
© ORF/Petro Domenigg
So gut ist der Wiener „Tatort“: „Hinter wem sind wir eigentlich wirklich her?“
Querdenker? QAnon? Esoteriker? Empörungsnudeln? Egal. Der Wiener „Tatort“ dreht am ganz großen Verschwörungsrad und stürzt Europa fast in die Apokalypse.
Stand:
In der Wiener Innenstadt herrscht Aufruhr: Ein wütender Protestzug möchte das Regierungsviertel stürmen, ein Demonstrant bleibt tot auf der Straße liegen: Jakob Volkmann, ein Teilnehmer aus vorderster Reihe. War das Polizeigewalt? Major Bibi Fellner und Kollege Moritz Eisner übernehmen diesmal besonders heikle Mordermittlungen: „Tatort: Wir sind nicht zu fassen!“ (Sonntag, ARD, 20:15 Uhr).
Während die Einsatzleitung die harte Räumung verteidigt, wächst in den sozialen Medien die Wut auf die Polizei. Ist ein Schlagstock die Ursache für den Tod des Systemkritikers? Oder ist die Schar der Tausende von Demonstranten und Staatsgegner gar nicht so homogen? Wer kocht da sein Süppchen und unterwandert die Demos? Wer ist hier nicht zu fassen?
Als ein Anschlag auf die BKA-Ermittlerin Meret Schande verübt wird, wird die Sache noch unübersichtlicher. Eine Spur führt zur militanten Untergrundgruppe Kapo (Kampfbereite Außerparlamentarische Opposition), die „das System“ stürzen möchte.
Das Demo-Opfer gehörte der Kapo ebenso an wie die Aktivistin Katja Ralko, Volkmanns schwangere Freundin, die Staat und Polizei verachtet. Als Fellner (Adele Neuhauser) und Eisner (Harald Krassnitzer) dahinterkommen, wer und was hinter der Gewalteskalation steckt, fällt nicht nur auf ihre Polizei-Kollegen ein Verdacht. Da ist was faul im Staate Österreich.
Das ist Freiheit: Wenn Ihr Eure vertrottelten Slogans auf der Straße singt?
Nora Volkmann (Daniela Gaets) zu ihrem Sohn Jakob, einem Systemkritiker
Starker Tobak. Da hat sich ein „Tatort“ mal ganz weit aus dem Fenster gelehnt (Buch und Regie: Rupert Henning) und dreht am großen Verschwörungsrad. Studien besagen ja, dass ein Drittel der Bevölkerung zumindest teilweise an Verschwörungstheorien glaubt. Querdenker? QAnon? Esoteriker? Alles kommt hier auf die Wiener Straße, ins Visier der Ermittler und wird auch gerne mal als „Empörungsnudeln“ zusammen gefasst.
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Bei Eisner und Fellner in Wien geht es öfters um mehr als um Eifersucht und Habgier, aber dieser Ösi-„Tatort“ treibt es politisch-thematisch auf die Spitze: Vormarsch der Rechtspopulisten, Donald Trump und die Gefahr der Autokratie, verwischte Grenzen von rechtem und linken Lager, Auflösungserscheinungen der Demokratie, die weit über Österreich hinausgehen und Harald Krassnitzer an alte Krisenzeiten wie die Weimarer Republik erinnern.

© ORF/Petro Domenigg
Das ist mutig. Das ist bigger than life. Das ist Europa kurz vor der Apokalypse. Da wird sogar Joseph Goebbels zitiert. Wow.
Das ist aber auch – sehr thesenartig und erklärungsbedürftig. Die Protagonisten sind mehr damit beschäftigt, Politparolen von sich zu geben, als verdächtig zu erscheinen. Als Polit-Thriller mit Verschwörungs-Manifest, Regierung im Ausnahmezustand, Straßenschlachten, Hubschraubern im Laserpointer und dubioser feiner Gesellschaft ganz weit oben funktioniert das gut, die Krimispannung bleibt etwas auf der Strecke.
Eine 2+ aber für die hehren Ambitionen. Der „Tatort“ gibt ja im Titel doppeldeutig die resignative Richtung vor: Wir sind nicht zu fassen! Was das „Wir“ eint, ist ein großes Nein zu staatlicher Bevormundung. Da reicht es kaum aus, einen Mörder zu finden.
Bleibt für Moritz Eisner und Bibi Fellner am Ende die alles entscheidende Frage: „All die Leute, die da gegen den Staat spazieren gehen – hinter wem sind wir eigentlich wirklich her?“
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