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Dem Bahnkonzern im Berliner Tower droht unter einer möglichen CDU-Regierung eine Neuaufstellung. (Archivbild)

© Paul Zinken/dpa

Update

„Vom Kopf auf die Füße stellen“: Droht der Bahn unter einem Kanzler Merz die Zerschlagung?

Betrieb und Netz der Deutschen Bahn trennen – dafür wirbt die Union schon länger. Nicht nur deshalb fürchtet man bei der Bahn eine Unionsregierung. Und Bahnchef Lutz sorgt sich um seinen Job.

Stand:

Der Deutschen Bahn droht nach der Bundestagswahl die Zerschlagung. Die Union plant, den bundeseigenen Konzern unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz komplett umzukrempeln sowie den Betrieb und die Infrastruktur voneinander zu trennen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) geht dagegen in Berlin auf die Straße. Sie warnt von einem „fundamentalen Angriff auf unsere Arbeitsplätze“.

„Da zünden fachfremde Opportunisten Nebelkerzen, um auf Kosten der Beschäftigten die Interessen der neoliberalen Wettbewerbslobby durchzusetzen“, sagt EVG-Chef Martin Burkert über CDU und CSU. Der Demonstrationszug soll am Montagmittag vom Kanzleramt vorbei am Hauptbahnhof bis zum Bahntower am Potsdamer Platz führen.

Union will Bahn „vom Kopf auf die Füße stellen“

Die Union hat schon länger klare Vorstellungen davon, wie der Konzern mittelfristig aufgestellt sein sollte – und will einen harten Bruch mit der Ampel-Politik. „Klar ist für uns, dass die Bahn vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, wenn sich Verbesserungen ergeben sollen“, teilt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für Verkehr, Ulrich Lange (CSU), der dpa mit. 

Die Bahn und „ihre unzähligen Beteiligungen und Tochtergesellschaften“ sollten aufgelöst werden, Infrastruktur- und Transportbereich sollten voneinander getrennt und das Schienennetz solle analog zur Autobahn in eine bundeseigene, weisungsgebundene GmbH überführt werden.

„Der Bund bekommt dadurch einen stärkeren Zugriff auf den Aus-, Neu- und Umbau der Schieneninfrastruktur“, argumentierte Lange. Die Vorgaben des Bundes müssten umgesetzt werden.

„Die Tatsache, dass die DB sich mit dem Zugverkehr nur noch auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und sich gegenüber anderen Anbietern behaupten muss, wird insgesamt die Performance auf der Schiene verbessern“, betont Lange.

Wissing kritisiert die Unionspläne

Bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Bahn warnte Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) die Union in der vergangenen Woche eindringlich vor diesem Schritt: „In der Theorie ist die Trennung begründbar“, sagte er. Sie sei aber keine Lösung für die aktuellen Probleme mit der maroden Infrastruktur. Eine politische Debatte über die Aufteilung käme im Wahlkampf zur Unzeit. „Sie würde enorme Kräfte binden.“ Die DB würde überfordert, ihre Sanierung behindert.

Bahnmanager gaben sich auf der Konferenz angesichts der Pläne der Union gelassen. Die Union müsse in der Opposition einen radikalen Sanierungsplan vorschlagen, hieß es. Soll heißen: In den Koalitionsverhandlungen werden CDU und CSU schon nicht auf eine Zerschlagung bestehen. 

Tatsächlich fehlt der Union hierfür ein williger Koalitionspartner. Die Sozialdemokraten gehören seit Jahren zusammen mit EVG und dem Bahnvorstand zu den größten Kritikern der immer wieder diskutierten Zerschlagung. Die Grünen, die lange energisch dafür geworben haben, sind von der Idee inzwischen abgerückt. Sie fürchten wie der frühere Liberale Wissing, dass eine neue Strukturdebatte den Bahnkonzern lähmen würde

Experte: Bahn tanzt Bund auf der Nase herum

Denn es gab bereits unter der alten Bundesregierung eine kleine Reform. Bahntöchter für das Schienennetz und die Bahnhöfe wurden fusioniert. Die so entstandene DB InfraGo soll nun keine Profite machen, sondern gemeinwohlorientiert arbeiten – aber unter dem Dach des Gesamtkonzerns. Bisher ist diese Reform aus Sicht vieler Kritiker reine Kosmetik. Die Grünen möchten den Gemeinwohl-Auftrag der InfraGO deshalb klarer definieren.

