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Ein palästinensisches Kind liegt in einem Zelt in Gaza-Stadt.

© REUTERS/stringer

Israel will jüdischen Staat im Westjordanland: Ein weiterer Affront gegen Moral und Recht

Im Westjordanland sollen 22 neue israelische Siedlungen entstehen. Verteidigungsminister Israel Katz sagt, man werde dort den jüdischen Staat Israel errichten. Es war einmal eine andere Zeit.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Es geht weiter, immer weiter. Im Gazastreifen und vermehrt auch im Westjordanland. Dort sollen 22 neue israelische Siedlungen entstehen. Verteidigungsminister Israel Katz sagt: „Wir werden in der Westbank den jüdischen Staat Israel errichten.“

Katz gilt als Hardliner. Eine Zweistaatenlösung lehnt er als „absolut absurd“ ab. Die Bevölkerung des Gazastreifens sollte seiner Ansicht nach keine humanitäre Hilfe erhalten. Mit solchen Positionen hofft er, Premierminister Benjamin Netanjahu beerben zu können.

Manchmal kommt Wehmut auf, verbunden mit Sehnsucht nach einer Zeit, als ein paar Einsichten herrschten. Etwa die: Frieden schließt man nicht mit Freunden, sondern mit Feinden. Oder die: Israel muss einen Friedensprozess führen, als gäbe es den Terror nicht, und den Terror bekämpfen, als gäbe es keinen Friedensprozess.

Was bleibt, ist die Herrschaft der einen über die anderen

Lang ist’s her. Damals war die PLO unter Jassir Arafat eine Terrororganisation, mit der auch nur zu reden, geschweige denn zu verhandeln, unter Strafe stand. Trotzdem wurde es getan, weil eine weitere Einsicht sich durchzusetzen begann: Zwei Völker, Palästinenser und Israelis, sind zutiefst davon überzeugt, dass sie auf dem Boden, auf dem sie leben, auch das Recht haben, ein souveränes, menschenwürdiges Leben zu führen.

Um diesen Konflikt zu lösen, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder das Land wird geteilt. Das wurde versucht, scheiterte aber durch die Ermordung des damaligen israelischen Premiers Jitzhak Rabin durch einen israelischen Fanatiker. Oder es wird ein Staat „zwischen Fluss und Meer“ errichtet, in dem beide Völker dieselben Rechte haben. In diesem Fall, so befürchten viele Israelis, ginge der jüdische Charakter ihres Staates verloren.

Was bleibt, ist die Herrschaft der einen über die anderen. In diesem System gibt es Besatzer und Besetzte.

Die Folge davon bekommt Israel in diesen Tagen so deutlich zu spüren wie selten zuvor. Auch enge Verbündete gehen auf Abstand, verurteilen die Kriegsführung im Gazastreifen. Sie stünde in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zu den Hamas-Massakern vom 7. Oktober, sagt Bundeskanzler Friedrich Merz.

Die Bilder verschwinden nicht, wenn der Krieg aufhört

Allabendlich sind die Bilder zerstörter Häuser und getöteter Frauen und Kinder zu sehen, von Verwundeten, die medizinisch nicht versorgt werden können, und Säuglingen, die unterernährt sind. Solche Bilder graben sich ins Gedächtnis ein. Sie verschwinden nicht, wenn der Krieg einst aufhören sollte. Auf Jahre und Jahrzehnte werden sie das Image Israels außerhalb Israels prägen.

Und wofür? Die derzeitige israelische Regierung hegt eine Illusion. Sie glaubt, das Problem durch Macht und Gewalt zum Verschwinden bringen zu können. Aber es verschwindet nicht. Fünf Millionen Palästinenser lassen sich nicht so einfach vertreiben. Und selbst wenn: Auch als Vertriebene würde ihr Schicksal stets mit Israel in Verbindung gebracht werden.

Ein jüdischer Staat Israel im Westjordanland: Das würde faktisch nicht viel verändern. Schon jetzt nimmt kaum ein Siedler die palästinensische Autonomiebehörde ernst. Immer öfter kommt es zu Übergriffen und Drangsalierungen. Zuletzt wurden gar Warnschüsse der israelischen Armee in Richtung einer EU-Delegation abgegeben.

Kurzfristig geht es nicht um zwei Staaten, sondern um die Wiedererlangung der Menschenwürde für Palästinenser – ob im Gazastreifen oder im Westjordanland. Dazu gehören genug zu essen, ein festes Dach über dem Kopf, existenzielle Sicherheit und die glaubhafte Vermittlung einer Hoffnung, dass das Morgen besser wird als das Heute, und das Übermorgen besser als das Morgen.

Israel braucht Sicherheit. Daran besteht kein Zweifel. Ob das Vorgehen im Westjordanland diesem Sicherheitsbedürfnis entgegenkommt, daran lässt sich zweifeln.

Es darf nicht immer nur weitergehen, so wie jetzt. Israels Regierung muss verstehen, dass, auch wenn der letzte Hamas-Terrorist getötet wurde, sich das Grundproblem nicht in Luft auflöst.

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