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US-Präsident Donald Trump vor der Knesset in Jerusalem.

© AFP/Evelyn Hockstein

Trumps Show im Nahen Osten: Frieden kommt nicht über Nacht

Den Gazakrieg hat der US-Präsident für beendet erklärt. Widerspruch unerwünscht. Das will keiner torpedieren und Trumps ewigen Zorn riskieren. Das Verfahren ist raffiniert.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Alles hat seine Zeit. Der Satz aus der Bibel, dem Buch Prediger, soll Trost und Zuversicht spenden. „Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit“, „Krieg hat seine Zeit, und Friede hat seine Zeit.“

Auch Benjamin Netanjahu, Israels Premier, hat in seiner Rede vor der Knesset daraus zitiert. Neben ihm saß Donald Trump, der US-Präsident. Doch es gibt Tage, da fallen Lachen und Weinen, Krieg und Frieden zusammen. Dann schieben sich die widerstreitenden Gefühle übereinander, sträuben sich gegen Klarheit.

Die große Freude lässt sich winzig klein reden

Eindeutig allerdings ist die Nachricht des Tages: Alle noch lebenden Geiseln sind frei, die Waffen schweigen. Das verursacht Freude, in Israel wie im Gazastreifen. Die Folterqualen der Verschleppten, die mehr als zwei Jahre gedauert hatten, sind vorbei. Das Warten der Familien hat ein Ende. Die Verzweifelten können die Gemarterten wieder umarmen.

Auch für die zwei Millionen Palästinenser kann nun eine neue Zeit beginnen. Hunger, Tod, Flucht, Zerstörung: Das haben sie täglich erlitten, Zehntausende kamen ums Leben, jede Familie hat Opfer zu beklagen. Ihre Trauer hält an, aber der Blick richtet sich langsam, langsam wieder nach vorne. Die Fantasie kann sich eine Welt ausmalen, in der offene Wunden verheilen.

Es ist leicht, diese doppelt große Freude winzig kleinzureden. Tausend Fragen sind ungeklärt. Wird sich die Hamas entwaffnen lassen? Wird sich Israel tatsächlich zurückziehen? Wie soll der Gazastreifen bewohnbar werden? Wer regiert dann in ihm? Wird Israel weiter Siedlungen im Westjordanland bauen?

Frieden kommt nicht über Nacht

Je ausgiebiger die Hürden thematisiert werden, die für ein gedeihliches Zusammenleben beider Völker überwunden werden müssen, desto schneller schwindet die Euphorie des Moments. Alles hat seine Zeit. „Töten hat seine Zeit, und Heilen hat seine Zeit.“ Das heißt auch: Manchmal braucht es einen langen Atem. Frieden kommt nicht über Nacht. 

Außerdem braucht er starke Kräfte, die ihn voranbringen. Donald Trump hat sich für sein Engagement und die von ihm maßgeblich ausgehandelte Waffenstillstandseinigung jetzt feiern lassen. Er badete im Lob der anderen. So kennt man ihn. Bescheidenheit und Leisetreterei sind ihm fremd.

Das Nebeneinander von Friedensshow und nach wie vor spürbaren Verwundungen, die durch Geiselhaft und Krieg verursacht wurden, irritiert. Aber Pietät und Politik gehen nicht immer Hand in Hand. Durch die perfekt inszenierte Feier eines noch sehr zukünftigen Friedens rückt dieser wundersamerweise näher. Trump setzt auf die Dynamik einer „self fulfilling prophecy“, einer selbsterfüllenden Prophezeiung.

Trump klingt naiv, er ist es aber nicht

Den Gazakrieg hat er einfach für beendet erklärt. Widerspruch unerwünscht. Wer wollte den Prozess, der ja erst zum Frieden führen soll, jetzt noch torpedieren und Trumps ewigen Zorn riskieren? Warum er optimistisch sei, wurde der US-Präsident an Bord der „Air Force One“ auf dem Weg nach Israel gefragt? Weil er sehr viele mündliche Garantien erhalten habe, antwortete er, und er setze darauf, dass diese auch eingehalten würden.

Das klingt nur naiv, ist es aber nicht. Trumps Schulterschluss mit Katar und der Türkei sowie die Schwäche Irans und Syriens setzen die Hamas unter großen Druck. Einen Rückzugsort, aus dem heraus sich Perspektiven ergeben, hat die Terrororganisation nicht mehr.

Israels Regierung wiederum darf nichts tun, was die Region in Unruhe versetzt. Sonst ist der Friedensnobelpreis für Trump im nächsten Jahr, den Netanjahu und andere Redner in der Knesset forderten, gefährdet.

Letztlich hat sich Trump durch seine Friedensshow selbst festgelegt. Wird er geduldig genug sein für die Umsetzung seines ambitionierten Friedensplanes? Er muss. Eine Abkehr davon würde seine vollmundigen Ankündigungen als hohl entlarven. Dann wäre auch seine eigene Hoffnung auf den Friedensnobelpreis endgültig geplatzt.

Am Nahen Osten haben sich schon viele amerikanische Präsidenten die Zähne ausgebissen. Der Konflikt scheint mit fortschreitender Dauer immer unlösbarer zu werden. Nun ist Trump an der Reihe. Das Momentum zumindest hat er auf seiner Seite. „Zerstören hat seine Zeit, und Bauen hat seine Zeit.“

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