zum Hauptinhalt
Premier Benjamin Netanjahu (links) bespricht sich mit Militärs.

© dpa/Amos Ben-Gershom

Update

Mindestens 700 Tote in Israel: Netanjahu stellt das Land auf einen „langen und schwierigen Krieg“ ein

Nach den Attacken der Hamas kündigt Premier Netanjahu eine harte Reaktion im Gazastreifen an Inzwischen stieg die Zahl der Toten auf mindestens 700, die der Verletzten auf mindestens 2243.

| Update:

Nach dem überraschenden Großangriff der militanten Palästinenser-Organisation Hamas hat das israelische Sicherheitskabinett den Kriegszustand ausgerufen. Dies erlaube „weitreichende militärische Schritte“, teilte am Sonntag das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. „Der Krieg, der Israel durch eine mörderische Terrorattacke aus dem Gazastreifen aufgezwungen wurde, hat am 7. Oktober 2023 um 6 Uhr begonnen.“

Die Hamas im Gazastreifen hatte den Beschuss des Erzfeindes fortgesetzt. Gegen mehrere Städte, darunter die Küstenmetropole Tel Aviv, gab es in der Nacht zum Sonntag heftige Raketenangriffe. Das israelische Militär bombardierte im Gegenzug weitere Kommandozentralen der Hamas.

Am 7. Oktober 2023 steigt während eines israelischen Luftangriffs eine Rauchwolke über Gebäuden in Gaza-Stadt auf. 
Am 7. Oktober 2023 steigt während eines israelischen Luftangriffs eine Rauchwolke über Gebäuden in Gaza-Stadt auf. 

© AFP/Mahmud Hams

Inzwischen gibt es offiziellen Angaben zufolge in Israel mindestens 700 Tote und mindestens 2243 Verletzte. Auf Seiten der Palästinenser im Gazastreifen kamen mindestens 413 Menschen ums Leben, 2300 weitere wurden verletzt, wie das dortige Gesundheitsministerium am Sonntagmorgen bekannt gab. Nach Angaben des israelischen Militärs wurden seit Beginn der Kämpfe mehr als 3200 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Seit Samstagmorgen seien 3255 Raketen gezählt worden, sagte ein Sprecher am Sonntag.

Netanjahu kündigte eine harte Reaktion im Gazastreifen an. „Wir werden alle Orte, an denen die Hamas organisiert ist und sich versteckt, in Trümmerinseln verwandeln“, sagte Netanjahu am Samstagabend in einer Ansprache.

Bewohner des Gazastreifens forderte er auf: „Flieht jetzt von dort, denn wir werden überall und mit all unserer Kraft handeln“. Israel werde Rache nehmen. „Dieser Krieg wird Zeit brauchen“, sagte Netanjahu. „Es liegen noch herausfordernde Tage vor uns.“

Nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas stellt sich Israel auf „einen langen und schwierigen Krieg“ ein. Bis zu Israels Sieg werde es keine „Atempause“ geben, erklärte Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag.

Mehrere Israelis wurden in den Gazastreifen verschleppt

Mehrere Israelis wurden nach Militärangaben in den Gazastreifen verschleppt. Ein Militärsprecher sprach von einer „erheblichen Zahl“, Israel bestätigte inzwischen, dass es sich um mehr als 100 Menschen handelt.. Die Hamas, die von der EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestuft wird, sprach von Dutzenden Entführten.

Die Bundesregierung prüft, ob deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger betroffen sind. Man stehe mit den israelischen Behörden in engem Austausch, hieß es am Samstagabend aus dem Auswärtigen Amt. Die Lage sei unübersichtlich. In sozialen Netzwerken kursierten Berichte, dass mehrere deutsche Staatsbürger unter den Entführten seien.

Israelische Soldaten sind am Samstag im Süden des Landes unterwegs.
Israelische Soldaten sind am Samstag im Süden des Landes unterwegs.

© Reuters/Ammar Awad

Der Überraschungsangriff der Hamas startete genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973. Der damalige Angriff feindlicher arabischer Staaten auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag gilt als bislang schwerstes nationales Trauma.

„Dieser Tag ist eine Zäsur, ein präzedenzloser Akt der Eskalation durch die Hamas“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Samstag in Berlin. „Durch diese Terrorangriffe besteht nun die unkalkulierbare Gefahr einer großen regionalen Eskalation“, so die Grünen-Politikerin.

Unterdessen identifizierte die israelische Marine in den vergangenen Stunden sieben Terroristen in der Gegend des Zikim-Strandes auf israelischem Gebiet, wie das Militär erklärte. Marinesoldaten und Flugzeuge hätten das Eindringen der Terroristen in Wohngebiete verhindert.

Kampfflugzeuge hätten drei operative Kommandozentralen der Hamas angegriffen, die von der Terrororganisation genutzt würden, um vom Gazastreifen aus Terroranschläge gegen Israel zu verüben.

Auch Gewalt im Westjordanland

Zudem geht die Gewalt auch im Westjordanland weiter. Bei Zusammenstößen mit der israelischen Armee wurden am Samstag in mehreren Orten sechs Palästinenser getötet, darunter ein 13 Jahre alter Junge, wie das Gesundheitsministerium in Ramallah mitteilte. Ein weiterer Mann wurde palästinensischen Angaben zufolge nach einem versuchten Messerangriff von israelischen Soldaten erschossen.

Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas hatte den Beginn einer „Militäroperation“ gegen Israel erklärt. Hamas habe beschlossen, israelischen „Verbrechen“ ein Ende zu setzen, sagte der Hamas-Militärchef Mohammed Deif in einer Audiobotschaft am Samstagmorgen. „Das ist der Tag der größten Schlacht“, sagte er.

