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Präsident Emmanuel Macron hatte bereits im Frühjahr unter Verweis auf das Völkerrecht betont, die Ukraine müsste in der Lage sein, russische Militärziele zu neutralisieren.

© Imago/Bestimage/Jeanne Accorsini

„Logik der Selbstverteidigung“: Frankreich signalisiert Zustimmung zum Abschuss von Raketen auf Russland

Nach Washington und London hat auch Paris keine Einwände dagegen, dass Kiew Marschflugkörper einsetzt. Die Ukraine bestätigt, dass es weite Teile der eroberten Gebiete in Kursk geräumt hat.

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Die Ukraine gerät im Abwehrkampf gegen die russischen Invasionstruppen an vielen Frontabschnitten immer mehr unter Druck. Auch deshalb pocht die Regierung in Kiew darauf, vom Westen gelieferte weiterreichende Waffen auf Ziele auf russischen Staatsgebiet einsetzen zu dürfen. Nach den USA und Großbritannien signalisiert nun auch Frankreich hierfür die Erlaubnis. Außenminister Jean-Noël Barrot nannte dies am Wochenende in einem Interview mit dem britischen Sender BBC „Logik der Selbstverteidigung“.

Von einer förmlichen Erlaubnis sprach Barrot zwar nicht, so die Agentur dpa. Präsident Emmanuel Macron hatte aber bereits im Frühjahr unter Verweis auf das Völkerrecht betont, die Ukraine müsste in der Lage sein, russische Militärziele zu neutralisieren, die direkt in Einsätze gegen ihr Territorium verwickelt seien.

Die Armee der Ukraine hatte in den vergangenen Tagen übereinstimmenden Berichten zufolge weitreichende Raketen vom Typ ATACMS aus US-Produktion und britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow auf militärische Ziele in Russland abgefeuert. Offizielle Bestätigungen aus Washington und London gab es dafür nicht. Frankreich verfügt über Scalp-Raketen, sie sind baugleich mit den britischen. Beide Länder hatten im Juli begonnen, Kiew diese Waffen mit einer Reichweite von mehr als 250 Kilometern zu liefern.

Das Wichtigste für Putin ist es, uns aus der Kursker Region zu vertreiben.

 Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt es weiterhin strikt ab, der Ukraine den Marschflugkörper Taurus zu liefern, der mit 500 Kilometern eine noch größere Reichweite hat. Trotz innen- und außenpolitischen Drucks argumentiert er weiterhin, Deutschland könnte direkt in den Krieg hineingezogen werden.

Die Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow/Scalp haben eine Reichweite von etwa 250 Kilometern.

© AFP/Justin Tallis

Moskau kritisierte die Äußerungen des französischen Außenministers scharf. Die Genehmigung zum Einsatz der Raketen sei „keine Unterstützung für die Ukraine, sondern vielmehr ein Todesstoß für die Ukraine“, sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.

Der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Michailo Podoljak, wertet die jüngsten Drohungen von Russlands Präsident Wladimir Putin als Ausdruck „absoluter Angst“. Der Kreml-Chef versuche, den Westen zu erschrecken, sagte Podoljak der „Bild“. „Putin will den Krieg nur nach seinen Bedingungen beenden, um nicht für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht zu werden.“

Putin hatte am Donnerstag in einer Ansprache an die Nation gesagt, mit dem Einsatz westlicher Raketen größerer Reichweite gegen Ziele in Russland habe der Ukraine-Konflikt „Elemente eines globalen Charakters“ angenommen. Er drohte mit Angriffen auf die Länder, deren Raketen auf russisches Territorium abgefeuert worden seien.

Selenskyj geht davon aus, dass der Krieg 2025 beendet werden kann. „Wann wird der Krieg enden? Wenn Russland will, dass der Krieg endet. Wenn Amerika eine stärkere Position einnimmt. Wenn der globale Süden auf der Seite der Ukraine und auf der Seite der Beendigung des Krieges steht“, sagte Selenskyj in Kiew.

Nach Ansicht Selenskyjs will Putin die von der Ukraine besetzten Gebiete in der Region Kursk bis spätestens 20. Januar, dem Tag des Amtsantritts des designierten US-Präsidenten Donald Trump, zurückerobern. „Das Wichtigste für Putin ist es, uns aus der Kursker Region zu vertreiben.“ Es sei wichtig für Putin zu zeigen, „dass er eine Situation unter Kontrolle hat, die er nicht unter Kontrolle hat“. In der Region sollen auch bis zu 11.000 Soldaten aus Nordkorea stationiert sein, die vermutlich bei der Rückeroberung unterstützen sollen.

Die Offensive war die erste Bodeninvasion einer ausländischen Armee Macht in Russland seit dem Zweiten Weltkrieg und traf die russischen Truppen unvorbereitet. Wie am Wochenende aus dem ukrainischen Generalstab verlautete, hat die Ukraine 40 Prozent der eroberten Gebiete wieder geräumt. Nach anfangs rund 1400 Quadratkilometern würden dort nun noch etwa 800 kontrolliert. „Wir werden dieses Gebiet so lange halten, wie es militärisch sinnvoll ist“, hieß der Agentur Reuters zufolge es aus dem Generalstab.

Im Osten der Ukraine liefern sich vorrückende russische Truppen und ukrainische Verteidiger weiter heftige Kämpfe. Der ukrainische Generalstab in Kiew nannte am Samstag in seinem Morgenbericht die vergleichsweise hohe Zahl von 194 Angriffen seit Freitagmorgen. „Der Feind nutzt seine Überlegenheit an Menschen und Material und attackiert pausenlos unsere Stellungen“, hieß es.

Allein am Frontabschnitt Pokrowsk im Gebiet Donezk wurden 44 Angriffe gezählt, wobei die Militärangaben nicht im Detail nachprüfbar sind. 36 russische Sturmangriffe gab es demnach bei der extrem gefährdeten Stadt Kurachowe. Südlich davon droht sich Lagekarten zufolge ein Kessel zu bilden, aus dem ein Abzug der ukrainischen Soldaten schwierig werden dürfte.

Putin unterzeichnete am Sonntag der Agentur AFP zufolge ein Gesetz, um dem Personalmangel in der Armee zu begegnen. Wer sich in Russland für einen Einsatz im Konflikt in der Ukraine meldet, profitiert von einem Schuldenerlass in Höhe von bis zu zehn Millionen Rubel (rund 92.000 Euro). Beobachtern zufolge wird dieses Gesetz einen großen Anreiz darstellen, da besonders viele Jüngere in Russland verschuldet sind.

In Russland sind Zinsen für Kredite extrem hoch und viele Russen haben dem Bericht zufolge fast keine Ersparnisse. Die meisten verschulden sich demnach, um Wohneigentum zu kaufen. Einem Bericht der Zentralbank zufolge haben über 13 Millionen Russen drei oder mehr Kredite aufgenommen.

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