
© Courtesy of the artist and ARTEFACT Gallery
Monster und Mythen: Der junge Künstler Linus Beckmann zeigt seine Gemälde
Im Berliner Projektraum Artefact ist man offen für neue, spannende Positionen. Die Malerei des Akademie-Studenten Linus Beckmann gehört auf jeden Fall dazu.
Stand:
Blut spritzt, die Szene ist voller Gewalt. Sie stammt aber nicht aus einem „Ego-Shooter“-Videospiel, wie man es bei einem jungen Maler wie Linus Beckmann vermuten könnte. Beckmann, noch im Studium an der Universität der Künste, hat die Geschichte von Holofernes in der Bibel gefunden.
Auch damals gab es Grausamkeiten, das Alte Testament ist voll davon. Zur Abschreckung und manchmal vielleicht als Exempel dafür, dass der Stärkere nicht automatisch siegt.
Holofernes war ein tyrannischer Feldherr, der die Staaten des Mittelmeers unterwerfen wollte. Judith geht dazwischen, als Frau setzt sie auf die Schwäche des Feldherrn und Holofernes’ Wunsch nach Sex. Doch so weit kommt es nicht: Judith verspricht ihm Verführung und nimmt seinen Kopf. Die Kunstgeschichte liebt das Motiv, Artemisia Gentileschi hat es im 17. Jahrhundert ebenso gemalt wie der barocke Starkünstler Caravaggio.
Ein Hund hat Blut geleckt
Keine einfache Ahnengalerie, in die Linus Beckmann sich mit seinem großformatigen Motiv einreiht. Zumal Judiths Mittel aus feministischer Perspektive ziemlich aus der Zeit gefallen scheinen. Trotzdem war Beckmann fasziniert von den malerischen Umsetzungen seiner Vorgänger, er hat ihr Bildpersonal, die Dramatik des Moments der Enthauptung und diverse andere Versatzstücke übernommen – und etwas anderes daraus gemacht.
Seine Fassung im Berliner Projektraum Artefact, die dem Künstler eine Soloschau ermöglicht, abstrahiert die Szene und streut diverse Elemente von gezeichneten Comics ein.
Manche Details werden eliminiert, andere überbetont: Köpfe fehlen, das Blut wirkt wie eingefroren und der kleine Hund, der in den historischen Bildern als Randfigur auftaucht, rückt in den Mittelpunkt.
Ästhetik der Marvel-Comics
Ein Bild voller Anspielungen, Marvel-Ästhetik – man schaue sich bloß die Füße des toten Holofernes an – und traumhafter Sequenzen. Dass er eine „märchenhafte Stimmung“ zu kreieren versuche, ein von „Monstern und mythischen Wesen“ bevölkertes Universum, hat Beckmann der Online-Plattform Eyte erzählt, die explizit studentische Kunst ausstellt und verkauft.
Seine Bilder real zu sehen wie nun in der Ausstellung „Das große Ermatten“ wird ihnen allerdings weitaus gerechter: Beckmanns Bilder sind trotz der Comic-Spuren ungemein sensibel. Unter vielfachen Lasuren schimmern diverse Farben durch, manche Partien wirken plastisch, die grauenhafte Szenerie gerät zum surrealen Tableau.
Eine Möglichkeit der Fantasie zur Flucht in hyperrationalen Zeiten nennt der Künstler seine Sujets und ist offenbar nicht der Einzige, der so denkt: Die Schau ist nahezu ausverkauft.
Artefact, wo bereits einige Ausstellungen mit jungen Absolventen der Berliner Akademien stattgefunden haben, beweist Gespür für kommende Talente.
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