Dieses Foto soll palästinensische Kämpfer zeigen, die auf dem Weg zum Grenzzaun sind.
Dieses Foto soll palästinensische Kämpfer zeigen, die auf dem Weg zum Grenzzaun sind.

© AFP/Said Khatib

Der bewaffnete Arm der Hamas erklärte, die „Operation Al-Aksa-Flut“ gegen Israel gestartet zu haben. Dabei habe die Gruppe mehr als 5000 Raketen auf Israel abgefeuert, sagte Deif. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit Langem angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet. Im selben Zeitraum kamen mehr als 200 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben.

An der Gaza-Grenze war es im vergangenen Monat mehrfach zu gewaltsamen Protesten gekommen. Dabei wurden auch Sprengsätze auf Soldaten geworfen, mehrere Palästinenser wurden durch Schüsse verletzt. Die israelische Luftwaffe griff angesichts der Vorfälle mehrmals Posten der im Gazastreifen herrschenden militanten Palästinenserorganisation Hamas an.

Die EU, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilten die Angriffe auf Israel scharf.

Die proiranische Hisbollah-Miliz im Libanon dagegen gratulierte der Hamas. „Die Hisbollah beglückwünscht das palästinensische Volk und seine Verbündeten der Al-Kassam-Brigaden und der Hamas“ für „diese heldenhafte, groß angelegte“ und „siegreiche Operation“, hieß es in einer Erklärung der schiitischen Hisbollah. Die Hisbollah unterhält gute Beziehungen zur radikalislamischen Hamas, die den Gazastreifen seit 2007 kontrolliert.

EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte die Angriffe auf Israel scharf. Die „wahllosen Angriffe“ gegen Israel und seine Bevölkerung hätten unschuldigen Bürgern Terror und Gewalt angetan, schrieb er auf der Plattform X (ehemals Twitter). „Meine Gedanken sind bei allen Opfern.“ Die EU sei in diesem schrecklichen Moment solidarisch mit dem israelischen Volk.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Scholz zeigte sich solidarisch mit Israel. „Erschreckende Nachrichten erreichen uns heute aus #Israel. Der Raketenbeschuss aus Gaza und die eskalierende Gewalt erschüttern uns zutiefst. Deutschland verurteilt diese Angriffe der Hamas und steht an Israels Seite“, schrieb er auf X.

Auswärtiges Amt rät von Reisen ab

Angesichts des Großangriffs der Palästinenserorganisation Hamas auf Israel rät das Auswärtige Amt derzeit „dringend“ von Reisen nach Israel und in die Palästinensergebiete ab.

Das Bundesaußenministerium begründete seine Einschätzung am Samstag mit „gravierenden militärischen Auseinandersetzungen im Gebiet um den Gaza-Streifen mit Beschuss durch Raketen bis nach Tel Aviv und Angriffen auf die lokale Bevölkerung“.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier telefonierte mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog und sicherte ihm seine Solidarität zu. „Israel ist angegriffen“, erklärte Steinmeier am Samstag nach dem Telefonat. „Präsident Herzog hat mir soeben von dem schockierenden Ausmaß der Angriffe der Hamas an mehreren Orten seines Landes berichtet. Israel muss sich gegen einen brutalen Terror verteidigen.“

„Meine volle Solidarität gilt unseren angegriffenen israelischen Freunden“, fügte Steinmeier hinzu. Im Namen aller Deutschen habe er Herzog seine „Anteilnahme an den vielen Toten und Verletzten ausgedrückt und meine Sorge um das Schicksal derer, die noch in Gefahr sind“.

Die Nato verurteilte die Angriffe der Hamas gegen den Nato-Partner Israel scharf. „Unsere Gedanken sind bei den Opfern und allen Betroffenen“, schrieb ein Sprecher des Verteidigungsbündnisses am Samstag auf der Plattform X (zuvor Twitter). „Terrorismus ist eine grundlegende Bedrohung für freie Gesellschaften, und Israel hat das Recht, sich zu verteidigen.“

Berlins Botschafter Steffen Seibert rief Deutsche in Israel auf, sich nahe von Schutzräumen aufzuhalten. Auf X schrieb er: „An alle Landsleute in Israel: Der Raketenbeschuss aus Gaza dauert an, es besteht insgesamt erhöhte Gefahr.“ Wichtig sei, sich über die Lage zu informieren und den Anweisungen der Sicherheitskräfte zu folgen. „Passen Sie auf sich auf!“

Irans Außenamtssprecher dagegen gratulierte der Hamas nach ihrem Großangriff auf Israel. „Die heutige Operation der Widerstandsbewegung in Palästina ist ein Wendepunkt in der Fortsetzung des bewaffneten Widerstands des palästinensischen Volkes gegen die Zionisten“, sagte Nasser Kanaani der iranischen Nachrichtenagentur ISNA.

„Mit dieser Operation wurde eine neue Seite im Bereich des Widerstands des palästinensischen Volkes gegen die Zionisten aufgeschlagen“, fügte der Sprecher hinzu.

Seit der Islamischen Revolution von 1979 ist Israel Irans erklärter Erzfeind. Teheran hat seit den 1990er Jahren seine politischen und militärischen Beziehungen in der Region ausgebaut, um mit der Unterstützung schiitischer Milizen eine „Achse des Widerstands“ gegen Israel zu schaffen. Die Islamische Republik unterstützt auch die Schiitenorganisation Hisbollah im Libanon. (dpa, Reuters, AFP, Ch. B., lem)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false