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U.S. President Donald Trump looks on as he takes questions from the press during a swearing-in ceremony for the interim U.S. Attorney for the District of Columbia, Jeanine Pirro, at the White House in Washington, D.C., U.S., May 28, 2025. REUTERS/Leah Millis

© REUTERS/LEAH MILLIS

Trumps Waffenruhe im Iran: Ein Prahlhans weckt Hoffnung

Über kurz oder lang werden die USA und der Iran weiter über den Stopp des Atomprogramms verhandeln. Keiner von ihnen will den großen Krieg riskieren, vor dem die Europäer warnen.

Christoph von Marschall
Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Stand:

Donald Trump ist ein Prahlhans. Nur weil er sagt, er habe eine Waffenruhe im Krieg gegen Irans Atomprogramm durchgesetzt, muss man das nicht gleich glauben. Erstmal hielt sie ja auch nicht. Israel und der Iran beschuldigten sich gegenseitig. Trump ärgerte sich. Nach der Nacht zu Mittwoch – große Luftangriffe werden überwiegend nachts geflogen – wird man klarer sehen.

Doch auch jenseits von Trumps Aufschneiderei gibt es Gründe für vorsichtigen Optimismus, dass die Kontrahenten früher oder später an den Verhandlungstisch zurückkehren. Sie gelten auch dann, wenn doch noch das eine oder andere Geschoss abgefeuert wird. Das gehört zur Gesichtswahrung im Nahen Osten. Israels Premier Netanjahu kann einen dauerhaften Bruch mit Trump nicht wagen.

Die zwölf Tage Krieg zur Dezimierung des iranischen Atomprogramms haben zudem erneut deutlich gemacht: Die drei Hauptbeteiligten Israel, Iran und die USA sehen das Risiko einer Ausweitung zum Flächenbrand. Und sie haben kein Interesse an diesem größeren Krieg.

Die USA nicht, weil die Mehrheit der Bürger nicht will, dass ihr Land in weitere Kriege eingreift, ob als Weltpolizist zur Wahrung der internationalen Ordnung oder aus anderen Gründen. In Trumps Wählerbasis ist der Hang zum Rückzug oder gar Isolationismus besonders stark.

Europa und Deutschland haben allen Grund, ihre Pawlowschen Reflexe zu überprüfen. Nicht jeder Militäreinsatz ist eine Eskalation. Durch die Wahl der militärischen Mittel kann man Deeskalation signalisieren.

Christoph von Marschall, Diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion.

Auch in Israel ist die öffentliche Meinung gespalten. Solange es um die Reaktion auf einen Großangriff mit vielen Toten geht, etwa den der Hamas am 7. Oktober 2023, oder die Bekämpfung einer existenziellen Bedrohung, zum Beispiel das Atomwaffen- und Raketenprogramm des Iran, ist eine klare Mehrheit für Militäreinsätze. Den permanenten Kriegszustand lehnen die meisten ab. Viele sind kriegsmüde und sehnen sich nach Frieden, Wohlstand und Stabilität.

Die Folgen von Bushs Irakkrieg hat Israel ausgeglichen

Der Iran ist heute nicht mehr die dominante Regionalmacht, zu der ihn George W. Bush mit seinem Angriff auf Saddam Husseins Irak 2003 gemacht hatte. Damals veränderte Bush die Machtbalance im Nahen Osten. Der Irak entfiel als Gegengewicht zu den Mullahs. Teheran investierte seine Öl-Milliarden in Proxy-Milizen wie die Hamas in Gaza, die Hisbollah im Libanon, die Huthis im Jemen und schnürte Israel von allen Seiten ein.

Diese Extremisten träumen wohl vom Flächenbrand und der Vernichtung des jüdischen Staats. Aber der Iran kann ihnen erstens Hilfe entziehen. Zweitens hat er seine Möglichkeiten mit dem Griff nach der regionalen Hegemonie überdehnt. Drittens riskiert er mit der Paarung aus diesem Ehrgeiz und der wirtschaftlichen Krise wachsende Proteste im Inneren.

Heute ist Israel die regionale Vormacht

Das Weitere übernahm Israel. Es tötete die Hamas-Führer und viele ihrer Kämpfer, reduzierte die Kampfkraft der Hisbollah und der Huthis. Auch auf Syrien kann sich Iran nicht mehr stützen. Heute ist Israel die unangefochtene militärische und technologische Vormacht im Nahen und Mittleren Osten.

Trump war zwar in der ersten Amtszeit aus dem Atomabkommen mit dem Iran von 2015 ausgestiegen, das die Europäer ausgehandelt hatten, weil es dem Iran aus seiner Sicht zu viele Freiheiten ließ. In seiner zweiten Amtszeit hat er aber auf Verhandlungen gesetzt, um es zu stoppen. Doch die Mullahs hielten ihn hin. Deshalb erlaubte er Israel Luftangriffe in einem zuvor ungeahnten Ausmaß und schickte dann die US-Luftwaffe – mit bunkerbrechenden Bomben, die erstmals eingesetzt wurden.

Das kann man als riskante Eskalation bewerten. Oder als Machtdemonstration, die die Mullahs zurück an den Verhandlungstisch zwingt. Europa und Deutschland haben allen Grund, ihre Pawlowschen Reflexe zu überprüfen. Nicht jeder Militäreinsatz im Nahen Osten ist per se eine Eskalation und birgt die Gefahr des Flächenbrands.

Nach den Regeln der Region – und das sind andere als in Europa – kann man durch die Wahl der militärischen Mittel die Absicht der Deeskalation signalisieren. Trump tut es mit der Waffenruhe. Israel tut es mit der Reduzierung seiner Angriffe. Der Iran hat zwar US-Militär in Qatar beschossen – aber zuvor alles getan, damit die Raketen abgefangen werden und möglichst wenig Schaden anrichten.

Eine Chance auf Verhandlungen nach nur zwölf Tagen Krieg bei all der Feindschaft zwischen dem Iran und Israel? Garantiert ist das nicht. Aber Donald Trump sieht die Chance – und kämpft darum.

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