zum Hauptinhalt
Kabinetts-Kollegen: Christian Lindner (FDP, l) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen).

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Bewegung beim Heizungsgesetz: Warum nicht gleich so, Herr Habeck?

Wirtschaftsminister Habeck bessert bei seinem Prestigeprojekt nach und zeigt Pragmatismus. Nun ist es an Finanzminister Lindner, aus staatspolitischer Verantwortung einzulenken.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

| Update:

„Offensichtlichen Nachbesserungsbedarf“ sieht Robert Habeck beim Gebäudeenergiegesetz. „Besser machen“ will der Wirtschafts- und Klimaschutzminister den Entwurf zum sogenannten Heizungsgesetz. Der Umstieg auf das Heizen mit erneuerbaren Energien soll „pragmatisch funktionieren“, sagt der Vizekanzler.

Das kommt sehr, sehr spät. An mehreren Stellen will Habeck nun seinen eigenen Gesetzentwurf entschärfen. Dies ist ein großer Schwenk, fast eine 180-Grad-Wende. Das gilt etwa für den Plan, ab 2024 jede neu eingebaute Heizung mindestens zu 65 Prozent mit grüner Energie zu betreiben. Bisher bezieht sich das auf alle Gebäudearten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Das kann man“, sagt Habeck, „ein Stück weit entzerren“. Die bisher strikte, allgemeine Vorschrift soll nun nur für geplante Neubauten gelten. Also: Mehr Zeit für den Bestand. Habeck ­will weitere Technologien ermöglichen, etwa Holz(-Pellets), eine „Fernwärmeoffensive“ starten. Außerdem plädiert er für mehr soziale Härtefallregeln.

Habeck macht aus der Not eine Tugend

So viel Bewegung war selten. Habeck macht aus der Not eine Tugend: Da der Bundestag durch die Blockade der FDP das Heizungsgesetz noch nicht formal beraten kann, lenkt der Minister bereits vor dem parlamentarischen Verfahren ein - und schafft damit Fakten.

Doch nur unter erheblichem Druck findet Robert Habeck, der Mann, der einst so lange erfolgreich die politische Mitte umwarb, zu sich selbst zurück. In den letzten Monaten ließ sich Habeck leiten vom Dogmatismus seines Staatssekretärs Patrick Graichen. Akzeptanz des Heizungsgesetzes im Volk? Darum scherte sich das Habeck-Ministerium lange kaum.  

Abseits der Alternativlos-Logik

Nun wirkt es so, als habe sich Habeck mit der Trennung von Graichen sogleich von dessen Kompromisslosigkeit und Alternativlos-Logik befreit. Das geschieht nach einer langen Phase der Uneinsichtigkeit, während ein großer Teil der Bevölkerung verunsichert wurde und die Regierung stritt. Nach dem Schwenk des Vizekanzlers drängt sich die Frage auf: Warum nicht gleich so, Herr Habeck?

Am Dienstagabend lud Habeck die zuständigen Berichterstatter der Ampel-Fraktionen zu einem Treffen ein, hier sollten 77 Fragen der FDP geklärt werden. „Es war ein konstruktives, fachliches Gespräch, das hoffentlich hilft, Fragen zu klären“, sagte eine Sprecherin im Anschluss. „Wir werden den Berichterstattern die Fragen noch zusätzlich schriftlich beantworten.“

Das ist erst der Auftakt zu etlichen Gesprächen. Habecks Ziel sei, heißt es in der Regierung, das Gesetz besser zu machen und auszuloten, wo Verbesserungen sinnvoll und machbar seien.

„Atombombe für unser Land“

Mit seinen Angeboten setzt Habeck nun jene Partei unter Druck, die den Minister in den vergangenen Monaten kräftig vor sich hergetrieben hat: die FDP. Die Liberalen haben in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit verpasst, das Heizungsgesetz und dessen schwere Mängel zu skandalisieren. Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler sprach gar von einer „Atombombe für unser Land“.  

Der einstige „Euro-Rebell“ Schäffler tönte noch am Dienstag im Deutschlandfunk, Habeck wolle das „Gesetz im Schweinsgalopp durchs Parlament führen, und das wird es mit der FDP nicht geben“. Künftig müssten „Mieter plötzlich 100, 200 Euro mehr Miete bezahlen, nur weil Herr Habeck seinen Willen durchsetzen will“.

Wo ist der FDP-Parteichef?  

Wenn die FDP schon ihr Herz für die Mieter entdeckt, muss die Not groß sein. Schäfflers Rhetorik offenbart Bewegungsunfähigkeit in einer Phase der Bewegung. Was sagen die für die Wärmewende zuständigen FDP-Fachpolitiker zu diesem Verbalradikalismus? Und wo ist der FDP-Parteichef?  

FDP und Grüne unterscheidet in dieser Koalition viel, programmatisch wie machtpolitisch. Bei den Grünen ist die Führungsfrage mit zwei Partei- und zwei Fraktionsvorsitzenden, Habeck und Außenminister Annalena Baerbock ungeklärt. Die FDP hingegen besitzt ein klares Machtzentrum: Christian Lindner.

Dessen Widersacher Habeck hat sich beim Heizungsgesetz bewegt – Richtung Pragmatismus, Richtung FDP und SPD. Nun sollte der FDP-Chef und Finanzminister seinen Teil leisten, um den Koalitionskrach zu beenden. Oder will sich Lindner in Sachen Pragmatismus ausgerechnet von Robert Habeck überbieten lassen?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false