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War es das wert?: Zwölf Tage Krieg gegen den Iran – und nur ein mäßiger Erfolg
US-Präsident Trump und Israels Premier Netanjahu feiern ihren Sieg über den Iran. Doch nicht alle Ziele wurden erreicht. Das könnte sich als strategische Sackgasse erweisen.

Stand:
Er hat es überlebt. Physisch und politisch. Das war keine ausgemachte Sache. Ali Chameneis Zeit und die seines Regimes hätten enden können.
Die zwölf Tage Krieg gegen Israel und die USA waren eine existenzielle Gefahr für Irans Revolutionsführer. Sie hätten ihn die Herrschaft, womöglich sogar das Leben kosten können.
Doch kurz nach Verkündung einer Waffenruhe kam der Ajatollah aus seinem Bunker hervor und erklärte beim ersten öffentlichen Auftritt nach längerer Zeit, die Islamische Republik habe die „Zionisten“ im Kampf „zermalmt“.
Das ist propagandistischer Unsinn, keine Frage. Was auch dem Kleriker klar sein dürfte. Israels Angriffe haben gezeigt: Der jüdische Staat kann derzeit militärisch nach Belieben schalten und walten, hat die Lufthoheit inne. Der Iran ist der Waffen-Übermacht schutzlos ausgeliefert.
Auch die Behauptung, die Regierungen in Washington und Jerusalem hätten „nichts erreicht“ wirkt vor diesem Hintergrund zunächst wie ein krasser Fall von Realitätsverlust.
Hochgesteckte Ziele der Operation „Rising Lion“
Das Problem ist nur: Chameneis Einschätzung trifft zumindest in Teilen zu. „Weniger erreicht, als der Feind insgeheim erhoffte“ wäre wohl die passendere Formulierung. Denn gemessen an ihren hochgesteckten Zielen war die Offensive „Rising Lion“ weder für die USA noch für Israel ein durchschlagender Erfolg.
Diese zwölf Tage der Raketen- und Drohnenschlachten kosteten Hunderten Menschen das Leben und richteten großen materiellen Schaden an.
Angriffe auf den Iran zwischen dem 13. und dem 24. Juni
Aber das dürfte zu wenig bewirkt haben, um Irans imperialen Ambitionen im Nahen Osten auf Dauer Einhalt zu gebieten und damit dem Nahen Osten etwas Ruhe zu verschaffen.
Chamenei und seine Getreuen mögen fürs Erste geschwächt und gedemütigt sein, vernichtend geschlagen sind sie beileibe nicht.
Christian Böhme
Warum sollten sich die Machthaber in Teheran von ihrer Taktik des Destabilisierens für immer verabschieden? Weshalb darauf verzichten, ihre islamistische Revolution in die Welt hinauszutragen? Chamenei und seine Getreuen mögen fürs Erste geschwächt und gedemütigt sein, vernichtend geschlagen sind sie beileibe nicht.

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Schon die Bilanz beim Hauptgrund für den Krieg fällt ernüchternd aus. Irans Atomprogramm ist zwar vermutlich um Monate, vielleicht sogar Jahre zurückgeworfen.
Dass es allerdings komplett unschädlich gemacht wurde, darf bezweifelt werden. Auch, wenn der israelische Mossad und die amerikanische CIA das die Welt wissen lassen.
Verhandeln, um Zeit zu schinden
Vielmehr klingen Experten-Berichte plausibel, wonach die Mullahs rund 400 Kilogramm hochangereichertes Uran in Sicherheit haben bringen lassen – neben Zentrifugen eine wichtige Voraussetzung für den Bau einer Nuklearwaffe.
Überhaupt die Bombe. Die Machthaber werden jetzt nichts unversucht lassen, um sie in ihren Besitz zu bringen. Vielleicht lassen sie sich auf Verhandlungen ein, um Zeit zu schinden. Doch an ihren Ambitionen wird das nichts ändern.

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Weil die Angriffe auf die Islamische Republik ihnen drastisch vor Augen geführt haben: Die Feinde haben es nur gewagt, sich gegen uns zu erheben, weil wir noch nicht im Besitz der ultimativen Waffe waren.
Die Herrscher haben ihre Macht behalten
Der Iran wird versuchen, dem Beispiel Nordkoreas zu folgen. Als Nuklearmacht gilt das asiatische Land als unangreifbar. Die Verlockung, auf diesem Weg dem Gegner Angst zu machen, ist einfach zu groß.
Angst ist auch der Kernbestandteil des Mullah-Regimes. Die Führungsclique verfügt weiterhin über alle Machtmittel. Setzt sie ein, um jede Form von Opposition mit Gewalt zu unterdrücken.
Der Iran wird versuchen, dem Beispiel Nordkoreas zu folgen. Als Nuklearmacht gilt das asiatische Land als unangreifbar.
Christian Böhme
Schlimmer als vor dem Krieg sei heute die Lage der Freiheits- und Demokratiebewegung, sagen Aktivisten. Vielleicht war das absehbar. Erschütternd ist es dennoch.
Alles in allem lautet deshalb die Frage: War es das wert? War es in Ordnung, dafür das Völkerrecht zu brechen oder es zumindest zurechtzubiegen?
Ja, werden die Befürworter des Waffengangs sagen. Immerhin sei die Bedrohung durch den „Gottesstaat“ vorläufig gebannt. Vor allem Israel könne, wenn nicht aufatmen, so doch durchatmen.
Genau diese Sichtweise spricht Bände. Denn das heißt im Umkehrschluss: Die vereinbarte Waffenruhe wäre lediglich eine Verschnaufpause, um für den nächsten Schlagabtausch wieder aufzurüsten.
Man kann es auch eine strategische Sackgasse nennen, in die sich Netanjahu mit dem Krieg und dessen etwas unvermittelt wirkenden Ende manövriert hat: Der Nahe Osten wird durch die Maxime „Frieden dank Stärke“ kein beschaulicher Ort, sondern bleibt eine von Kämpfen und Konflikten geprägte Krisenregion.
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