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Ukrainische Soldaten während einer Militärübung in der Region Donezk an einer Abschussvorrichtung mit einer US-Javelin-Rakete.

© dpa/Uncredited

Waffenlieferungen an die Ukraine: Die Parole „zu wenig, zu spät“ taugt nichts

Der Westen darf selbst gesetzte Grenzen nur mit begründeter Aussicht auf Erfolg überschreiten. Schon Ex-US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld warnte: „Es gibt auch unbekanntes Unbekanntes.“

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

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Was wäre gewesen, wenn? Diese Frage wird oft leidenschaftlich diskutiert. Etwa: Was wäre gewesen, wenn Adolf Hitler am 8. November 1939 nach seiner Rede im Münchner Bürgerbräukeller ein paar Minuten länger geblieben wäre?

Dann wären er und nahezu die gesamte NS-Führungsspitze bei dem von Georg Elser verübten Bombenanschlag getötet worden. Das hätte den Lauf der Weltgeschichte verändert. So viel ist gewiss.

5000 Helme? Das verursachte Hohn und Spott

Doch keiner weiß, wie sich die Weltgeschichte stattdessen entwickelt hätte. Darüber lässt sich allenfalls spekulieren, auch mit Gründen, Wahrscheinlichkeiten und möglichen Szenarien. Exakt berechnen aber lässt sich das nicht. Eine richtige Antwort kann es auf diese Frage nicht geben.

Ganz ähnlich verhält es sich beim ukrainischen Verteidigungskrieg gegen Russland. Die Unterstützung des angegriffenen Landes durch westliche Länder wurde stets von der Frage geleitet: Unter welchen Bedingungen führt welche Waffenlieferung zu welchem Ergebnis?

Einen Tag nach der Invasion beschloss die Bundesregierung die Lieferung von 5000 Helmen. Die allerdings sollten wegen der laufenden Kämpfe außerhalb der Ukraine übergeben werden. Das verursachte Spott und Hohn. Die Einrichtung einer Nato-Flugverbotszone wurde abgelehnt, aus Angst vor einer Eskalation.

Es geht um Kampfpanzer und Taurus-Raketen

Heute geht es um Kampfpanzer und weitreichende Taurus-Raketen. Im Mai vergangenen Jahres wurde eine erfolgreiche Frühjahrsoffensive prognostiziert.

„Sie haben alles, was sie brauchen, um bei der Rückeroberung von Gebieten, die Russland in den vergangenen 14 Monaten mit Gewalt erobert hat, erfolgreich zu sein“, sagte US-Außenminister Antony Blinken. Es kam bekanntlich anders.

Der Westen reagiere zu zögerlich, heißt es immer dann, wenn Russland Geländegewinne erzielt. „Too little, too late“ – zu wenig, zu spät. Das suggeriert, dass das gegenteilige Motto – genügend und rechtzeitig – zu einem entscheidend anderen, für die Ukraine günstigeren Gefechtsverlauf geführt hätte. Beweisen lässt sich das nicht. Die Behauptung fällt unter die Was-wäre-wenn-Problematik.

Kriege lassen sich nicht am Reißbrett gewinnen

Was macht Wladimir Putin? Wie verhält sich China? Schickt Nordkorea weitere Soldaten? Kann der Iran mehr Kampfdrohnen liefern? Wir wissen es nicht.

All diese Fragen lassen sich nur mit Hypothesen unterschiedlicher Wahrscheinlichkeiten beantworten. Vielleicht hätte der Westen frühzeitig entschlossener auftreten müssen. Kann sein. Oder aber Putin hätte seine Oreschnik-Raketen dann seinerseits früher und massiver abgeschossen.

Kriege lassen sich nicht am Reißbrett gewinnen. Im Vorfeld des Dritten Golfkrieges prägte der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eine Formel, die seitdem in der Fachliteratur zu Risikoabschätzungen verwendet wird.

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Er sagte: „Es gibt bekanntes Bekanntes. Es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Wir wissen auch, dass es bekanntes Unbekanntes gibt, das heißt, wir wissen, dass es einige Dinge gibt, die wir nicht wissen. Aber es gibt auch unbekanntes Unbekanntes – es gibt Dinge, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen.“

Auf den Krieg in der Ukraine bezogen, heißt das: Der Westen muss das angegriffene Land nach Kräften weiter unterstützen.

Er sollte dabei im Trial-and-Error-Modus vorgehen, also keine Eskalationsstufe überspringen und Grenzen nur mit Bedacht und der begründeten Aussicht auf Erfolg überschreiten. Die Maxime „too little, too late“ ist auf jeden Fall unterkomplex.

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