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Obst in einer Berliner Grundschule.

© Kitty Kleist-Heinrich TSP

Käsebrötchen oder Hummus?: Wenn die Lehrerin zum Kulturfrühstück bittet

In ihrer Grundschule erlebte unsere Schlamasseltov-Kolumnistin das Konzept „Kulturfrühstück“, das die Schülerinnen und Schüler anhand von Klischee-Vorstellungen sortierte. Eine fragwürdige Praxis.

Debora Antmann
Eine Kolumne von Debora Antmann

Stand:

In meiner Kreuzberger Grundschule waren die Lehrer*innen besessen von dem Konzept „Kulturfrühstück“. Einmal im Jahr sollten alle Kinder für ein gemeinsames Frühstück Gerichte aus ihrer „Kultur“ mitbringen und mit allen teilen.

Die deutschen, christlich sozialisierten Kinder durften Schrippen, Käse oder Butter mitbringen. Von uns „kulturell vielfältigen“ Kindern wurde da schon etwas Extravaganteres erwartet. Die Kinder mit türkischen Wurzeln sollten Börek, Simits, Açma oder Oliven mitbringen.

Die „arabischen“ Kinder wurden einfach alle über einen Kamm geschoren – egal, ob Libanon, Syrien, Irak oder Palästina. Von ihnen wollte man gerne „diese süßen klebrigen Ringel“, ich vermute, es war Mshabak gemeint, Manakish oder „eine Suppe“. Für die Kinder aus der Roma-Community wurden erst gar keine Vorschläge gemacht. Stattdessen wurde nur darauf hingewiesen, dass ihren Eltern schon was einfallen würde.

Mal ganz abgesehen vom massiven Preisunterschied zwischen einer Packung Käse oder einem Stück Butter auf der einen Seite und Oliven oder Mshabak auf der anderen, ist auch der erwartete Aufwand ein ganz anderer. Da sollen mal so eben für die ganze Klasse Suppe gekocht oder Manakish besorgt werden.

Gewürzgurken oder Geflügelleberwurst

Ich bin keine große Freundin von „Kulturfrühstücken“. Sie sind kulturalisierend vom Feinsten. Die Lehrerin plant also, wer was für das diesjährige „Weltenfrühstück“, wie es bei uns hieß, mitbringt. Es ist mein erstes, ich bin neu in der Klasse, und meine Lehrerin fragt, was ich mitbringen könnte. Mein naiver Vorschlag: Erdbeermarmelade.

Meine Lehrerin protestiert: Ich müsse schon „was Jüdisches“ mitbringen. Sie schlägt Hummus vor. Zuhause ist man nicht sehr begeistert. Hummus war damals nicht im Supermarkt zu bekommen und vor allem sauteuer. Ich bettele und bitte, schließlich hat die Lehrerin gesagt, ich soll es mitbringen. Und ich will ja eine gute und vorbildliche Jüdin sein.

Heute denke ich: Wäre es wirklich um „meine Kultur“ gegangen, hätte ich als brave aschkenasische Jüdin eigentlich Kartoffeln, Gewürzgurken oder Geflügelleberwurst mitbringen müssen. Ich glaube, meine Lehrerin wäre enttäuscht gewesen.

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