Auch der Bahnexperte Christian Böttger von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zieht eine größere Unabhängigkeit der InfraGO von der Konzernmutter einer vollständigen Zerschlagung vor. „Die DB ist als großer, monolithischer Klotz politisch so mächtig, dass sie ihrem Eigentümer auf der Nase herumtanzt“, sagt er. Deshalb sei eine Trennung von Fahrgeschäft und Infrastrukturbetrieb grundsätzlich sinnvoll. Angesichts des schlechten Zustands der Bahn müsse man jedoch die Frage stellen, „ob eine komplette Trennung derzeit umsetzbar ist“.

Trennung in kleineren Schritten

Stattdessen plädiert er zunächst dafür, mit zwei kleineren Schritten in die Trennung einzusteigen: die Aufhebung der Beherrschungsverträge und mehr Transparenz bei den Finanzen. „Derzeit ist es ja so, dass vor allem die DB ihre Leute in den Aufsichtsrat der Infrastruktur schickt, nicht der Staat. Wenn man die Beherrschungsverträge aufheben würde, dann könnte die Politik selbst Aufsichtsräte bestimmen.“ Zudem käme mehr Transparenz in die Finanzströme.

Kommt also nach der Bundestagswahl die rasche Zerschlagung der Bahn? Böttger ist skeptisch: „Der neue Bundeskanzler wird an seinem ersten Arbeitstag nicht als Erstes sagen: Jetzt muss ich mich mal um die Bahn kümmern.“

Stoppt die Union die Generalsanierung?

Im Bahnkonzern fürchtet man eine unionsgeführte Bundesregierung aber auch noch aus einem anderen Grund. Fraktionsvize Lange hat zuletzt mehrfach die geplante Generalsanierung von 40 Hauptstrecken infrage gestellt. Zwar sei eine grundlegende Sanierung des Netzes längst überfällig, sagte er. Die sogenannten Generalsanierungen „sind allerdings nicht mehr als Schummel-Sanierungen“.

Bauwerke wie Brücken, für deren Sanierung ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren notwendig sei, blieben außen vor. „Stattdessen wird ein bisschen an Oberleitungen, Weichen und Stellwerken herumlaboriert“, kritisierte Lange. Das werde dazu führen, dass die Strecken in wenigen Jahren erneut angegangen werden müssten.

Lange will den Sanierungsplan der Bahn und von Verkehrsminister Wissing nach der Regierungsübernahme deshalb überprüfen „Sollten wir nach der Bundestagswahl wieder regieren, werden wir uns jede der geplanten Sanierungen einzeln anschauen und entscheiden, was nötig und sinnvoll ist“, betonte Lange. „Klar ist für uns, dass es auch hier keine weiteren Mogelpackungen geben wird.“

Wissing und die Bahn fürchten, dass sich die Sanierung des Schienennetzes so erheblich verzögern könnte.

Bahnchef Lutz bangt um seinen Job

Im Bahnkonzern wird auch vermutet, dass die Union den seit 2017 amtierenden Vorstandsvorsitzenden Richard Lutz ablösen könnte. Es wäre ein plakatives Signal an die Bürger, dass die neue Regierung bei der Bahn aufräumt. Denn in Lutz’ Amtszeit hat sich die Performance der Bahn immer weiter verschlechtert. Neben Dauerverlusten ist die Bahn auch kaum noch zuverlässig. 2024 kamen nur noch 62,5 Prozent der Fernzüge pünktlich ans Ziel.

Mehrere Vorstände der Bahn sollen sich deshalb bereits Hoffnung machen, Lutz zu beerben. Neben Infrastrukturvorstand Berthold Huber, der die Generalsanierung energisch vorantreibt, wird auch Regionalvorständin Evelyn Palla genannt. Denn die Regionaltochter DB Regio ist wirtschaftlich halbwegs erfolgreich, während Fern- und Güterverkehr hohe Verluste einfahren.

Zumindest eine personelle Richtungsentscheidung der Union sorgt bei Verkehrsexperten in Berlin für Erleichterung: Da die Christsozialen diesmal das Landwirtschaftsministerium erobern wollen, werde die CSU „nach der Wahl nicht den Verkehrsminister stellen“, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) Mitte Januar der „Süddeutschen Zeitung“. (mit dpa)

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