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02.11.2024, Niedersachsen, Gifhorn: Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, spricht beim Landesparteitag in der Stadthalle Gifhorn.

© dpa/Michael Matthey

„Als würde man einem Auffahrunfall zuschauen“: SPD und Grüne reagieren genervt auf Lindners Forderungen und Ampel-Streit

Der Finanzminister skizziert Maßnahmen für eine Wirtschaftswende. In der Ampel sind die nicht umzusetzen, sagen die SPD-Vorsitzenden. Von den Grünen kommt Kritik an Sozialdemokraten und Liberalen.

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Die SPD-Bundesvorsitzenden haben die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geforderten Maßnahmen für eine Wirtschaftswende zurückgewiesen. „Durch die Bank sind diese Punkte, die er dort aufgezählt hat, in der Koalition nicht zu verwirklichen“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Rande einer SPD-Dialogveranstaltung in Hamburg. Auch der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil lehnte die Ideen des FDP-Politikers ab.

Esken sagte, Lindner habe in seinem Grundsatzpapier nur die Position der FDP deutlich gemacht – „nicht innerhalb der Koalition, sondern im Allgemeinen.“ Auf die Regierungsarbeit der Ampel werde das Papier keinen Einfluss haben. „Die Motivation ist möglicherweise da, aber es wird nicht gelingen“, sagte Esken.

SPD will „alte Vorschläge“ Lindners nicht mitmachen

SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, jeder habe das Recht, Vorschläge zu machen, wie man Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Stärke Deutschlands sichere. Das habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auch mit seinem Wirtschaftspapier gemacht. „Jetzt hat Christian Lindner das gestern auch gemacht und das ist völlig in Ordnung“, sagte Klingbeil.

Lindner wisse aber auch, dass Vorschläge nicht die Lösung für die wirtschaftlichen Probleme sein könnten, bei denen es darum gehe, „die Reichen werden jetzt reicher“ und die arbeitende Mitte solle weniger Lohn haben, länger arbeiten und später weniger Rente bekommen. „Das wird die SPD an keiner Stelle mitmachen“, sagte Klingbeil.

Lindner wünscht sich eine „Wirtschaftswende“

In Lindners Papier wird eine „Wirtschaftswende“ gefordert mit einer „teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen“. So wird etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik gefordert. Deutschland brauche eine Neuausrichtung seiner Wirtschaftspolitik, so Lindner. Damit distanzierte sich der Minister von Teilen der bisherigen Ampel-Politik. Zuvor hatten SPD und Grüne eigene Pläne für die Wirtschaftspolitik vorgelegt.

Grünen-Fraktionschefin sieht „Auffahrunfall“

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hat den Ampel-Partnern mangelnden Teamgeist vorgeworfen. „Jeder möchte sein Ding irgendwie allein machen, keiner will mit dem anderen zusammen“, sagte Dröge mit Blick auf das Vorgehen von SPD und FPD etwa in der Wirtschaftspolitik. „Auch ich sitze dann zu Hause vor dem Fernseher und denke, es ist so, als würde man einem Auffahrunfall zuschauen“, so die Grünen-Politikerin bei einer Landesdelegiertenkonferenz im niedersächsischen Gifhorn.

Dennoch mache es für die Grünen sehr viel Sinn, in dieser Bundesregierung zu sein. Zu Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der Ampel-Koalition sagte die Fraktionschefin im Bundestag: „Ich finde, wir haben eine Verantwortung. Wenn man von den Wählern den Auftrag bekommt, eine Regierung zu bilden, dann sollte man das auch vier Jahre tun.“ Die Grünen werben ihr zufolge dafür, dass die Regierung Bestand hat.

Lindner-Berater: SPD und Grüne müssen weit auf FDP zugehen

Der persönliche Berater von Bundesfinanzminister Christian Lindner, Lars Feld, hält den Fortbestand der Ampel-Koalition für möglich, sofern SPD und Grüne dem FDP-Chef in der Wirtschaftspolitik in weiten Teilen folgen. „Wenn SPD und Grüne ihm dabei weit genug entgegenkommen, muss die Koalition nicht platzen“, sagte der Wirtschaftsprofessor dem „Handelsblatt“. Vor allem in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Klimapolitik müssten die Koalitionspartner auf die FDP zugehen.

Lindner hatte den früheren Wirtschaftsweisen Feld 2022 zu seinem „Persönlichen Beauftragten“ für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ernannt. Feld ist dabei ehrenamtlich tätig.

„Er muss viele Punkte, aber nicht jeden Punkt durchsetzen“, sagte Feld über Lindners Vorstellungen. Er verwies darauf, dass der FDP-Chef immer verhandlungsbereit gewesen und dies auch diesmal sei.

Die FDP ist in einem Dilemma“, sagte Feld angesichts von Diskussionen über ein vorzeitiges Scheitern der Koalition. Mit einem vorzeitigen Ende riskiere die FDP, bei vorgezogenen Neuwahlen an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. „Trägt die FDP aber über Monate bis zum regulären Wahltermin im September 2025 eine falsche Wirtschaftspolitik mit, dann werden die Umfragewerte der FDP nicht besser aussehen und sie wird erst recht aus dem Bundestag fliegen. Daher muss sich jetzt etwas ändern“, sagte Feld. (dpa)

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