zum Hauptinhalt
Im September 2022 traten durch die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines große Mengen Gas in der Ostsee aus.

© AFP/Danish Defence/Uncredited

Update

Was über die Nord-Stream-Anschläge bekannt ist: Eine Jacht in Rostock, verdächtige „Signale“ und ein Tisch mit Sprengstoffspuren

Wie mehrere deutsche und US-Medien berichten, gibt es eine vielversprechende Spur, die das Nord-Stream-Rätsel lösen könnte. Doch vieles bleibt unklar und widersprüchlich.

| Update:

Bei ihren Ermittlungen zu den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 hat die Bundesanwaltschaft im Januar ein verdächtiges Schiff durchsuchen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, teilte die Karlsruher Behörde am Mittwoch auf Anfrage mit.

Belastbare Aussagen zu Tätern, Motiven und einer staatlichen Steuerung könnten derzeit nicht getroffen werden. Die Erklärung der Bundesanwaltschaft folgte auf mehrere Aufsehen erregende Berichte in deutschen und US-amerikanischen Medien.

Unter anderem hatte die „Zeit“ am Dienstag berichtet, dass europäische Ermittler inzwischen davon ausgingen, dass eine Tätergruppe aus fünf Männern und einer Frau von einem Boot aus Sprengsätze an den Pipelines befestigt und diese zur Explosion gebracht haben. Das Boot sei von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden, die sich im Besitz von zwei Ukrainern befinde, hieß es. In dem Boot seien später Sprengstoffspuren gefunden worden.

Am Mittwochmorgen äußerten sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zurückhaltend zu den neuen Berichten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Baerbock verwies auf Untersuchungen in Schweden und Dänemark unter Federführung der dortigen Behörden. Natürlich gebe es einen Austausch unter allen ermittelnden Behörden. Die Ministerin erinnerte daran, dass Schweden, Dänemark und Deutschland vor wenigen Tagen den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darüber informiert haben, dass die Untersuchungen noch laufen und man noch keine Erkenntnisse geben könne.

Was bisher über den Vorgang bekannt ist

Wie die „New York Times“ am Dienstag unter Berufung auf US-Beamte berichtete, gebe es erstmals konkrete Hinweise darauf, wer die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines verübt haben könnte. Verantwortlich könnte demnach eine pro-ukrainische Gruppe sein. Kurz darauf berichteten auch mehrere deutsche Medien, darunter die „Zeit“ über die Ermittlungen.

Wie die „Washington Post“ schreibt, seien die Ermittler nach der anfänglichen Vermutung, dass der Kreml involviert sein könnte, auf die Ukraine als Ausgangspunkt der Operation gekommen. Wie die „NYT“-Journalisten betonen, gibt es bisher aber keine Hinweise darauf, dass der Anschlag von der Regierung in Kiew oder Offiziellen in der Ukraine in Auftrag gegeben wurde.

Während sich westliche Regierungen in den vergangenen Monaten mit Schuldzuweisungen zurückhielten, macht Moskau die US-Amerikaner verantwortlich. Washington wies die Anschuldigungen zurück.

Wie die „NYT“ berichtet, soll es sich bei der Gruppe um Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin handeln. Informationen der „Zeit“ zufolge waren sechs Personen involviert, konkret ein Kapitän, zwei Taucher, zwei Tauchassistenten und eine Ärztin.

Die US-Beamten gehen davon aus, dass die Täter die ukrainische, russische oder beide Staatsbürgerschaften haben. Briten oder US-Amerikaner seien demnach nicht beteiligt gewesen. Laut dem Bericht der „Washington Post“ sollen die Ermittler nach den Explosionen auf „Signale“ - also Telefonate oder Handynachrichten - gestoßen sein, die mit dem Anschlag zusammenhingen.

Keine Details zu möglichen Auftraggebern

Wer die Gruppe finanzierte oder beauftragte, geht aus den Geheimdienstinformationen nicht hervor. Die Täter nutzten aber offenbar professionell gefälschte Reisepässe, die auch für die Anmietung des Bootes eingesetzt wurden, das für den Anschlag zum Einsatz kam. Bei der Sabotagegruppe soll es sich um fünf Männer und eine Frau handeln.

Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj teilte am Dienstag in Kiew mit, die Ukraine sei an den Angriffen „vollkommen unbeteiligt“. Die Regierung in Kiew habe keine Informationen darüber, was passiert sei. Das berichtet die „Tagesschau“ unter Berufung auf Nachrichtenagentur Reuters.

