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 Libanesen überprüfen einen vermutlich durch einen israelischen Luftangriff zerstörten Transformatormast im Dorf Maaliya im Südlibanon. Als Reaktion auf den schweren Raketenbeschuss vom Vortag hat Israel in der Nacht zum Freitag Ziele im Libanon sowie im Gazastreifen angegriffen.

© dpa/Mohammad Zaatari

Nahostkonflikt an den Feiertagen: Angriff auf Israel an mehreren Fronten

Nach Zusammenstößen in der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem fliegen Raketen aus Libanon und Gaza. Israel schießt zurück. Vor zwei Jahren hatte eine ähnliche Gewaltspirale zum Gaza-Krieg geführt.

Nach Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und muslimischen Gläubigen auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem ist Israel nun mit Angriffen an mehreren Fronten konfrontiert: Am Donnerstagabend gingen aus dem Libanon 36 Raketen auf das Land nieder; dazu feuerten Palästinenser im Gazastreifen in der Nacht über 40 Geschosse auf den Süden Israels.

Die israelische Luftwaffe bombardierte in der Nacht darauf nach eigenen Angaben militärische Infrastruktur der Hamas sowohl in Gaza als auch im Süden Libanons. All das trifft Israel in einer sensiblen innenpolitischen Situation.  

Seit dem Ende des zweiten Libanonkrieges 2006 gab es keinen derart massiven Angriff auf Israel aus dem Norden. Die israelische Armee (IDF) macht die palästinensische Hamas verantwortlich, die in palästinensischen Flüchtlingscamps im Libanon eine starke Präsenz unterhält.

Israel will keinen Konflikt mit der Hisbollah

Viele Analysten bezweifeln allerdings, dass die Hamas einen solchen Angriff ohne die Unterstützung oder wenigstens die Billigung der mächtigen Schiitenmiliz Hisbollah durchgeführt hätte.

Die Hisbollah, deren militärischer Flügel von westlichen Staaten wie die Hamas als Terrororganisation gelistet wird, ist militärisch weit mächtiger als die Hamas: Ihre Raketen, deren Zahl auf bis zu 150.000 geschätzt wird, können Städte in ganz Israel treffen – weshalb Israel an einem Konflikt mit der Hisbollah wenig gelegen sein dürfte.  

Am Donnerstagabend hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zum ersten Mal seit Wochen sein Sicherheitskabinett einberufen. Die israelische Luftwaffe bombardierte in der Nacht darauf nach eigenen Angaben militärische Infrastruktur der Hamas sowohl in Gaza als auch im Süden Libanons.

„Die IDF wird es der Terrororganisation Hamas nicht erlauben, vom Libanon aus zu operieren, und macht den libanesischen Staat für jeden Beschuss von seinem Territorium verantwortlich“, teilte ein Sprecher mit. 

Israels Polizei im muslimischen Heiligtum

Auch tagsüber kam die Lage nicht zur Ruhe: Am Freitagmorgen erlitten drei junge israelische Frauen im Westjordanland einen Autounfall, offenbar, nachdem ihr Auto von Palästinensern attackiert worden war; der Unfallwagen wies nach Angaben der Armee Schussspuren auf. Zwei der Frauen kamen uns Leben, die dritte wurde schwer verletzt.   

Die jüngste Eskalation hat ihren Ursprung in Ereignissen auf dem Areal der Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem. Zum muslimischen Fastenmonat Ramadan, der in diesem Jahr Ende März begann, beten täglich viele Tausend Palästinenser in und vor der Moschee, dem drittwichtigsten Heiligtum im Islam.

Die israelische Polizei verhaftet eine palästinensische Frau auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee.  In der Nacht war es zu Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern auf dem Gelände des Felsendoms gekommen.
Die israelische Polizei verhaftet eine palästinensische Frau auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee. In der Nacht war es zu Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern auf dem Gelände des Felsendoms gekommen.

© dpa/Mahmoud Illean

In den Nächten zu Mittwoch und Donnerstag war die israelische Polizei in den muslimischen Komplex eingedrungen. Nach israelischen Angaben war das nötig, um Palästinenser, die sich mit Steinen und Feuerwerkskörpern auf dem Gelände befunden hätten, zu vertreiben. Videoaufnahmen im Internet sollen israelische Polizisten zeigen, die auf muslimische Gläubige einprügeln. UN-Generalsekretär António Guterres reagierte nach Angaben seines Sprechers Stephane Dujarric „schockiert und entsetzt“ auf die Bilder von israelischen Polizisten, die in der Moschee auf Palästinenser einschlagen.

Am Mittwoch begann zudem das jüdische Pessachfest, womit in diesem Jahr der Ramadan, Pessach und Ostern aufeinanderfallen und sich besonders viele Anhänger aller drei Religionen in der Stadt aufhalten.  

Zudem ist in Israel wegen des heftigen Konflikts um die geplante Justizreform der Regierung auch die innenpolitische Stimmung angespannt. Und viele Beobachter befürchten, dass die radikalen Kräfte, die der Regierung angehören, die Sicherheitslage noch unnötig anheizen könnten.

Zu der regierenden Koalition gehören die nationalistische Pro-Siedler-Partei Religiöser Zionismus, angeführt von Finanzminister Bezalel Smotrich, sowie die rechtsextreme Jüdische Stärke unter der Führung Itamar Ben-Gvirs, dem Minister für nationale Sicherheit, der in der Vergangenheit schon wegen araberfeindlicher Hetze verurteilt wurde.

„Man muss sich nur anschauen, wer in seinem Sicherheitskabinett sitzt, um zu verstehen, warum Netanjahu es seit Februar nicht mehr einberufen hat“, schrieb der bekannte Analyst Anshel Pfeffer von der israelischen Zeitung Haaretz. 

Zu alledem gilt Verteidigungsminister Yoav Gallant, einer der gemäßigteren Vertreter der Likudpartei Netanjahus, als angeschlagen. Netanjahu hatte Ende März Gallants Rauswurf verkündet, nachdem dieser die Justizreform kritisiert hatte; doch ist Gallant weiterhin im Amt – wie lange noch, weiß niemand. In einer komplexen Sicherheitslage nicht eben eine optimale Ausgangssituation. 

Ob und inwieweit sich Israels innenpolitische Komplikationen auf die Sicherheitslage auswirken, werden die kommenden Wochen zeigen. Netanjahu ließ nach der Sitzung seines Sicherheitskabinetts lediglich verlauten, dass Israel seinen Feinden „einen hohen Preis“ abverlangen werde. Und bislang unterscheidet sich das Vorgehen der Armee nicht wesentlich von vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit.  

Manche Beobachter spekulieren indes, dass die jüngste Zuspitzung selbst eine indirekte Folge der innenpolitischen Krise sein könnte: Womöglich wagen Hamas und Hisbollah sich nur deshalb so weit vor, weil sie Israel für geschwächt halten. 

Bereits vor zwei Jahren hatte es auf dem Tempelberg schwere Ausschreitungen zwischen Israelis und Palästinensern in Jerusalem gegeben. Sie resultierten schließlich in einem mehrtägigen militärischen Konflikt zwischen Israel und im Gazastreifen operierenden militanten Organisationen.

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