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Ende der Reise? Flüchtlinge warten in Simbach am Inn in Bayern auf der Innbrücke auf ihren Grenzübertritt.

© dpa

Flüchtlinge in Deutschland und Europa: CDU streitet über Kurs in der Flüchtlingspolitik

Die CDU ist in der Flüchtlingspolitik gespalten. Einige erkennen bei Kanzlerin Angela Merkel erste Signale zum Einlenken.

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Gut zwei Wochen vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ist die CDU wegen des eigenen Kurses in der Flüchtlingspolitik tief gespalten. Unklare und sich zum Teil widersprechende Botschaften Einzelner verunsichern die Partei und ihre Anhänger nun zusätzlich.

Stuttgarter CDU-Spitzenkandidat Wolf bekräftigt Forderung nach Tageskontingenten

In einer Rundmail an alle CDU-Mitglieder im Südwesten bekräftigte der baden-württembergische CDU-Spitzenkandidat, Guido Wolf, am Dienstag noch einmal seine Forderungen nach nationalen Tageskontingenten und grenznahen Einreisezentren – und zwar, obwohl es dafür bereits zum Anfang der Woche heftige Kritik aus der Partei gehagelt hatte.

Die Vorschläge „für ein Ende der Politik des Durchwinkens“ hatten Wolf und die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenfrau Julia Klöckner am Wochenende als Antwort auf den fehlgeschlagenen EU-Gipfel verfasst, sie waren als Kritik am Festhalten von Angela Merkel am Europa-Kurs verstanden worden. Mit dem Hinweis, dass es nicht zum Ziel führe und die eigenen Wahlchancen schmälere, wenn man „jeden Tag neue Vorschläge“ mache, hatte Fraktionschef Volker Kauder beide ermahnt, ihre Absetzbewegungen zur CDU-Vorsitzenden Merkel zu unterlassen. Im Fall seines Landsmannes Wolf offenbar umsonst.

Äußerungen von Altmaier lösen Irritation aus

Auch Äußerungen des Flüchtlingsbeauftragten der Regierung und Kanzleramtschefs, Peter Altmaier (CDU), sorgten am Mittwoch teils für Unverständnis, teils für Irritation. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte sich Merkels wichtigster Mann mit dem Hinweis zitieren lassen, man lehne zwar die nationalen Wege Österreichs ab, die Grenzschließung zum Beispiel.

Dennoch verzichtete Altmaier darauf, die Frage nach eigenen Plänen zur Grenzschließung mit einem „Nein“ zu beantworten und wies stattdessen darauf hin, dass die Regierung „alle Möglichkeiten und Alternativen“ im Blick habe, „die sich bieten“. Welche das im Falle eines Scheiterns des EU-Türkei-Plans sein könnten, ließ der Kanzleramtschef dabei offen. Allerdings betonte er: „Die Zeit wird knapp“.

In der Unionsfraktion führte das zu ganz unterschiedlichen Interpretationen. Während klare Befürworter der Merkel-Linie beschwichtigten, es sei quasi Amtspflicht einer Regierung, zu eigenen Plänen immer auch Alternativen zu entwickeln und auf den bevorstehenden EU-Türkei-Gipfel am 7. März hinwiesen, wollten andere in dem Interview erste Signale Merkels zum Einlenken lesen, vorgetragen vom Amtschef. Weil es unsicher sei, ob die aus seiner Sicht „notwendigen europäischen Maßnahmen und die Vereinbarungen mit der Türkei rasch und dauerhaft die erhoffte Wirkung“ hätten, sagte etwa der Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, sei es „richtig, dass die Bundesregierung an einem Plan B arbeitet“.

Weit verbreitet in der Fraktion scheinen Zweifel, ob Alternativen zur europäischen Lösung der Krise die Wähler in den drei Bundesländern rechtzeitig erreichen und überzeugen können. Zwischen dem entscheidenden Gipfel und dem Wahltag liegen nur sechs Tage. Gerade unter den Südwest-Abgeordneten ist die Sorge groß, dass ein plötzliches Umschwenken der Bundesregierung nach einem gescheiterten EU-Türkei-Gipfel zu kompletter Verwirrung in den Wahl-Ländern führen und die CDU weitere Stimmen kosten wird.

Schäuble zieht den Vergleich mit der Euro-Krise

Wie tief die Verunsicherung der Unionsleute im Bundestag ist, hatte sich auch am Dienstag bei der Fraktionssitzung gezeigt. Dabei zeigte sich nach den Angaben von Teilnehmern, dass es Vorbehalte gegen das Vorhaben der Kanzlerin gibt, die europäische Lösung in der Krise vor allem von der Regierung in Ankara abhängig zu machen. Insgesamt sei die Sitzung vergleichsweise ruhig verlaufen, Merkel habe viel Zeit darauf verwendet, ihre Politik zu erläutern, hieß es. Allerdings habe sich dann am Verzicht der Koalition auf einen türkeikritischen Antrag zum Völkermord an den Armeniern im vergangenen Jahrhundert eine Diskussion über die aktuelle Rolle Ankaras bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise entzündet.

Zunächst habe Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Eindämmung des Zuzugs von Flüchtlingen mit allen Mitteln unter Einbeziehung der Türkei gefordert. Dabei habe Schäuble einen Vergleich zur Euro-Krise gezogen, bei der man nach den Worten des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, alles habe tun müssen, was zur Krisenbekämpfung nötig sei („whatever it takes“). Dem habe der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen widersprochen. Röttgen habe Diskussionsbedarf angemeldet und dafür Beifall erhalten.

Schäuble und Röttgen stehen für zwei Positionen. Für die einen steht wie bei Merkel die Überlegung im Vordergrund, dass die Krise nicht ohne Ankara lösbar ist. Die anderen geben zu bedenken, dass die Türkei wegen der Verfolgung der Kurden und Christen kein tragbarer Partner sei. Hinzu kommen Zweifel, ob der EU-Beitrittsprozess der Türkei, der im Zuge der Flüchtlingskrise wieder neu angestoßen wurde, jemals Früchte trägt. Klar ist derweil schon jetzt: Wenn der EU-Sondergipfel mit der Türkei wie schon das Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in der vergangenen Woche keine konkreten Ergebnisse liefern sollte, stehen Merkel schwierige Zeiten in der Unionsfraktion bevor.

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