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„Historischer Anspruch auf das Land“: Israel treibt die Annexion des Westjordanlands voran
Der israelische Verteidigungsminister Katz erklärt, das palästinensische Westjordanland werde zu einem jüdischen Staat. Israel hatte gerade erst den Bau von 22 neuen Siedlungen genehmigt.
Stand:
Israel macht nun nicht einmal mehr Lippenbekenntnisse zu einer Zwei-Staaten-Lösung. Stattdessen will es das besetzte palästinensische Westjordanland offensichtlich annektieren. „Wir werden den jüdischen israelischen Staat hier auf diesem Boden errichten“, verkündete Verteidigungsminister Israel Katz am Freitag bei einem Besuch im Norden des Westjordanlandes.
Dazu dienen soll das massive neue Siedlungsprogramm, das erst einen Tag zuvor bekannt geworden war: Bereits vor zwei Wochen hatte das Sicherheitskabinett beschlossen, 22 neue Siedlungen auf palästinensischem Land zu errichten. Dies sei eine „strategische Entscheidung, um einen Palästinenserstaat zu verhindern, der Israel gefährden würde“, sagte Katz übereinstimmenden Medienberichten zufolge am Donnerstag.
Mit dieser „historischen Entscheidung“ werde Israel die Kontrolle über „Judäa und Samaria“ – das sind die biblischen Namen für das palästinensische Westjordanland – stärken und den „historischen Anspruch auf das Land von Israel verankern“.
Regierung verschleiert ihre Ziele nicht mehr
Die Intentionen der israelischen Regierung wurden selten so offen formuliert. In einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums, das die Pläne am Donnerstag bestätigte, wurde das ebenfalls deutlich.
„Die Orte der neuen Siedlungen wurden entsprechend einer langfristigen Vision ausgewählt, deren Ziel es ist, die israelische Kontrolle über dieses Gebiet zu stärken, die Schaffung eines Palästinenserstaates zu verhindern und die Basis für den Ausbau der Siedlungen in den kommenden Jahrzehnten zu legen“, heißt es darin.
Der Leiter der Organisation jüdischer Siedlungen im Westjordanland, Israel Ganz, sprach von der „wichtigsten Entscheidung seit 1967“, als Israel den Gazastreifen, Ost-Jerusalem und das Westjordanland besetzte. Seither wird durch Enteignung palästinensischen Landes und die Klassifizierung von Landstrichen als „Staatsland“ die Kontrolle über das besetzte Gebiet zementiert.
Finanzminister Bezalel Smotrich hatte sich auf einer Veranstaltung seiner radikalen Partei Religiöser Zionismus im vergangenen Jahr bereits damit gebrüstet, dass die Landnahme 2024 insgesamt etwa zehnmal so groß war wie in den Jahren davor.
Auf Mitschnitten, die die israelische Friedensbewegung Peace Now veröffentlichte, sagte Smotrich schon damals: „Das ist eine mega-strategische Sache, die die Landkarte dramatisch verändern wird“. Der radikale Minister bezeichnete es 2023 als seine „Lebensaufgabe, die Schaffung eines palästinensischen Staates zu verhindern“.
Auch Premier Benjamin Netanjahu hat immer deutlicher erklärt, dass es keinen Palästinenserstaat geben dürfe. Im Januar 2024 hatte er nach einem Besuch im Weißen Haus bei dem damaligen Präsidenten Joe Biden auf X erklärt: „Ich werde keine Kompromisse bei der Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordan-Flusses machen – damit ist ein palästinensischer Staat nicht vereinbar.“

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Zuletzt hatte der israelische Premier diese Ablehnung bekräftigt, nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron angekündigt hatte, im Juni bei einer Konferenz in New York den politischen Prozess für eine Zwei-Staaten-Lösung wieder in Gang bringen zu wollen.
Dabei steht auch eine Anerkennung des Palästinenserstaates im Raum. Wie Verteidigungsminister Katz am Freitag weiter sagte, sei die Ankündigung, im Westjordanland einen jüdischen Staat zu errichten, eine „klare Nachricht an Präsident Macron“.
Laut seinem Büro habe Netanjahu Macron gesagt, dass er die Schaffung eines Palästinenserstaates entschieden ablehnt. Das sei „eine Belohnung für Terrorismus“.
Die Welt redet noch von Zwei-Staaten-Lösung
Viele Staaten, darunter auch die Bundesrepublik, sehen in einer Zwei-Staaten-Lösung hingegen die einzig gerechte Möglichkeit, den Nahostkonflikt zu beenden.
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte 2024 in einem Rechtsgutachten festgestellt, dass nicht nur die Besiedlung der seit 1967 besetzten Gebiete durch Israel, sondern die gesamte militärische Besatzung an sich illegal ist und so schnell wie möglich beendet werden müsse. Alle Siedler müssten das Gebiet verlassen.
Die 22 Siedlungen sind quer über das gesamte Westjordanland verteilt und offensichtlich an strategischen Punkten geplant. Vier Siedlungen sollen im Jordantal an der Grenze zu Jordanien entstehen.
Weitere sind laut der israelischen Zeitung Israel Hayom entlang und zum Schutz der Schnellstraße 443 geplant, die Jerusalem mit Tel Aviv verbindet und teilweise durch das Westjordanland führt. Jahrelang war es Palästinensern verboten, diese Straße zu benutzen.
Für die israelische Nichtregierungsorganisation Peace Now zeigt das strategische Großprojekt, dass das Ziel der Regierung die „Annexion der besetzten Gebiete und die Ansiedlung von Israelis das zentrale Ziel“ sei.
Damit mache die Regierung „ohne jegliche Zurückhaltung“ klar, dass sie es vorziehe, „die Besatzung zu vertiefen und die De-facto-Annexion voranzutreiben, statt sich um Frieden zu bemühen“, heißt es auf der Website.
Peace Now moniert zudem, dass unter der jetzigen Regierung Siedlungspläne nicht mehr in ordentlichen Kabinettssitzungen beschlossen werden. Sondern hinter verschlossenen Türen im Sicherheitskabinett.
Dessen Entscheidungen werden nicht auf der Regierungswebsite veröffentlicht. Daher fehlen auch jetzt noch genauere Informationen zu dem Projekt, über das offensichtlich bereits vor zwei Wochen entschieden wurde.
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