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Das Ampel-Aus: Eine brutale, aber notwendige politische Scheidung
Lindner und Scholz rechnen miteinander ab. Verlierer sind sie beide. Der eine ist Verantwortungsflüchtling, der andere gescheitert. Dabei kommt es gerade jetzt auf verantwortliches Handeln an.

Stand:
Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine vielleicht stärkste Rede an die deutsche Bevölkerung ausgerechnet zum Ende seiner eigenen Regierung hält, ist bezeichnend. Brutal rechnet Scholz mit seinem gerade entlassenen Finanzminister ab. Harsch, deutlich und klar. Und der FDP-Chef tut es Scholz gleich. Auch er nimmt kein Blatt vor den Mund. Es ist der Höhepunkt einer totalen Entfremdung.
Scholz erklärt am Mittwochabend, dass er Lindner noch einmal ein „umfassendes Angebot“ gemacht habe, um die deutsche Wirtschaft zu stärken: die Deckelung von Netzentgelten, ein Paket, um Arbeitsplätze in der Automobilindustrie zu retten, eine Investitionsprämie und weitere Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine.
Es gibt keine Vertrauensbasis mehr für eine weitere Zusammenarbeit.
Bundeskanzler Olaf Scholz über Finanzminister Christian Lindner
Der Kanzler sagt: „Ich muss jedoch abermals feststellen: Der Bundesfinanzminister zeigt keinerlei Bereitschaft, dieses Angebot zum Wohle unseres Landes in der Bundesregierung umzusetzen. Ein solches Verhalten will ich unserem Land nicht länger zumuten.“ Rumms.
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Und in dem Stil geht es weiter:
- „Wer sich in einer solchen Lage einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden.“
- „Immer wieder habe ich in den vergangenen drei Jahren Vorschläge gemacht, wie eine Koalition aus drei unterschiedlichen Parteien zu guten Kompromissen kommen kann. Das war oft schwer, das ging mitunter hart an die Grenze auch meiner politischen Überzeugung. (...) Zu oft wurden die nötigen Kompromisse übertönt durch öffentlich inszenierten Streit und ideologische Forderungen. Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert, parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“
- „Es gibt keine Vertrauensbasis mehr für eine weitere Zusammenarbeit.“
- „Wenn eine Notsituation vorliegt, dann aber hat die Bundesregierung nicht nur das Recht zu handeln, dann ist Handeln Pflicht.“
Und der FDP-Chef? Kontert Scholz in aller Härte. „Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition.“ Weiter:
- „Er hat die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost.“
- „Seine Gegenvorschläge sind matt, unambitioniert und leisten keinen Beitrag, um die grundlegende Wachstumsschwäche unseres Landes zu überwinden, damit wir unseren Wohlstand, unsere soziale Sicherung und unsere ökologische Verantwortung erhalten können.“
- „Scholz hat ultimativ von mir verlangt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen. Dem konnte ich nicht zustimmen, weil ich damit meinen Amtseid verletzt hätte. Deshalb hat der Bundeskanzler in der Sitzung des Koalitionsausschusses am heutigen Abend die Zusammenarbeit mit mir und der FDP aufgekündigt.“
Scholz, Lindner und Habeck stehen allesamt beschädigt da
Dazwischen finden sich irgendwo die Grünen. Vizekanzler Robert Habeck bedauert den Bruch der Koalition. Diese habe nicht den besten Ruf gehabt. Es habe auch häufig Streit gegeben. „Dennoch will ich für uns sagen, dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt, geradezu tragisch an einem Tag wie diesem, wo Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen muss.“
Dass Scholz Lindner entlassen habe, sei genauso folgerichtig wie unnötig, sagt Habeck. Lösungsmöglichkeiten für den Haushaltsstreit habe es gegeben. „Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu gehen.“
Jetzt stehen Scholz, Lindner und Habeck allesamt massiv beschädigt da. Der Kanzler hat es nicht vermocht, die Regierung zusammenzuhalten. Die nun für den Januar angekündigte Vertrauensfrage haben die Menschen in diesem Land längst beantwortet: Der Kanzler und seine Koalition sind maximal unbeliebt. Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen für Neuwahlen sind.
Scholz Versuch zu moderieren statt zu führen ist gescheitert
Aber werden diese Neuwahlen überhaupt noch mit Olaf Scholz stattfinden? Die SPD ist gut beraten, gerade aus der Wahl in den USA die richtigen Schlüsse zu ziehen. Erstens haben dort die Demokraten zu lange am unbeliebten Joe Biden festgehalten.
Er wollte moderieren, statt führen. Das aber hat am Ende nicht ins Ziel geführt.
Christian Tretbar über Bundeskanzler Olaf Scholz
Und zweitens zeigt die Wahl, dass die Menschen nicht nur mit einer Aneinanderreihung vermeintlicher politischer Erfolge oder Maßnahmen überzeugt werden wollen, sondern es braucht auch eine emotionale Verbindung. Die hat Scholz nie richtig herstellen können. Beherzte Auftritte wie am Mittwochabend waren die absolute Ausnahme.
Doch kann man Scholz nicht vorwerfen, dass er es zumindest über den Gesamtzeitraum der Ampel nicht versucht hätte, der FDP entgegenzukommen. Ihm war klar, dass die FDP der politisch unnatürlichste Partner in diesem Dreierbündnis ist. Oft ist er Lindner zur Seite gesprungen, für einige Sozialdemokraten zu oft. Er wollte moderieren, statt führen. Das aber hat am Ende nicht ins Ziel geführt.
Christian Lindner als Verantwortungsflüchtling
Lindner wiederum ist nicht nur niemals richtig in dieser Koalition angekommen. Er hat sie oft genug torpediert. Der Versuch, innerkoalitionäre Opposition zu spielen, ist in jeglicher Hinsicht gescheitert. Umfragen und Wahlergebnisse rauschten in den Keller und in der Koalition geriet er immer weiter ins Abseits.
Doch statt sich da herauszukämpfen, schmeißt er hin. Wieder. Wie schon beim Jamaika-Bündnis, das wegen seines abrupten Ausstiegs aus den Gesprächen nie zustande kam. Christian Lindner untermauert seinen Ruf als Verantwortungsflüchtling.
Dass er diese Koalition in einer Zeit aufs Spiel setzt, wo die Wirtschaft dringend politische Hilfe braucht; wo die Welt nach der Wahl von Donald Trump vor großen geopolitischen Unsicherheiten steht; und wo in Europa nach wie vor ein Krieg tobt, verdient keinen Respekt, sondern ist ein Nachweis politischer Unreife.
Das heißt nicht, dass jeder Vorschlag in seinem Papier falsch ist. Einige Punkte sind richtig und treffen auch einen Nerv. Aber in einem Bündnis aus drei Parteien, zu dem man sich verpflichtet hat, kann man nicht erwarten, dass die eigenen Vorstellungen zur Grundlage von Gesprächen akzeptiert werden. So wird das Papier mit einigen guten Ansätzen entwertet und als Show enttarnt.
Dem FDP-Chef ging es am Ende längst nicht mehr um den Haushalt. Selbst FDP-Haushälter waren sicher, dass sich ein Haushalt hinbekommen lasse. Doch Lindner wollte es am Ende nicht mehr. Er wollte nur noch raus, koste es was es wolle.
Das Heizungsgesetz von Habeck markiert den Beginn der Entfremdung
Bleibt Robert Habeck. Der will so gerne Kanzlerkandidat werden. Nur wofür? Auch er trägt Verantwortung als Vizekanzler. Sein Heizungsgesetz markiert gewissermaßen den Anfang vom Ende der Ampel. Mit ihm ging der Dauerstreit, die Entfremdung los.
Es folgte der Versuch, im Haushaltsstreit etwas unterzutauchen und nicht zwischen die Fronten zu geraten. Doch nun stehen die Grünen da und man weiß nicht genau: Wie hart hätte er denn für seine Klimaziele gekämpft?
Was bleibt, ist ein politischer Scherbenhaufen. An einem Tag, an dem viele Menschen in Deutschland mit Sorgen aufgewacht sind nach dem Sieg Trumps, sind sie mit noch größeren politischen Unsicherheiten wieder ins Bett gegangen. Aber ein anderer Weg als diese Koalition scheitern zu lassen, gab es nicht mehr. Dieses Ende eröffnet auch einen Weg für einen politischen Neuanfang.
Natürlich werden die Rufe der Opposition nach sofortigen Neuwahlen und der Vertrauensfrage laut. Doch auch die Union ist gut beraten, jetzt zu überlegen, was wohl wichtiger ist: den Wahlkampf einzuläuten oder der eigenen staatspolitischen Verantwortung nachzukommen. Ihr natürlicher Partner, die FDP, hat sich für Wahlkampf entschieden. Die Union kann zeigen, dass sie beides kann. Und das dürfte auch die Erwartung der Menschen sein. Denn auch das zeigen die USA: Die Menschen wollen Lösungen.
Die Ampel hat keine gefunden. Sie löst sich nur auf.
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