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Russlands Präsident Wladimir Putin.

© REUTERS/MAXIM SHEMETOV

Spannungen schüren, Kiews Regierung stürzen: Papier skizziert harte Verhandlungspositionen für den Kreml

Ein für den Kreml erstelltes Papier legt laut einem Bericht eine mögliche Strategie Moskaus für Friedensverhandlungen mit der USA und der Ukraine offen. Es sind ausschließlich Maximalpositionen.

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Spannungen zwischen der Trump-Regierung und Europa schüren, damit die Verhandlungsposition der Ukraine schwächen und Kiews Regierung zerschlagen: Ein für den Kreml ausgearbeitetes Papier einer einflussreichen Moskauer Denkfabrik skizziert offenbar den harten Kurs, den Russland in den Verhandlungen um ein Ende des Angriffskrieges fahren könnte.

Das Dokument, das der „Washington Post“ vorliegt, weist die groben Pläne von US-Präsident Donald Trump für ein Friedensabkommen innerhalb von 100 Tagen als „unrealisierbar“ zurück, heißt es. Demnach sei „eine friedliche Lösung der Ukraine-Krise nicht vor 2026 möglich“.

Die Denkfabrik steht dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB nah, das Papier hat die US-Zeitung nach eigenen Angaben von einem europäischen Geheimdienst zugespielt bekommen. Es soll bereits am 18. Februar erstellt worden sein – unmittelbar vor den ersten Gesprächen russischer und US-amerikanischer Vertreter in Saudi-Arabien.

Konkret heißt es in dem Papier etwa, dass unbedingt vermieden werden solle, dass Europa eigene Friedenstruppen in die Ukraine schickt, berichtet die „Washington Post“. Vielmehr solle Russland darauf bestehen, dass die eroberten Gebiete in der Ukraine anerkannt werden. Gemeint sind die Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson, die Russlands Truppen allerdings nicht vollständig kontrollieren.

Nachdem die USA die Europäer aufgefordert hatten, mitzuteilen, welchen Beitrag sie zu einer Sicherheitsgarantie für die Ukraine leisten könnten, war zuletzt über europäische Friedenstruppen in dem angegriffenen Land diskutiert worden.

Großbritanniens Premierminister Keir Starmer hatte sich dazu bereit erklärt, Truppen in die Ukraine zu entsenden. Diese Möglichkeit war von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schon länger immer wieder ins Spiel gebracht worden. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte auf den Vorstoß Starmers allerdings zurückhaltend reagiert. Ablehnend äußerte sich auch der polnische Regierungschef Donald Tusk.

Trump dürfte es beim Kreml schwer haben

In dem Papier wird laut Bericht indes vorgeschlagen, eine Pufferzone im Nordosten der Ukraine zu schaffen. Das gelte insbesondere für die Regionen Belgorod und Brjansk. Doch auch im Süden der Ukraine, oberhalb der 2014 annektierten Halbinsel Krim, soll es nach dem Willen der Autoren eine entmilitarisierte Zone geben. Das würde die Region Odessa betreffen.

Das Dokument macht deutlich, wie schwer es für Trump werden dürfte, ein Ende des russischen Angriffskrieges zu erreichen. Dazu passt, dass der außenpolitische Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin, Juri Uschakow, sich am Donnerstag ablehnend zum US-Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe geäußert hat.

„Das ist nichts anderes als eine Atempause für das ukrainische Militär, mehr nicht“, sagte Uschakow dem russischen TV-Sender Rossija 1. Ziel sei eine langfristige Friedensregelung, „die unsere legitimen Interessen berücksichtigt“. Beobachter erwarteten, dass Putin selbst sich am Donnerstag auf einer Pressekonferenz mit Belarus’ Staatschef Alexander Lukaschenko zu den Vorschlägen Trumps äußert.

Offiziell forderte Russland zuletzt neben der internationalen Anerkennung der eroberten Gebiete und einer Vereinbarung, keine europäischen Friedenssoldaten zu entsenden, den Verzicht der Ukraine, Mitglied der Nato zu werden.

Denkfabrik hält Zerschlagung von Kyjiws Regierung für nötig

Darüber hinaus wird in dem Dokument der Denkfabrik aber auch die Notwendigkeit einer „vollständigen Demontage“ der derzeitigen ukrainischen Regierung benannt, schreibt die „Washington Post“. Denn, so argumentieren die Autoren, die Regierung in Kyjiw könne nicht von innen heraus verändert werden. Auch nicht bei möglichen Zugeständnissen der Ukraine, die öffentlich kursieren. Etwa, dass künftig Wahlen abgehalten werden könnten, an denen prorussische Parteien teilnehmen, oder das Land darauf verzichtet, Teil der Nato zu werden.

Das Dokument weist dem Bericht zufolge auch die angeblichen Vorschläge von Trumps Sondergesandtem für die Ukraine Keith Kellogg für ein Friedensabkommen zurück. Den Autoren gehe es nicht weit genug, wenn die Ukraine die von Russland eroberten Gebiete abtritt und sich dazu verpflichten würde, diese in Zukunft nicht mit militärischen oder diplomatischen Mitteln zurückzuerobern. Werde die russische Souveränität über die Regionen nicht offiziell anerkannt, sei es „ziemlich wahrscheinlich“, dass der bewaffnete Konflikt mittelfristig wieder aufflammen werde. Etwa nach einem Regierungswechsel in den USA.

Laut Bericht soll das Papier zudem Möglichkeiten entwerfen, wie der Kreml die Position der Ukraine in den von Trump gewollten Friedensverhandlungen schwächen könnte. Demnach solle Russland darauf hinwirken, die Spannungen zwischen den USA und Europa zu verschärfen.

Die waren zuletzt ohnehin auf einem Tiefpunkt angelangt. Vor allem, nachdem Trumps Vizepräsident JD Vance den Europäern bei der Münchner Sicherheitskonferenz attestiert hatte, dass Meinungsfreiheit und Demokratie dort auf dem Rückzug seien. Nicht minder erschüttert hatte die europäische Spitzenpolitik reagiert, als Trump und Vance den ukrainischen Präsidenten vergangene Woche im Weißen Haus abblitzen ließen. Beide warfen Selenskyj Undankbarkeit und keine Bereitschaft zu Zugeständnissen gegenüber Russland vor.

Anlass des Treffens war der Rohstoff-Deal, den Trump als Entschädigung für die geleisteten US-Militärhilfen will. Er verlangt Zugang zu seltenen Erden in der Ukraine. Putin hatte seinerseits Ende Februar bereits öffentlich angeregt, dass US-Unternehmen Bodenschätze in Russland erschließen könnten. Dabei hatte er explizit auch die besetzten Gebiete in der Ukraine genannt. Das Papier schlägt offenbar genau das vor, um die Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine zu torpedieren.

Beziehungen zwischen Russland und USA sollen normalisiert werden

Zugleich solle der Kreml sich weiter darum bemühen, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu normalisieren, heißt es. Dazu solle das diplomatische Personal wieder vollzählig entsendet werden und Alexander Darchiew zum russischen Botschafter in den Vereinigten Staaten ernannt werden. Beide Vorschläge wurden Ende Februar bereits öffentlich gemacht.

Ein russischer Wissenschaftler, der laut „Washington Post“ hochrangigen russischen Diplomaten nahesteht, sagte der Zeitung, dass die Inhalte des Papiers im Wesentlichen breiter Konsens in Moskau seien.

Putins Sprecher Dmitri Peskow wollte derweil offiziell nichts von dem Dokument wissen. Der Kreml habe „keine Kenntnis von solchen Empfehlungen“, sagte er – und nannte sie „extrem widersprüchlich“.

Russland ist „nicht an einer baldigen Lösung der Ukraine-Krise interessiert“, wird Thomas Graham von der US-Zeitung zitiert. Er war unter dem früheren US-Präsidenten George W. Bush im Nationalen Sicherheitsrat für Russland zuständig. Dem Kreml gehe es um die Innenpolitik der Ukraine und die europäische Sicherheitsarchitektur, also die Rolle der Nato, so Graham. „Und ein einfacher Waffenstillstand, der das nicht berücksichtigt, ist für Russland nicht von Interesse. Und das scheint Trump nicht zu verstehen.“

Laut Boris Bondarev, einem in Genf ansässigen ehemaligen russischen Diplomaten, versuche Russland, Trump in Gespräche zu locken, indem es „Offenheit und Flexibilität“ suggeriere. Putin werde darauf abzielen, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen, indem er sich als „ein wahrer Freund von Donald Trump“ positioniere, sagte er laut der US-Zeitung. Doch, so Bondarev, natürlich bräuchte Putin im Gegenzug etwas von Trump. (cz)

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