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Ein Laborant schaut sich einen Träger mit Bakterien an, aus denen DNA und anschließend RNA gewonnen wird.

© dpa/Sebastian Gollnow

Exklusiv

Pharma-Chef kritisiert Regulationswut: „In Deutschland fehlt der Zugang zu Forschungsdaten“

Strenger Datenschutz, heikle Patent-Regelungen, lange Wege von den Universitäten in die Wirtschaft – Bayer-Pharma-Chef Stefan Oelrich kritisiert Deutschlands Forschungsbedingungen.

Der Pharma-Chef von Bayer, Stefan Oelrich, sieht Deutschland forschungspolitisch auf einem gefährlichen Weg. Noch habe er Hoffnung, sagte Oelrich im Tagesspiegel-Interview, aber der Standortwettbewerb sei hart – die USA und China für Innovationen oft attraktiver.

„Problematisch in Deutschland ist neben der Bürokratie der fehlende Zugang zu Forschungsdaten. Es ist hierzulande schwerer als in anderen Technologienationen, für die Forschung an anonymisierte Patientendaten zu kommen“, sagte Oelrich. „Nun kommen noch die Rabattregeln für neue Medikamente und vielleicht das EU-Gesetz, das deutliche Einschränkungen beim Patentschutz zur Folge hätte. Innovationen lohnen sich für viele dann nicht mehr.“

Mit dem neuen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Krankenkassen stabilisieren, ein Pharma-Unternehmen darf bestimmte Preise für ein neues Medikament nur noch verlangen, wenn es nachweist, dass das Arzneimittel erheblichen Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie hat: „Ein absoluter Fehlanreiz für Investitionen“, sagte Oelrich. „Bei Bayer werden wir uns noch stärker auf die USA fokussieren, etwa mit Biotech-Kooperationen oder mit dem im Juni 2022 eröffneten Forschungszentrum in Boston.“

Der Chemie- und Pharmakonzern wird 2023 eine Milliarde Euro für die Pharma-Forschung in den USA ausgeben. „Bei den Amerikanern ist der Weg aus dem Labor in die Wirtschaft kürzer“, sagte Oelrich. „Oft ist es so, dass hierzulande etwas erfunden, die Idee aber in den USA umgesetzt wird. Wir müssen überlegen, wie wir Wissen und innovative Ideen besser in die Praxis überführen.“

Deutschlands Universitäten könnten auf ihre Grundlagenforschung stolz sein, doch aus den Hochschul-Publikationen resultierten zu selten Patente, folglich auch zu wenige Anwendungen und neue Firmen. „Wir müssen die hiesigen Universitäten dazu bringen, dass unsere Wissenschaftler eine Idee patentieren, bevor sie ein Paper publizieren“, sagte Oelrich. „Ich habe aber schon erlebt, dass Top-Wissenschaftler mit den Achseln zuckten, als ich sie nach dem Patent für ihre Entdeckung fragte.“

Stefan Oelrich leitet seit 2018 die Pharma-Sparte des weltweit aktiven Dax-Unternehmens, er hat in Nord- und Südamerika gearbeitet. Kürzlich teilte Bayer mit, man werde den selbstgesetzten „Führungsanspruch“ in der Pharma-Forschung vorantreiben – und dabei auf Produkte in der Kardiologie, Radiologie, insbesondere aber Onkologie setzen.

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