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Der Anschlag in Magdeburg.

© REUTERS/Christian Mang

Update

Auto rast in Weihnachtsmarkt: Was wir über die Attacke in Magdeburg wissen

Der Fahrer eines Pkw steuert auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt in eine Menschenmenge. Es gibt Tote und zahlreiche Verletzte. Der Täter soll ein aus Saudi-Arabien stammender Arzt sein.

Dutzende Verletzte und mindestens fünf Tote – das ist die erste Schreckensbilanz des Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg am Freitagabend. Doch was genau ist passiert? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist geschehen?

Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist um kurz nach 19 Uhr ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. Ein Video, das im Internet kursiert, zeigt, wie der Wagen zwischen den Ständen des Weihnachtsmarkts durch die Menge der Besucher rast und den Markt danach wieder verlässt. Der Täter sei „mindestens 400 Meter über den Weihnachtsmarkt“ gefahren, sagte Stadtsprecher Michael Reif.

Eine Augenzeugin berichtete der „Magdeburger Volksstimme“, dass der Täter in den Märchen-Bereich des Weihnachtsmarktes gefahren sei. Ein Ort, an dem viele Familien unterwegs gewesen seien. 

Der Magdeburger Weihnachtsmarkt befindet sich auf dem Alten Markt, direkt am Magdeburger Rathaus in der Nähe der Elbe. In der Nähe des Weihnachtsmarkts liegt ein großes Einkaufszentrum. Auf der Plattform X waren am Abend Videos zu sehen, in denen zahlreiche Einsatzfahrzeuge zu sehen waren.

Was ist Genaueres zu den Opferzahlen bekannt?

Die bisherigen Opferangaben der Polizei sind noch nicht vollständig und dürften deutlich höher liegen. Bisher sind fünf Tote bestätigt, darunter ein Kleinkind. Verletzt wurden über 200 Menschen, davon fast 40 schwer.

Einige Opfer wurden dem MDR zufolge wegen der Schwere ihrer Verletzungen mit Hubschraubern in die Universitätsklinik nach Halle (Saale) geflogen. Der Grund, so der MDR: Die Kapazitäten in Magdeburg reichten für die große Anzahl an Verletzten nicht aus.

Dutzende Menschen sollen auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg verletzt worden sein.

© dpa/Heiko Rebsch

Was ist über den Täter und dessen Motive bekannt?

Der Fahrer des Autos wurde festgenommen. Das Video, das die Festnahme des mutmaßlichen Täters zeigt, wurde am späten Abend vielfach geteilt. Als Tatwaffe verwendete er einen Mietwagen mit Münchener Kennzeichen.

Der Festgenommene ist der 50-jährige Arzt und Psychiater Taleb Jawad Al Abdulmohsen aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Deutschland lebt und über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt. Nach dpa-Informationen stellte A. im Februar 2016 einen Asylantrag, über den im Juli desselben Jahres entschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt damals Asyl als politisch Verfolgter. 

Er arbeitete im Maßregelvollzug in Bernburg in Sachsen-Anhalt, wie eine Sprecherin der Betreibergesellschaft Salus auf Anfrage mitteilte.  Er habe mit suchtkranken Straftätern gearbeitet und sei seit März 2020 in der Einrichtung tätig gewesen. Nach Informationen der dpa hatte das Gesundheitsministerium von Sachsen-Anhalt noch in der Nacht die Personalakte des Mannes angefordert und den Ermittlungsbehörden übergeben. In der Vergangenheit war er als Ex-Muslim und Asyl-Aktivist aufgetreten, der Menschen aus Saudi-Arabien zur Flucht verhilft.

Als religiöser Fanatiker war Al Abdulmohsen nicht bekannt. Was im Netz über ihn zu finden ist, lässt darauf schließen, dass er sich durchaus in eine andere Richtung radikalisiert haben könnte: So lautete seine Profilbeschreibung auf der Plattform X: „Deutschland jagt saudische Asylbewerberinnen im In- und Ausland, um ihr Leben zu zerstören. Deutschland will Europa islamisieren.“ Sein Titelbild zeigt ein Gewehr. Auch mit der AfD und Trump-Berater Elon Musk hat er sympathisiert.

Wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) am späten Abend auf einer Pressekonferenz erklärte, wurde der Festgenommene von der Polizei verhört. Nach aktuellem Stand handele es sich um einen Einzeltäter. Er habe angesichts der Schwere des Anschlags auch Signale, dass der Generalbundesanwalt tätig werden könnte, sagte Haseloff.

Die Polizei kann noch keine Angaben zum Tatmotiv machen. Das Geschehen könne „noch nicht abschließend klassifiziert“ werden, teilte die Polizei mit. „Wir kennen noch keine Hintergründe zur Tat, wir ziehen alles in Betracht“, sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage.

Ein Polizist untersucht den Tatort auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt.

© dpa/Heiko Rebsch

Sicherheitskreise hatten das Alter gleich als untypisches Detail ausgemacht: Der Mann sei deutlich älter als klassische islamistische Attentäter. „Der Mann ist Geburtsjahr 1974, das ist älter als die übliche Klientel“, sagte ein Experte dem Tagesspiegel. Der Attentäter vom Breitscheidplatz im Dezember 2016, Anis Amri, war 23 Jahre alt. Bei dem bisher größten islamistischen Anschlag in Deutschland starben damals 13 Menschen.

Möglicherweise sei das Alter ein Hinweis darauf, dass der mutmaßliche Täter von Magdeburg „psychisch beeinträchtigt ist“, hieß es in einer ersten Einschätzung. Das könnte ein privates, eher unpolitisches Motiv bedeuten, aber auch eine gefährliche Kombination von psychischen Problemen mit politischer Radikalisierung. Bekannt ist, dass die Terrormiliz „Islamischer Staat“ schon länger gezielt Personen anspricht, die als psychisch labil gelten.

Ein Insider aus Saudi-Arabien sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass das Königreich die deutschen Behörden vor dem Angreifer gewarnt habe. Der Angreifer habe extremistische Ansichten auf seinem persönlichen X-Konto gepostet. Das Außenministerium Saudi-Arabiens verurteilte den Angriff.

Der Mann stammt aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens. Er sei Schiit gewesen. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch. Es gibt immer wieder Berichte über Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land.

Außerdem war der mutmaßliche Täter der Berliner Justiz bekannt. Nach dpa-Informationen lag ein Verfahren der Amtsanwaltschaft Berlin wegen des Missbrauchs von Notrufen durch Taleb A. vor. Zuerst hatte der „Spiegel“ berichtet.

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, am 23. Februar dieses Jahres im Dienstgebäude der Berliner Polizei den Notruf der Feuerwehr gewählt zu haben, ohne dass ein Notfall vorgelegen habe. Daher wurde beim Amtsgericht Tiergarten Strafbefehl beantragt, der mit 20 Tagessätzen zu je 30 Euro erlassen wurde.

Der Angeklagte habe Einspruch eingelegt. Zum Hauptverhandlungstermin am vergangenen Donnerstag (19. Dezember) sei der Angeklagte nicht erschienen, so die Berliner Staatsanwaltschaft. Der Einspruch sei auf Antrag der Amtsanwaltschaft verworfen worden.(mit Agenturen)

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