
© AFP/ANATOLII STEPANOV
Ukraine-Invasion, Tag 894: Wie die Bewohner von Dnipro den Krieg erleben
Kritik an Woidke nach Diplomatie-Vorstoß. Mali bricht mit sofortiger Wirkung die diplomatischen Beziehungen zur Ukraine ab. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
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Es ist ein Zermürbungskrieg, den Russland neben dem Kampf direkt an der Front führt. Immer wieder werden die großen Städte des Landes Ziele von Raketenangriffen, darunter auch Dnipro. Wie die Einwohner der ostukrainischen Millionenstadt damit umgehen, darüber berichtet nun der britische „Guardian“.
Der Bürgermeister der Stadt, Borys Filatow, sagt, die Industriestadt sei regelmäßig Ziel russischer Angriffe, denn sie beherberge Militärkrankenhäuser und Raketenfabriken. „Wir sind ein Drehkreuz. Sie wollen uns bestrafen“, sagte er den Reportern. So wie Ende Juni, als eine Rakete ein Wohnhaus traf. „Wir hatten irgendwie Glück. Es hätte Dutzende von Opfern geben müssen“, sagt Filatow. „Die Russen schießen ohne jedes Ziel. Für sie ist alles ein Ziel.“
Den Angriff miterlebt hat auch Lana Jefimowa. Die Rakete schlug in ein neunstöckiges Wohnhaus gegenüber ihrer Arbeitsstätte ein, die sie gerade verlassen hatte. „Ich rannte zurück und fand ein Feuer vor. Es war riesig“, berichtet sie. „Meine Kollegin Yulia war verletzt. Sie brach sich das Becken. Ich stand unter Schock.“ Zur Taktik der Russen, auch zivile Ziele ins Visier zu nehmen, sagt sie: „Sie wollen uns Angst machen, damit wir weggehen.“ Das sei Politik – und Terror.
Laut dem Bürgermeister der Stadt haben die Russen ihre Angriffstechniken nach und nach immer mehr verfeinert. Während die Drohnen früher in einer Höhe von etwa drei Kilometern geflogen seien, seien es jetzt nur noch 50 Meter – trotz der Gefahr, dass sie eventuell doch abgefangen würden. Auch er plädiert für Hilfe aus dem Ausland in Bezug auf Luftabwehrsysteme. „Wir haben hier Luftabwehrsysteme. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche das sind. Aber wir brauchen mehr“, sagte er dem „Guardian“.
Auch in Dnipro greifen die Russen gern die Energieinfrastruktur an, weshalb viele Kraftwerke bereits kaputtgingen und Strom rationiert werden muss. „Kein Strom bedeutet kein Wasser“, sagt Filatow. „Wir versuchen, Alternativen wie Gas zu nutzen.“ Auch Jefimowa sagt, es gebe weder Strom noch Wasser – und das bei hohen Temperaturen. „Und die Menschen sind sehr müde“, fügt sie hinzu. „Alle hoffen, dass die Kämpfe bald zu Ende sind. Dann können wir wieder aufbauen.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick
- Mit seiner Forderung nach mehr Diplomatie im Ukraine-Krieg hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) für Verärgerung gesorgt. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im uckermärkischen Schwedt hatte sich Woidke am Freitag dafür ausgesprochen, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine „so schnell wie möglich“ zu beenden. Mehr hier
- Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer regt für die Stationierung weitreichender US-Waffensysteme in Deutschland sowie für eine mögliche Wehr- oder Dienstpflicht Volksbefragungen an. „Das Einzige, was Russland wirklich beeindruckt, ist unsere Wehrhaftigkeit“, sagte Kretschmer mit Blick auf die Wehrpflicht und die deutsche Unterstützung für die Ukraine. Mehr hier
- Mali bricht mit sofortiger Wirkung die diplomatischen Beziehungen zur Ukraine ab. Als Grund nennt die malische Regierung die angebliche Beteiligung Kiews an einem Rebellenangriff im Norden des westafrikanischen Landes. Mehr in unserem Newsblog
- Die durch den russischen Angriffskrieg gebeutelte Ukraine hat neue Haushaltshilfen aus den USA von umgerechnet über 3,5 Milliarden Euro erhalten. „Das ist ein äußerst wichtiger Beitrag zur Unterstützung des Staatshaushalts der Ukraine in der Zeit des Widerstands gegen die umfassende Aggression der Russischen Föderation“, sagte Finanzminister Serhij Martschenko laut einer Mitteilung.
- In Russland sind zwei hochrangige Vertreter des Verteidigungsministeriums wegen Betrugsverdachts festgenommen worden. Das für schwere Verbrechen zuständige Ermittlungskomitee teilte in einer Erklärung am Montag mit, der als Vizechef für den Bereich Innovation im russischen Verteidigungsministerium zuständige General Wladimir Schesterow sei ebenso festgenommen worden wie der Direktor des bekannten Militärfreizeitparks Patriot bei Moskau, Wjatscheslaw Achmedow.
- Der frühere russische Verteidigungsminister und jetzige Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Sergej Schoigu, ist am Montag nach Teheran gereist. Den russischen Medien zufolge soll Schoigu den neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian, den Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, Ali Akbar Ahmadian, und der Generalstabschef der Armee, Mohammad Bagheri, treffen.
- Die Ukraine hat nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj die ersten F-16-Kampfjets aus US-Produktion erhalten. Selenskyj präsentierte zwei F-16-Kampfflugzeuge am Sonntag bei einer Zeremonie vor Journalisten und betonte zugleich, ihre Zahl reiche noch nicht aus.
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