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„Wallace & Gromit: Vergeltung mit Flügeln“: Invasion der Roboter-Gartenzwerge
Bei Aardman trotzt man weiter der Disneyfizierung des Animationsfilms. Im neuen Abenteuer von Wallace und Gromit klingt sogar eine gewisse Technikskepsis an.
Stand:
Die Zeit ist an Wallace und Gromit spurlos vorübergegangen, was bei Animationsfiguren – selbst 20 Jahre nach ihrem letzten Kinoauftritt – nicht unbedingt überrascht. Die eigentlich gute Nachricht zu „Wallace & Gromit: Vergeltung mit Flügeln“, dem zweiten Langfilmabenteuer des kauzigen Gespanns aus der englischen Grafschaft Lancashire, ist vielmehr, dass die jüngste Handarbeit aus dem Studio Aardman die Errungenschaften der modernen Animationstechniken weiterhin (nahezu) komplett ignoriert.
Vor knapp zwanzig Jahren hatte man sich für „Wallace & Gromit – Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen“ kurzzeitig in die Fänge von Hollywood begeben, die Zusammenarbeit mit dem Studio Dreamworks wurde nach dem Flop „Flutsch und weg“ aber schnell wieder beendet.
Seitdem leben der Erfinder Wallace und sein Beagle Gromit unbehelligt in der 62 West Wallaby Street. Und bei Aardman werkelte man weiter an seinen Knetfiguren herum, alle paar Jahre kam ein Film mit Shaun dem Schaf oder dem Gockel Rocky und der in jeder Hinsicht gewandteren Henne Ginger heraus.
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„Wallace & Gromit: Vergeltung mit Flügeln“ erinnert jetzt noch einmal daran, dass technische (oder gar erzählerische) Innovation nie höchste Priorität im Haus Aardman besaß. Auch gar nicht nötig war. In der Welt von Wallace und Gromit können sich problemlos (erwachsene) Menschen wiederfinden, die sich noch die 20. Staffel der britischen Provinzkrimiserie „Inspector Barnaby“ ansehen – oder Fans der BBC-Sitcom „Detectorists“ über zwei verschrobene Metalldetektor-Sucher im Hinterland von Exeter.
Bei Kindern gehen – trotz „Minions“ (sozusagen die Schwundstufe der Buster-Keaton-Komik von Wallace-Sidekick Gromit) und „Paw Patrol“ – Gimmicks wie Roboterhosen oder eine Armada von fehlprogrammierten Gartenzwergen sowieso immer.
Technische Revolution im Smarthome
Das in seinem Wesen (zumindest aus Hunde-Perspektive) technikskeptische Weltbild der „Wallce und Gromit“-Filme ist stets eine Erfindung von einer technologischen Revolution entfernt. Am Ende ist die Ordnung aber wiederhergestellt, solange nur der Toast mit Marmelade per Katapult eine Punktlandung auf dem Frühstückstisch des Hausherrn macht. Mehr Disruption ist nicht drin. Elon Musk wäre vermutlich kein Fan.
Der „Norbot“ ist der jüngste Versuch von Wallace, das rustikale Eigenheim in eine Art Smarthome zu verwandeln. Der programmierte Helfer soll Gromit die Gartenarbeit erleichtern, mit der der schweigende Vierbeiner seine Idee eines pastoralen Englands hegt und pflegt.
Doch die gut gemeinte Erfindung geht nach hinten los, der erste Einsatz des Roboter-Gartenzwergs erweist sich als Katastrophe: Die mit liebevoller Handarbeit gepflegten Hecken werden zu geometrischen Monstrositäten gestutzt, die Blumenbeete komplett rasiert.
Weil sich die Radikalwildwuchsmaniküre durch Roboterhand in der Nachbarschaft aber als durchschlagender Erfolg entpuppt, steht bald das Lokalfernsehen im Garten des Duos mit der asymmetrischen Paardynamik. Durch die ungewollte Öffentlichkeit wird aber auch, gefangen im örtlichen Zoo, ein ominöser Charakter aus der Vergangenheit von Wallace und Gromit auf die beiden aufmerksam.

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Feathers McGraw, der sinistre Pinguin mit den seelenlosen kohlrabenschwarzen Augen, Widersacher aus „Wallace & Gromit – Die Techno-Hose“ (1993), hat noch eine Rechnung mit den Helden wider Willen offen. Aus seinem „Gefängnis“ heraus reprogrammiert er via Computer den „Norbot“, um einen Schwarm von Roboter-Gartenzwergen zu bauen, die auf seinen Befehl hören. Sie sollen ihm beim Ausbruch aus dem Zoo helfen.
Aardman-Gründer Nick Park und Claymation-Experte Merlin Crossingham bleiben in „Vergeltung mit Flügeln“ – das englische WortspielVengeance Most Fowl verpufft in der deutschen Übersetzung wirkungslos – dem Erfolgsrezept der „Wallace & Gromit“-Filme treu. Gelegentlich, speziell beim Showdown auf einem Viadukt, der die „Mission Impossible“-Filme zitiert, glätten sie ihre Knet-Animationen mit ein paar computergenerierten Effekten.
Die handgemachte Anmutung ihrer Figuren (die staksigen Bewegungen, maulsperrenartig-offenen Münder, das stoische Minenspiel) evoziert aber, anders als bei Disney, keine Nostalgie. Noch appellieren die Geschichten, wie etwa diverse Lego-Kinofilme, in jeder Szene an die Kaufkraft der Eltern.
Aardman-Geschichten zeichnet eine gänzlich unzynische, fast aus der Zeit gefallene Naivität aus, die immer ein wenig selbstgenügsam wirkt. Das allerdings ist – in einer Ära, in der jedes Franchise zu einem eigenen cinematic universe expandiert – vielleicht nicht das Schlechteste. Geopolitisch mag das gerade eine allzu populistische Einstellung sein. Aber im Kino ist es manchmal von Vorteil, wenn die filmische Welt am Gartentor endet.
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