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Aus der Serie „Man of War“ der kuwaitischen Künstlerin Monira Al Qadiri.

© Monira Al Qadiri Man of War, 2023 Foto: Georg Stirnweiss

Die Ausstellung „Gläsern“ in Schloss Biesdorf: Zerbrechliche Schönheiten zwischen Glück und Grusel

Ob gemalt oder geblasen: Das Material Glas eröffnet zahlreiche Bezüge zu Technologie, Sternenhimmel und Daten-Kraken. Eine Ausstellung mit Durchblick.

Stand:

Ein Smartphone schiebt sich diagonal in die ovale Scheibe der Flugzeugluke. Irritierend ist nur der komplett transparente Bildschirm, der das Fensterglas überlagert. Dahinter taucht ein irisierender Himmel vom zartrosa Morgen bis zum grünen Sternenleuchten der Nacht auf.

Im Seriellen offenbart sich die ganze Absurdität von Tilman Hornigs Fotografie-Zyklus „GlassPhone (Stille Nacht)“. Die Hand hält das gläserne Objekt so konzentriert, dass wir einen Blick assoziieren – obwohl der Kopf außerhalb der Fotografie angesiedelt ist – und die typischen Handlungen mit solch einem Gerät.

Die Körperhaltung, respektive was wir im Anschnitt davon sehen, suggeriert Ernsthaftigkeit und das durchscheinende Smartphone Science-Fiction-Grusel. Wie gestaltet sich unsere Realität, wenn Bilder, Texte und Nachrichten nur noch im Kopf des Betrachtenden stattfinden? Ohne physische Endgeräte, gesteuert von winzigen Chips als Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer, dem sogenannten Brain-Computer-Interface, dessen Forschung am Menschen bereits auf Hochtouren läuft.

Tilman Hornigs „GlassPhone (Stille Nacht 14)“ stiftet Verwirrung.

© Tilman Hornig GlassPhone (Stille Nacht 14), 2020 © Tilman Hornig / VG Bild-Kunst, Bonn, 2025

Einst stand „Der gläserne Mensch“, 1930 im Deutschen Hygiene-Museum entwickelt, für Anschauung, Aufklärung und Erkenntnis. Angesichts von Neurotechnologie und digitalen Daten-Kraken hat sich sein Symbolgehalt gewandelt. Der Mensch ist vor allem die Summe seiner Datenspuren, nahezu flächendeckend durchleuchtet, vermessen und manipulierbar - während in den USA Staat und Tech-Plutokraten unheilvolle Allianzen schmieden.

Da ist der Blick auf das Gläserne in der Kunst durchaus erbaulich. Die Ausstellung „Gläsern forms of uncontrolled control“ rückt unsere Wahrnehmung auf vielfältige Aspekte zu Glas als Medium und Metapher und eröffnet erhellende Denkanstöße.

Kelche und Vasen, rhythmisch auf Sockeln arrangiert, legen den Blick auf ein stilvolles Ambiente frei. Ina Bierstedts expressiver Duktus erzeugt eine Dynamik, die über das Sichtbare in „Christians Salon“ hinausweist und als Projektionsfläche lockt. Geschichte und Geschichten, Persönliches und Historisches sind zu einer kraftvollen Malerei verdichtet, die die Schichten der Zeit in intensiven Farben vibrieren lässt und zugleich das Zarte und Zerbrechliche des Materials anstimmt.

René Wirths ist ist ebenfalls Maler, nähert sich dem Gläsernen aber von der kontrapunktischen Seite. Im ersten Moment wirken seine Bilder wie hyperrealistisch gemalte Blow-ups alltäglicher Gegenstände. Mit beeindruckender Präzision verleiht Wirths den überdimensionierten Motiven eine ebenso sinnliche wie unheimliche Präsenz. Die Trinkgläser oder Glühbirnen entlehnt der 1967 geborene Künstler keiner fotografischen Vorlage, sondern malt nach realen, dreidimensionalen Originalen.

Geschickt verteilt Kurator Harald F. Theiss die Kunstwerke von Bierstedt oder Wirths über diverse Räume im Schloss Biesdorf, setzt sie in Bezug zu luziden Farbspielen der in Südkorea geborenen Sunah Choi oder den konstruktiven Abstraktionen von Isa Melsheimer. Die Künstlerin untersucht die skulpturalen Qualitäten von Glas und verweist zugleich auf die Visionen einer gläsernen Architektur der Moderne.

Kai Schiemenz’ zwischen Opazität und Transparenz changierende Skulpturen treffen auf Marcel Buehlers Lichtkästen mit Schriftbildern hintersinniger Wortspiele oder auf Christian Niccolis filmische Parabel „Sprachlos“ über die Folgen von Machtspielen. Das im Video umkämpfte Aquarium, Symbol für die Welt als gläsernem Spielball, gleitet den anonymen Figuren am Ende aus den Händen und fällt beunruhigend lautlos zu Boden.

Eigene Räume sind den Installationen des Kolumbianers Roberto Uribe Castro gewidmet oder der kuwaitischen Künstlerin Monira Al Qadiri, die mit ihrer kunstvoll gearbeiteten Werkserie „Man of War“ unsere Vorstellung einer singulären Identität hinterfragt.

Blick in die Ausstellung mit Skulpturen von Isa Melsheimer und Werken von Kai Schiemenz (links) und Julius Weiland an der Wand.

© G L Ä S E R N – forms of uncontrolled control Ausstellungsansicht, Schloss Biesdorf © Schloss Biesdorf und Birgitta Schmidt,

Die gelungene Ausstellungskomposition schafft spannende Blickachsen sowie Gespräche der Kunstwerke untereinander und lohnt den Ausflug ins Schloss Biesdorf unbedingt.

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