
© Reuters/Piroschka Van De Wouw
Internationaler Strafgerichtshof: Zweite Frau wirft Chefankläger Khan sexuelle Belästigung vor
Er ist das Gesicht des IStGH in Den Haag. Nach ersten Anschuldigungen ließ Kahn sein Amt im Mai ruhen. Jetzt schildert eine weitere Mitarbeiterin einem Medienbericht zufolge ähnliche Vorfälle.
Stand:
Neue schwere Anschuldigungen gegen den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan: Einem Medienbericht zufolge hat sich eine zweite Frau gemeldet, die dem Briten sexuelles Fehlverhalten vorwirft. Dies berichtet die britische Zeitung „The Guardian“.
Zuvor hatte bereits eine andere Mitarbeiterin den 55-Jährigen beschuldigt, er habe sie zu einer sexuellen Beziehung zwingen wollen. Khan hatte daraufhin sein Amt am IStGH Mitte Mai bis zum Abschluss der Untersuchungen ruhen lassen, auf die er selbst gedrängt hatte.
Khan war 2021 für eine Amtszeit von neun Jahren zum Chefankläger gewählt worden. Er ist praktisch das öffentliche Gesicht des IStGH, der gegen Personen ermittelt und strafrechtlich verfolgt, denen Gräueltaten vorgeworfen werden.
Vorwürfe beider Frauen gegen Khan klingen ähnlich
In den Fokus einer breiten Öffentlichkeit rückte der IStGH, weil er Haftbefehle gegen den russischen Machthaber Wladimir Putin und den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erließ. US-Präsident Donald Trump hatte Sanktionen gegen das Gericht und insbesondere Khan verhängt.
Dem Bericht zufolge behauptet die zweite Frau, Khan habe sich während ihrer früheren Tätigkeit für den prominenten britischen Anwalt unangemessen verhalten, indem er ihr unerwünschte sexuelle Avancen gemacht, seine Autorität über sie missbraucht und wiederholt versucht habe, sie zu sexuellen Handlungen zu drängen.
Die Frau sei zu diesem Zeitpunkt in ihren Zwanzigern gewesen und habe als unbezahlte Praktikantin für Khan gearbeitet. Sie habe sich nun bei der Zeitung gemeldet, nachdem sie von den ersten Vorwürfen gelesen hatte.
Die Vorfälle sollen demnach bis ins Jahr 2009 zurückreichen. Khan war damals ein führender Strafverteidiger am IStGH und anderen Kriegsverbrechertribunalen in Den Haag und hatte insbesondere den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor vertreten.
Die Frau, die dem Bericht zufolge anonym bleiben wollte, beschrieb sein Verhalten als „ständige Belästigung“ mit Annäherungsversuchen. „Er hätte das nicht tun dürfen“, sagte sie demnach. „Er war mein Arbeitgeber.“
Wie es in dem Bericht weiter heißt, weise die Schilderung der zweiten Frau über Khans mutmaßliches Fehlverhalten mehrere Ähnlichkeiten mit den Anschuldigungen der anderen Mitarbeiterin auf. Beide Frauen haben demnach behauptet, dass Khan sie gebeten habe, in seinem Haus zu arbeiten. Dort, so schilderten sie, habe er sich neben sie auf ein Sofa gesetzt, sie berührt, geküsst und versucht, sie zu überreden, sich zu ihm zu legen.
Die ehemalige Praktikantin schilderte dem Bericht zufolge, Khan habe ihr in den Büros des Gerichts „lange“ und „völlig unerwünscht“ an die Brüste gefasst. „Es war nicht so, dass er sich entschuldigt hätte, weil er mich versehentlich mit dem Handrücken berührt hatte“, sagte sie. „Er war mir zu nahe gekommen.“
Ich habe versucht, mir zu überlegen, wie ich mich bei ihm beliebt machen und Berufserfahrung sammeln konnte, ohne mit ihm zu schlafen (...).
Ehemalige Praktikantin von Karim Khan
Der Vorfall im Büro habe sie „verwirrt und gedemütigt“ zurückgelassen. In den folgenden Wochen musste sie demnach bei der Vorbereitung eines Falles eng mit Khan zusammenarbeiten. Während dieser Zeit, so sagte sie, habe Khan sie mindestens sechsmal gebeten, in seinem Haus in Den Haag zu arbeiten.
