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„Werden ihn übernehmen“: Trump will Gazastreifen unter US-Kontrolle stellen – und zur „Riviera des Nahen Ostens“ machen
Der US-Präsident hatte bereits angekündigt, die Palästinenser aus dem Gazastreifen in arabische Staaten umsiedeln zu wollen. Nun schwadroniert er beim Treffen mit Netanjahu über die Zukunft der Region.
Stand:
Donald Trump ließ die Bombe in Minute sieben seines Eingangsstatements platzen: „Die USA werden den Gazastreifen übernehmen“, sagte der US-Präsident bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, der ein bilaterales Treffen der beiden im Oval Office vorangegangen war.
Im vollgepackten East Room des Weißen Hauses brach nach diesem Satz am Dienstagabend Fassungslosigkeit aus – Journalisten, die sich eigentlich durch Trumps erste Amtszeit abgehärtet gewähnt hatten, starrten sich an und flüsterten sich zu: „Hat er das wirklich gerade gesagt?“
Aber wer noch Zweifel hatte, ob der US-Präsident sich nur versprochen hatte – nach vier Jahren mit Joe Biden sind die Korrespondenten des Weißen Hauses in dieser Hinsicht einiges gewohnt –, der wurde von Trump selbst eines Besseren belehrt.
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Bei mehreren Nachfragen bekräftigte der 78-Jährige, dass er genau das gemeint hatte: Die USA sollen seiner Ansicht nach die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen und das vom Krieg zerstörte palästinensische Küstengebiet wirtschaftlich aufbauen.
Israel hat Gaza als Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 monatelang bombardiert. Die rund zwei Millionen Palästinenser, die dort derzeit noch leben, sollen Trump zufolge erstmal in angrenzenden Ländern wie Ägypten und Jordanien unterkommen.
„Die USA werden den Gazastreifen übernehmen, und wir werden dort ganze Arbeit leisten“, erklärte Trump seinen Plan. Die USA würden unter anderem die Blindgänger nach dem Gaza-Krieg beseitigen, die zerstörten Gebäude abreißen, den Küstenstreifen einebnen und dann eine wirtschaftliche Entwicklung anstoßen, die eine „unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet“ bieten werde. Auch Palästinenser würden dort wohnen.
„Und es wird etwas sein, auf das der gesamte Nahe Osten sehr stolz sein kann“, sagte Trump.
Das ist etwas, das die Geschichte verändern könnte.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
Er habe, behauptete Trump zudem, darüber bereits mit seinen Leuten und führenden Politikern der Region, die diese Idee unterstützten, gesprochen. Netanjahu, der bei den länglichen Ausführungen des US-Präsidenten auch mal ein Grinsen nicht unterdrücken konnte, erweckte den Eindruck, dass dies für ihn tatsächlich eine ernstzunehmende Idee ist.
„Er (Trump) sieht eine andere Zukunft für dieses Stück Land, das der Ursprung von so viel Terrorismus war“, sagte der israelische Premierminister. „Er hat eine andere Idee, und ich denke, sie hat unsere Aufmerksamkeit verdient. Das ist etwas, das die Geschichte verändern könnte.“
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Netanjahu, den der amerikanische Präsident mit dem Spitznamen „Bibi“ ansprach, lobte Trumps Abkehr von „konventionellen Denkweisen“ und seine „frischen Ideen“. Er sagte: „Diese Art zu denken, wird den Nahen Osten verändern und Frieden bringen.“
Wie dieser Frieden indes konkret über den Nahen Osten kommen soll, erklärten die beiden den mehr als 100 Journalisten nicht, die sich in den repräsentativen Raum gezwängt hatten und elektrisiert versuchten, weiterführende Antworten zu erhalten.

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Trump sagte lediglich, die „Menschen der Welt“ würden dann dort leben. Unter Führung der USA könnte der Gazastreifen zu einer „Riviera des Nahen Ostens“ werden. Ihm schwebe eine langfristige Eigentümerposition (engl. „ownership position“) vor, „was große Stabilität für diesen Teil des Nahen Ostens“ bedeuten würde.
„Wir haben die Möglichkeit, etwas zu tun, das phänomenal sein könnte“, so Trump weiter. „Das könnte etwas sein, das so großartig sein könnte.“
Und er fügte hinzu, das werde auch für die Palästinenser „wunderbar“ sein. Sein Vizepräsident J.D. Vance, der Beauftragte für die Region, Steve Witkoff, Sicherheitsberater Mike Waltz und Verteidigungsminister Pete Hegseth, die sich alle für die Pressekonferenz eingefunden hatten, klatschten zustimmend.
Bemerkenswert war, dass Trump seine Aussagen mit jedem Pressetermin am Dienstag verschärft hatte. Wenige Stunden vor der Pressekonferenz hatte er schon Aufregung verursacht, als er erklärte, die Palästinenser aus dem Gazastreifen dauerhaft in Nachbarländer umzusiedeln, und die Enklave, in der die erste Phase eines fragilen Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas in Kraft ist, als „Abrissgebiet“ bezeichnete.
Umgehende Kritik aus dem Nahen Osten
Die Antwort aus dem Nahen Osten indes ließ nicht lange auf sich warten: Saudi-Arabien ließ über seinen Außenminister bekräftigen, dass die Position zur Gründung eines palästinensischen Staates unerschütterlich sei – da war es vier Uhr morgens in der saudischen Hauptstadt Riad. Auch die Nachbarländer Ägypten und Jordanien äußerten sich ablehnend gegenüber Trumps Ankündigungen.
Der Gazastreifen wird derzeit von 146 Staaten als souveräne Nation anerkannt. Das Gebiet wird offiziell durch die palästinensische Autonomiebehörde verwaltet, steht aber seit 2007 unter der Verwaltung der Terrororganisation Hamas und wird von den Islamisten autoritär regiert. Israel kontrolliert die Außengrenzen des Gazastreifens an drei Seiten, die vierte wird von Ägypten beaufsichtigt.
Ersten Reaktionen aus Washington war ebenfalls anzumerken, welche Schockwellen Trumps neuester Stunt auslöste. Der demokratische Senator Chris Coons sagte zu Journalisten: „Sie können berichten, dass ich sprachlos war.“
Coons fügte hinzu: „Das ist Wahnsinn. Ich kann mir keinen Ort auf der Welt vorstellen, an dem amerikanische Truppen weniger willkommen wären und an dem ein positives Ergebnis weniger wahrscheinlich ist.“
Der Krisenanalyst Ian Bremmer erklärte in einer ersten Reaktion: „Die Übernahme des Gazastreifens erscheint fast so dumm wie ein zwanzigjähriger Krieg in Afghanistan.“
Im Wahlkampf übten arabischstämmige Amerikaner nur Druck auf Biden aus
Draußen, in sicherer Entfernung von dem weiträumig abgesperrten Weißen Haus, schworen Demonstranten, den Gazastreifen zu verteidigen – nicht nur gegen die Israelis, sondern auch gegen die USA.
Allerdings wird so manchem Beobachter auch der Gedanke gekommen sein, wie sehr sich nun rächen könnte, dass arabischstämmige Amerikaner im Wahlkampf immer nur gegen den Demokraten Joe Biden und dessen vermeintlich zu nachgiebige Haltung gegenüber Israel demonstriert hatten. In Trumps Nahost-Politik spielen die Anliegen der Palästinenser kaum eine Rolle.
Netanjahus Worte zu Beginn der Pressekonferenz sprachen Bände über seine politischen Präferenzen: Er fühle sich geehrt, als erster ausländischer Staatsgast das Weiße Haus von Trump besuchen zu dürfen, sagt er.
„Dies ist ein Beweis für Ihre Freundschaft und Ihre Unterstützung für den jüdischen Staat und das jüdische Volk. Ich habe das schon einmal gesagt. Ich werde es noch einmal sagen. Sie sind der beste Freund, den Israel je im Weißen Haus hatte.“
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