf die Ankündigung einer Aussetzung von Unterstützungszahlungen für Israel durch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Wir haben die Rede der Kommissionspräsidentin zur Kenntnis genommen“, sagte der CDU-Politiker bei einem Treffen mit seinem niederländischen Amtskollegen David van Weel in Berlin.
Von der Leyen habe klar gemacht, dass sie zu den Details ihrer Vorschläge den Dialog mit den Mitgliedsstaaten suchen werde. „Darauf warten wir“, fügte Wadephul hinzu.
Es sei das gemeinsame Verständnis mit der EU-Kommission, „dass die israelische Kriegsführung in Gaza nicht hinnehmbar ist und dass auch Annexionsdrohungen nicht die Antwort bleiben können“, sagte Wadephul.
Der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Sebastian Hille, sagte: „Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es für diese vorgeschlagenen Maßnahmen bisher im Europäischen Rat bisher keine Mehrheit gab.“ Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts ergänzte, die Bundesregierung werde sich zu diesen Fragen aktuell nicht öffentlich äußern, sondern zunächst mit der Kommissionspräsidentin und im Rahmen der EU dazu Gespräche führen.
Spahn reagiert zurückhaltend auf von der Leyen
Unions-Fraktionschef Jens Spahn hat sich zurückhaltend zum Vorstoß der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Sanktionen gegen Israel geäußert. Er finde es wichtig, dass die Antwort auf den Angriff gegen die Führung der Hamas in Katar ausgewogen ausfalle und nicht „im schnellen Reflex“ getroffen werde, betonte der CDU-Politiker in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Vor allem dürfe eins nicht vergessen werden: „Israel verteidigt sich nach einem barbarischen Überfall. Die Hamas auslöschen zu wollen, ist legitim.“ Inakzeptabel sei es aber, dabei die Souveränität Katars zu beeinträchtigen.

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Einstellung von Forschungskooperation „fast schon Selbstschädigung“
Spahn verwies darauf, dass die Bundesregierung auf das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen bereits mit einer Beschränkung bestimmter Rüstungslieferungen reagiert habe. „Das ist ja für Deutschland ein sehr, sehr klares Signal auch gewesen an die Regierung in Israel.“ Sanktionen wie die Einstellung der Forschungszusammenarbeit im Rahmen des EU-Programms „Horizon“ lehnte Spahn dagegen ab. „Das wäre jetzt übrigens auch fast schon Selbstschädigung“, sagte er.
Maßnahmen gegen einzelne Personen fallen sicher leichter als Maßnahmen gegen Israel als Ganzes.
Jens Spahn, Unions-Fraktionschef
Offen zeigte sich der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen für Sanktionen gegen einzelne israelische Politiker. „Am Ende muss die Bundesregierung das entscheiden und sich positionieren“, sagte er. „Aber sicher ist: Maßnahmen gegen einzelne Personen fallen sicher leichter als Maßnahmen gegen Israel als Ganzes.“ Solche Maßnahmen müssten dann in Abstimmung mit europäischen Partnern erfolgen.
Dobrindt kritisiert Entscheidung scharf
Mit Unverständnis reagiert Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) auf den von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten Stopp von Zahlungen an Israel wegen dessen Vorgehen im Gazastreifen. „Ich sehe das mit äußerster Skepsis, was hier offensichtlich in Brüssel entschieden worden ist“, antwortet er auf die Frage eines Journalisten. „Aus meiner Sicht gibt es keinen ausreichenden Grund, gegenüber Israel hier Gelder einzufrieden oder über die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zu beraten“, fügt er hinzu.
Für ihn sei immer klar: Deutschland sei „eindeutig Partei aufseiten Israels, wir sind nicht Vermittler“, betont der Innenminister. Das bedeute nicht, dass man nicht auch kritisch mit seinem Partner umgehen könne. Die jüngsten Entscheidungen aus Brüssel seien aus seiner Sicht aber nicht angebracht.
Israel: „Das ist kein akzeptables Verhalten zwischen Partnern“
Auch aus Israel kam Kritik. Israels Außenminister Gideon Saar sagte, die EU-Kommissionspräsidentin gebe dem Druck von Kräften nach, die die Beziehungen zwischen Israel und Europa untergraben wollten. Dies widerspreche auch den Interessen der europäischen Länder selbst. Die EU-Kommission stärke mit ihrer Entscheidung die Hamas, die für den Krieg im Gazastreifen verantwortlich sei, sagte Saar weiter. „Und vor allem: Dies ist kein akzeptables Verhalten zwischen Partnern.“

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EU-Länder im Umgang mit Israel uneinig
Die EU ist im Umgang mit Israel tief gespalten. Auf vorgeschlagene Maßnahmen der Brüsseler Behörde konnten sich die Mitgliedsländer bislang nicht verständigen. So hatte die Kommission Ende Juli vorgeschlagen, die Zusammenarbeit im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe einzustellen.
Damit soll der Druck auf das Land erhöht werden, eine bessere humanitäre Versorgung der Menschen im abgeriegelten Gazastreifen zu ermöglichen, wo Israel die islamistische Hamas bekämpft. Israelische Unternehmen könnten durch die Strafmaßnahme den Zugang zu Zuschüssen in Millionenhöhe verlieren.
Zur Begründung heißt es, Israel verstoße mit seinem Vorgehen im Gazastreifen und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Damit werde ein wesentliches Prinzip der Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel im Rahmen des geltenden Assoziierungsabkommens verletzt.
Berlin will EU-Israel-Sanktionen nicht zustimmen
Unter anderem Deutschland spricht sich dagegen aus und will den Sanktionen nicht zustimmen. Andere Länder wie beispielsweise Spanien äußerten deutliches Unverständnis über die Ablehnung des Kommissionsvorschlages. Ob der Sanktionsvorschlag der EU-Kommission umgesetzt werden kann, hängt davon ab, ob er im Rat der Mitgliedstaaten die Unterstützung einer sogenannten qualifizierten Mehrheit bekommt.
Konkret müssten dafür 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der teilnehmenden Mitgliedstaaten repräsentieren. Zuletzt fehlte lediglich noch die Unterstützung von Deutschland oder Italien. Alle anderen großen EU-Staaten und viele kleinere sind für die Strafmaßnahme.
Bilaterale Kooperation
Zum Umfang der Mittel, die eingefroren werden sollen, sagte von der Leyen zunächst nichts. Aus der EU fließen Kommissionsangaben zufolge unter anderem Mittel aus einem Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit nach Israel. Mit durchschnittlich 1,8 Millionen Euro pro Jahr will die EU demnach die Annäherung israelischer Normen und Standards in der öffentlichen Verwaltung an jene der EU unterstützen.
Auch israelische Organisationen der Zivilgesellschaft sind von der EU förderfähig. Im Jahr 2020 wurden nach Angaben der EU-Kommission etwa Projekte im Gesamtwert von 1,2 Millionen Euro finanziert.
Von der Leyen kündigte weiterhin an, im Oktober eine Gebergruppe für Palästina ins Leben zu rufen und dabei auch ein Instrument für den Wiederaufbau des Gazastreifens zu schaffen. „Dabei handelt es sich um internationale Bemühungen in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Region“, sagte sie. (dpa/AFP)
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