An den Ermittlungen seien Behörden in Deutschland, Schweden, Dänemark, den Niederlanden und USA beteiligt gewesen, berichtete die „Zeit“ am Dienstagabend.

Beteiligte Jacht gehört zwei Ukrainern

Konkret gehe es laut Informationen der „Zeit“ um eine Jacht, die von einer polnischen Firma angemietet wurde, aber eigentlich zwei Ukrainern gehört. Das Boot ist demnach am 6. September 2022 von Rostock aus in See gestochen. Im Anschluss an die Tat am 26. September wurde es den Besitzern wohl in ungereinigtem Zustand zurückgegeben, sodass die Ermittler Spuren von Sprengstoff nachweisen konnten. Die Ermittler konnten das Boot zwischenzeitlich in Wieck (Darß) und später an der dänischen Insel Christiansø lokalisieren.

Wie stichhaltig die neuen Erkenntnisse sind, ist allerdings umstritten. Experten wiesen noch am Dienstagabend auf mehrere offene Fragen hin.

So deutet die Heftigkeit der Explosionen darauf hin, dass mehrere Hundert Kilogramm Sprengstoff verwendet wurden. Ob der von einer einzelnen Jacht transportiert und von zwei Tauchern und deren Helfern eingesetzt werden könne, sei zumindest fraglich, sagte Göran Swistek von der Stiftung Wissenschaft und Politik im ZDF. Zudem sei für eine solche Operation militärisches Spezialwissen nötig, über das nicht viele Organisationen verfügten. Und: Die nötigen Materialien und die Organisation versteckt und geheimzuhalten, sei hochkomplex.

Diese Argumente sind es wohl auch, weshalb viele Experten und Regierungsbeamte zurückhaltend auf die Berichte reagieren. Selbst die Ermittler halten es laut Informationen der „Zeit“ für möglich, dass absichtlich eine falsche Spur gelegt worden sei.

Erste heiße Spur zur Sabotage an den Pipelines

Die Informationen seien die erste heiße Spur, die aus den Ermittlungen verschiedener westlicher Geheimdienste hervorgegangen sei, berichtet die „NYT“. Allerdings sei unklar, wie lange die weiteren Ermittlungen dauern könnten, die zu einer sicheren Einschätzung des Tathergangs führen.

Unter Berufung auf Recherchen verschiedener deutscher Medien berichtet die „Zeit“ davon, dass ein westlicher Geheimdienst bereits im Herbst Hinweise gegeben hatte, die auf ein ukrainisches Kommando hinter dem Sabotageakt hindeuten.

Der Bericht bestätigt, was kurz vor Weihnachten schon die „Washington Post“ unter Bezug auf eine anonyme Quelle berichtete: „Es gibt an diesem Punkt keine Beweise dafür, dass Russland hinter der Sabotage steckt.“

Untersuchungen dauern an

Auch John Kirby, Sprecher des nationalen Sicherheitsteams des Weißen Hauses, äußerte sich am Dienstag vor Journalisten zu dem Bericht. Er betonte, die Untersuchungen von Deutschland, Schweden und Dänemark seien noch nicht abgeschlossen. „Soweit ich weiß, hat keines dieser drei Länder öffentlich bekannt gegeben, was sie herausgefunden haben. Wir glauben also, wie der Präsident sagt, dass es sich um einen Sabotageakt handelt.“

Er ergänzte: „Wir müssen diese Ermittlungen erst einmal abschließen. Und erst dann sollten wir uns überlegen, welche Folgemaßnahmen angemessen sein könnten oder nicht.“ Ein Mitarbeiter der Biden-Regierung zeigte sich im Gespräch mit der „Washington Post“ „nicht überzeugt“ von den neuen Hinweisen.

An den beiden Röhren von Nord Stream 1 und einer Röhre von Nord Stream 2 in der Ostsee waren nach Explosionen Ende September schwere Beschädigungen und mehrere Unterwasser-Lecks entdeckt worden. Bisherigen Erkenntnissen zufolge hatten sich mindestens zwei Detonationen ereignet, die zu vier Lecks führten.

Die Lecks in den Pipelines, die von Russland nach Deutschland führen, befinden sich in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm teils in dänischen, teils in schwedischen Gewässern. Tagelang traten enorme Gasmengen aus. Unter anderem die EU, die Nato sowie Sicherheitskreise hatten schon unmittelbar darauf von Sabotage als Ursache für die Explosionen gesprochen. (Tsp mit dpa/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false