Das sei schwierig gewesen, sagte sie, „denn wenn wir in seiner Wohnung waren, war es wie ein ständiger Ansturm“. Die Frau schilderte ihre Lage demnach weiter: „Ich habe versucht, mir zu überlegen, wie ich mich bei ihm beliebt machen und Berufserfahrung sammeln konnte, ohne mit ihm zu schlafen und ihm nachzugeben.“
IStGH-Ankläger Khan bestreitet Vorwürfe kaetgorisch
Die Zeitung zitierte die Anwälte Khans, die demnach nicht auf die konkreten Vorwürfe eingingen und mitteilten: „Es ist völlig falsch, dass er sich in irgendeiner Weise sexuell unangemessen verhalten hat.“ Khan „bestreite kategorisch, jemanden belästigt oder misshandelt, seine Position oder Autorität missbraucht oder sich in einer Weise verhalten zu haben, die als zwanghaft, ausbeuterisch oder beruflich unangemessen interpretiert werden könnte“.
Die Anwälte teilten demnach weiter mit, Khan habe der Untersuchung detaillierte Beweise vorgelegt, die „in direktem Widerspruch zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen stehen“ und „in einer Reihe von wesentlichen Punkten zeigen, dass diese Vorwürfe nachweislich unwahr sind“.

© Reuters/Wolfgang Rattay
Im vergangenen Jahr hatte eine erste Frau, eine Anwältin in den Dreißigern, die direkt für Khan arbeitete, Anschuldigungen erhoben. Sie behauptete, die Vorfälle hätten sich über einen längeren Zeitraum zwischen 2023 und 2024 ereignet.
Khan und seine Verteidiger haben versucht, die Vorwürfe als Teil einer Kampagne feindlicher externer Akteure darzustellen, die ihn diskreditieren und unter Druck setzen wollen, als Reaktion auf seine Maßnahmen gegen Netanjahu und den ehemaligen israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant.
Der „Guardian“ berichtet weiter, dass zwar davon auszugehen sei, dass proisraelische Akteure versucht haben, Journalisten zu informieren und Informationen über die Beschwerde der IStGH-Mitarbeiterin durchsickern zu lassen. Jedoch ließen sich keine Beweise dafür finden, dass eine der beiden Frauen die Vorwürfe als Teil einer ausgeklügelten Verschwörung gegen Khan erhoben hat.
Khan droht Abstimmung über Amtsenthebung
Die Zeitung weist allerdings darauf hin, dass sie gemeinsam mit anderen Medien im vergangenen Jahr berichtet hatte, dass israelische Geheimdienste eine Kampagne gegen den IStGH geführt haben sollen. Dazu gehörte auch eine Operation des Mossad, mit der versucht worden sein soll, Khans Vorgängerin Fatou Bensouda einzuschüchtern und zu diffamieren.
Sobald die Untersuchung der UN-Aufsichtsbehörde abgeschlossen sei, werden ihre Ergebnisse von einem Gremium aus Justizfachleuten geprüft, das das Leitungsgremium des IStGH darüber beraten werde, ob Maßnahmen gegen Khan ergriffen werden sollten, so das Blatt weiter.
Sollte festgestellt werden, dass er sich „schwerwiegendes Fehlverhalten“ oder eine schwerwiegende Verletzung seiner Pflichten zuschulden kommen lassen hat, könnte dem Ankläger demnach ein beispielloser Vorgang drohen: eine geheime Abstimmung, in der die 125 Mitgliedstaaten des IStGH darüber entscheiden würden, ob er seines Amtes enthoben werden soll.
Als die Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs im vergangenen Jahr den IStGH erschütterten, gab Khan eine Erklärung ab, in der er betonte, dass in 30 Jahren Arbeit in „unterschiedlichen Kontexten“ „niemals eine solche Beschwerde gegen mich von irgendjemandem vorgebracht worden sei“.
- Benjamin Netanjahu
- Donald Trump
- ICC: Nachrichten zu Berlins besonderer Immobilie
- Internationaler Strafgerichtshof
- Israel
- Sexualisierte Gewalt
- USA
- Wladimir Putin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: