zum Hauptinhalt
Der russische Präsident Wladimir Putin, der indische Premierminister Narendra Modi und der chinesische Präsident Xi Jinping unterhalten sich vor dem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) im Meijiang Convention and Exhibition Center.

© Gestaltung: Tagesspiegel / Foto: dpa/Indian Prime Minister's Office, Freepik

Thank God It’s International Friday 41: Wettstreit der Narrative

Die Themen der Woche: Südafrika statt China | M20-Initiative für weltweite Pressefreiheit | Der „Stoltenberg-Effekt“ in Norwegen | Wird Frankreich unregierbar?

Anja Wehler-Schöck
Eine Kolumne von Anja Wehler-Schöck

Stand:

It’s International Friday! Willkommen zur heutigen Ausgabe des TGIIF, dem internationalen Newsletter des Tagesspiegels bei LinkedIn. Hier können Sie ihn kostenlos abonnieren.

Heute wünsche ich Ihnen statt eines schönen Wochenendes einen guten Start in den Montag. Denn vergangene Woche war ich auf Reisen. Nicht etwa in Peking zu Xi Jinpings Militärparade. Und auch nicht in der ostchinesischen Millionenstadt Tianjin, wo Putin, Modi und Xi beim Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) den Plausch abhielten, den Sie in der Optik sehen. 

Ich war in Johannesburg. Sagen wir zu einer Art „Gegenprogramm“. Südafrika hat derzeit den G20-Vorsitz inne. Parallel zum offiziellen G20-Programm arbeitet die M20-Initiative. Sie ist ein informeller Zusammenschluss, der sich zum Ziel gesetzt hat, weltweit unabhängige Medien, die Pressefreiheit und die Integrität der Berichterstattung zu stärken.

„Journalists and Truth under Attack“: Auf dem Panel in Johannesburg. (Vielen Dank an Kara Ballarin für das Foto!)

© Kara Ballarin

Vom Aussterben bedroht?

Sie gehöre einer „aussterbenden Spezies“ an, sagte Heather Robertson, die Vorsitzende des South African National Editors‘ Forum (Sanef), zur Eröffnung des M20-Gipfels in Johannesburg. Der Spezies „der weniger bekannten Journalisten, die sich ethischen Standards verpflichtet sehen, um der Öffentlichkeit mit faktenbasiertem Journalismus zu dienen und in einem wilden Ozean von digitaler Desinformation den Machthabern die Wahrheit sagen“. 

Das Lachen blieb den meisten Anwesenden im Halse stecken. Denn wie akut die Gefahr ist, belegten die Berichte etlicher Journalisten eindrücklich. Hopewell Chin’ono erzählte von der Repression, die er in Simbabwe wegen seiner regierungskritischen Berichterstattung erfahren hat – bis hin zu Verhaftung und Gefängnisstrafe. Heute kann er nicht mehr in seiner Heimat leben. 

Beklemmend waren auch die Schilderungen der Kenianerin Zubeidah Kananu. Wer die Regierung kritisiere, laufe in ihrem Land Gefahr, schlicht für immer zu verschwinden. Kananu wies auch auf die erhöhte Gefährdung von Frauen hin. Zunehmend würde geschlechtsspezifische Online-Gewalt eingesetzt, um Journalistinnen einzuschüchtern und von der Ausübung ihres Berufs abzuhalten.

Zubeidah Kananu, unerschrockene Journalistin aus Kenia. (Vielen Dank an Cailan Ferreira-Mokoka für das Foto!)

© Cailan Ferreira-Mokoka

„Unverzichtbare Wachhunde“

Die Idee für die M20-Initiative war 2023 während des indischen G20-Vorsitzes entstanden. Damals konnte das Treffen allerdings nur virtuell stattfinden.

Siddharth Varadarajan, der Gründer und Herausgeber der unabhängigen indischen Online-Zeitung „The Wire“ und einer der M20-Initiatoren, hat mir erklärt, warum: „Zum einen ist es für Journalisten schwierig, ein Visum für Indien zu erhalten. Zum anderen bedarf es für eine Konferenz zu einem politischen Thema mit ausländischen Gästen einer Genehmigung durch die Regierung. Deren Interesse eine Veranstaltung zu unterstützen, bei der über die Bedrohung der Pressefreiheit – auch in Indien – diskutiert wird, dürfte sich in Grenzen halten.“ 

Journalisten seien „unverzichtbare Wachhunde“ betonte dagegen Solly Malatsi, der südafrikanische Kommunikationsminister, und versprach die M20-Erklärung zum G20-Gipfel mitzunehmen, der Ende November in Johannesburg stattfindet. Auf wie viel Resonanz die Erklärung dort stoßen wird, ist indes fraglich. Zu den G20-Staaten zählen China, Russland und Saudi-Arabien – nicht gerade die Speerspitze der Pressefreiheit.

Allianz der Autokraten

Sorgen über den weltweiten Rückgang der Pressefreiheit werden bei den Zusammenkünften in Peking und Tianjin vergangene Woche daher auch kaum Thema gewesen sein. Xi und Putin tauschten sich lieber über Unsterblichkeit aus und planten gemeinsam mit Modi einen Gegenentwurf zur globalen Dominanz der USA. 

Mit Blick auf die Pressefreiheit drängt sich dabei die Frage auf, wie viel Gegenentwurf es derzeit eigentlich noch braucht. Denn die USA erwecken unter der zweiten Trump-Administration eher den Anschein, sich dem autokratischen Modell annähern zu wollen. Am 1. Dezember werden die USA von Südafrika den G20-Vorsitz übernehmen. Ich bin gespannt darauf, wie es mit der M20-Initiative dann weitergeht. 

Blicken wir einstweilen nach Europa. Denn dort finden am heutigen Montag zwei wichtige Abstimmungen statt.

Wahl in Norwegen: Der „Stoltenberg-Effekt“

Ganz planmäßig wählt Norwegen heute ein neues Parlament. Dort sorgt derzeit vor allem einer für Dynamik: der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident und frühere Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Eigentlich sollte er im Februar in Nachfolge von Christoph Heusgen den Vorsitz der Münchner Sicherheitskonferenz übernehmen. Stattdessen kehrte er als Finanzminister in seine Heimat zurück. 

„Ein politischer Coup, der den Sozialdemokraten den bereits verloren geglaubten Wahlsieg bringen dürfte“, schreibt meine Kollegin Maxi Beigang über den sogenannten „Stoltenberg-Effekt“. Gut möglich, dass die MSC noch etwas länger auf die Rückkehr ihres designierten Vorsitzenden warten muss: Mehr als 40 Prozent der Norwegerinnen und Norweger wünschen sich Umfragen der Zeitung „Nettavisen“ zufolge Stoltenberg als nächsten Regierungschef.

Alle Augen auf Paris: Ist Frankreich unregierbar?

Weniger nach Plan verlaufen die Dinge dagegen gerade in Frankreich. Regierungschef François Bayrou stellt am heutigen Montag die Vertrauensfrage im Parlament. Denn für seinen Sparkurs, den Frankreich angesichts der hohen Staatsverschuldung dringend braucht, fehlt ihm die Mehrheit. 

Mit Bayrou könnte heute bereits der fünfte Premierminister in dreieinhalb Jahren vor dem Aus stehen. Lesen Sie hier die Analyse unserer Korrespondentin Birgit Holzer, die Ereignisse in Paris heute für den Tagesspiegel eng verfolgen wird. 👇

Wie geht es in Frankreich nach der heutigen Abstimmung weiter? Und was bedeutet das Ergebnis für Deutschland und Europa? Darüber werde ich im „High Noon“-Expertentalk mit Birgit Holzer, Hélène Kohl, Sophie Pornschlegel und Jacob Ross diskutieren. Seien Sie mit dabei und stellen Sie den Tagesspiegel-Experten Ihre Fragen. Hier geht’s zur Anmeldung. 👇

Besser als im Normalfall: So gut ist die Deutsche Bahn auf Katastrophen vorbereitet

Sollten Sie den spannenden Talk mit Johannes Steger und Ferdinand Gehringer am vergangenen Freitag verpasst haben, seien Sie unbesorgt. Wir haben ihn für Sie aufgezeichnet.

Und es lohnt sich, ihn anzuschauen. Pünktlich zur Veröffentlichung ihres Buchs „Deutschland im Ernstfall. Was passiert, wenn wir angegriffen werden“ habe ich mit den Sicherheitsexperten darüber diskutiert, wie Deutschland resilienter werden kann. Unter anderem haben die beiden mir dabei verraten, warum der Blick auf die Deutsche Bahn durchaus auch mal optimistisch stimmen kann. Hier können Sie sich das Gespräch ansehen. 👇

Das war’s von mir für heute. Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche!

Herzlich

Ihre Anja Wehler-Schöck

Transparenzhinweis: Die Reise nach Johannesburg wurde vom Medienprogramm Subsahara-Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung finanziert, das Partner der M20-Initiative ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })