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Ukrainer erbost, Russen zufrieden: Was über die Gespräche in Istanbul bisher bekannt ist
In Istanbul haben am Nachmittag russische und ukrainische Delegationen das erste Mal seit drei Jahren wieder direkt miteinander verhandelt. Große Fortschritte gab es dabei nicht.
Stand:
Die Ukraine hat Russland vorgeworfen, bei den Verhandlungen beider Länder in Istanbul „inakzeptable Forderungen“ erhoben zu haben, um die Gespräche scheitern zu lassen.
Ein ukrainischer Regierungsvertreter sagte am Freitag der Nachrichtenagentur AFP, Moskau verlange von Kiew die Aufgabe ukrainisch kontrollierter Gebiete als Vorbedingung für eine Waffenruhe.
Die russischen Verhandler verlangten laut Informationen mehrerer englischsprachiger Medien, dass die Ukraine ihre Truppen aus vier teilweise von Russland besetzten Regionen zurückzieht. Konkret geht es um die Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk. Das würde die vier Regionen quasi wehrlos zurücklassen. Russische Truppen könnten sie im Handstreich erobern. Es ist eine Forderung, die die Ukraine schon seit längerem kategorisch ablehnt.
Zuvor war aus ukrainischen Verhandlungskreisen bekannt geworden, dass die Forderungen Russlands bei den Gesprächen unrealistisch gewesen seien und weit über alles bisher Besprochene hinausgegangen seien.
Die Forderungen aus Moskau „beinhalten Ultimaten, dass die Ukraine sich von ihrem eigenen Territorium zurückzieht, um eine Waffenruhe zu erreichen, sowie weitere inakzeptable und nicht konstruktive Bedingungen“, sagte ein Insider aus dem Umfeld der ukrainischen Delegation der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Ukraine ist bereit für eine echte Waffenruhe und einen weiteren authentischen Friedensprozess ohne Vorbedingungen“, fügt er hinzu.
Gespräche dauerten eineinhalb Stunden
Die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine seit über drei Jahren dauerten nach Angaben aus türkischen Regierungskreisen rund eineinhalb Stunden. Beobachter und auch die ukrainische Seite knüpften im Vorfeld keine großen Erwartungen an das Treffen. Russland hatte nur eine wenig prominent besetzte Delegation geschickt, bei der unter anderem der Vize-Außenminister vertreten war. Sie glich teilweise der Abordnung, die vor drei Jahren mit den Ukrainern verhandelt hatte.

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Ein paar konkrete Ergebnis gab es dennoch:
- Russland und die Ukraine haben sich nach ukrainischen Angaben auf einen Austausch von jeweils 1000 Kriegsgefangenen verständigt. Das sagte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow nach dem Treffen dem ukrainischen Fernsehen.
- Laut den türkischen Vermittlern wurde auch ein weiteres Treffen vereinbart. Ein Zeitpunkt für die Fortsetzung der Gespräche wurde von den Vertretern der Konfliktparteien nicht genannt. Die beiden Delegationen verließen am Nachmittag das Gebäude in Istanbul und machten sich auf den Heimweg.
- Beide Seiten haben sich laut dem türkischen Außenminister Hakan Fidan auch darauf geeinigt, Dokumente mit ihren Forderungen für eine Waffenruhe auszutauschen.
Russland seinerseits erklärte sich zufrieden mit den Gesprächen. „Nachdem die Parteien ein Konzept für eine Waffenruhe vorgelegt haben, halten wir es für angebracht, unsere Verhandlungen fortzusetzen“, wurde der Berater von Kremlchef Wladimir Putin von den russischen Staatsagenturen zitiert.
Medinski erklärte allerdings auch, dass Russland auf einen langen Krieg vorbereitet sei. Russland könne „ewig“ kämpfen.
Telefongespräch mit Donald Trump
Kurz nach dem Gespräch der beiden Delegationen telefonierten der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Polens Premier Donald Tusk, Großbritanniens Premier Keith Starmer und Bundeskanzler Friedrich Merz mit US-Präsident Donald Trump. Die Gruppe – welche die sogenannte „Koalition der Willigen“ gegründet hatte – war am Freitag bei einem Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in der albanischen Hauptstadt Tirana zusammengekommen. Russlands Positionen in den Friedensverhandlungen nannte Starmer „nicht akzeptabel“.

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Bundeskanzler Friedrich Merz bedauerte in Tirana die schleppenden Fortschritte bei den Friedensbemühungen für die Ukraine und sieht die klare Verantwortung dafür in Moskau.
„Wir sind uns einig darüber, dass die russische Seite eine gute Gelegenheit gehabt hätte, in dieser Woche erste Gespräche über ein Friedensabkommen mit einem vorangegangenen Waffenstillstandsabkommen zu führen“, sagte der CDU-Politiker. „Wir sind sehr enttäuscht, dass dies nicht stattgefunden hat.“ Es seien alle Bedingungen erfüllt gewesen, um ein gutes erstes Gespräch führen zu können.
„Die diplomatischen Bemühungen, die wir bisher unternommen haben, sind leider an der mangelnden Bereitschaft Russlands gescheitert, jetzt erste Schritte in die richtige Richtung zu tun“, ergänzte Merz.
Merz konnte dem Treffen aber auch etwas Positives abgewinnen. Das erste Treffen zwischen der Ukraine und Russland seit mehr als drei Jahren „ist ein sehr kleines, aber erstes positives Signal“, erklärte er.
Unklar ist bisher, wie sich die Europäer und Amerikaner nach dem Treffen verhalten. Am vergangenen Wochenende hatte die europäische Seite Putin ein Ultimatum für eine Waffenruhe gestellt. Eine Waffenruhe wird es nach dem Treffen in Istanbul aber nicht geben.
Zwar werden auf EU-Ebene derzeit weitere Sanktionen gegen Russland vorbereitet, unter anderem gegen den russischen Finanzsektor. Sanktionen, die Russland wirklich zu spüren bekommen würde, sind aber nur mit den USA möglich und betreffen den immer noch florierenden Handel mit russischem Erdöl und Erdgas, der hauptsächlich zur Finanzierung des Krieges beiträgt.
US-Präsident Trump drohte Putin zuletzt mit einer Verschärfung der Sanktionen. Die europäischen Partner der Ukraine waren am Wochenende auch davon ausgegangen, dass die USA diese verhängen würden, wenn keine Waffenruhe zustande kommen würde. In den vergangenen Tagen hatte Trump die Sanktionen allerdings nicht mehr erwähnt.
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