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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Kanzlerkandidat, spricht beim Programmparteitag seiner Partei zu den Delegierten.

© dpa/Michael Kappeler

„Das ist nicht Mitte, das ist Ideologie“: Habeck attackiert Merz’ Migrationsplan scharf

Vier Wochen vor der Wahl wollen die Grünen auf ihrem Parteitag ihr Programm beschließen. Habeck macht den Delegierten Mut. Es sei noch alles möglich. In der Asyldebatte geht er die Union scharf an.

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Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, hat seiner Partei beim Parteitag in Berlin Mut für die kommenden Wochen gemacht. In einer emotionalen Rede vor etwa 800 Delegierten, forderte er, im Wahlkampf nicht nachzulassen. „Jetzt geht es erst richtig los“, sagte der Wirtschaftsminister. „Von diesem Parteitag aus leiten wir den Endspurt ein.“

Es sei noch alles möglich. „Vielleicht wird der Wahlkampf eine erstaunliche Entwicklung nehmen“, rief Habeck. Womöglich könne Deutschland die miesepetrige Haltung der vergangenen Jahre überwinden. „Geben wir dem Land Zuversicht“, forderte er von den Grünen.

Als Habeck zu Beginn seiner Rede den tödlichen Anschlag in Aschaffenburg ansprach, war er sichtlich angegriffen, mehrfach stockte seine Stimme. Die „abscheuliche Mordtat“ mache „in ihrer Perversität und Brutalität sprachlos“, sagte Habeck.

Wir haben nicht diese Haltung der Bockigkeit wie andere aktuell.

Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen

Er forderte eine rasche Aufklärung, ob die Messerattacke durch einen Afghanen, der ausreisepflichtig war, hätte verhindert werden können. „Das darf nicht ohne Folgen bleiben“, sagte der 55-Jährige. Es sei eine ehrliche und harte Analyse erforderlich. Dabei müsse nach Mustern gesucht werden. Außerdem müsse geprüft werden, ob die rechtlichen Möglichkeiten ausreichend seien. „Das darf nicht mit Wahlkampfrhetorik weggewischt werden“, so Habeck.

Habeck warf der Union mit Blick auf geplante Anträge für eine Asylwende und mögliche Zustimmung aus der in Teilen als gesichert rechtsextremistisch geltenden AfD vor, sie habe die politische Mitte preisgegeben.

Früher habe die Union die politische Mitte hinter sich gehabt, sagte Habeck. „Diese Mitte ist jetzt leer.“ Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, begehe politische Erpressung, weil er fordere: „Entweder stimmt ihr zu oder ich stimme mit Rechtsradikalen. Das ist nicht Mitte, das ist Ideologie.“

„Nichts daran ist harmlos“, warnte Habeck. „Man sollte das nicht als strategische Fehlleistung abtun.“ Der CDU-Chef müsse dies korrigieren: „Keiner macht keine Fehler. Wenn man es korrigieren will, dann aber schnell“, sagte Habeck unter großem Jubel. Sonst stehe der Verdacht im Raum, dass in Deutschland passieren könne, was in Österreich passiert ist. Dort könnte der Chef der rechten FPÖ, Herbert Kickl, in einer Koalition mit der konservativen ÖVP Kanzler werden.

„Wir haben nicht diese Haltung der Bockigkeit wie andere aktuell“, sagte Habeck. Ob er damit explizit Merz meinte, der zuletzt angekündigt hatte, in der Migrationspolitik nicht mehr kompromissbereit zu sein, war nicht klar.

Wir sehen, dass das Land auf einmal wach wird.

Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen

Man suche „die Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten“, fügte der Grünen-Politiker hinzu. „Wir ducken uns nicht weg.“ Der Einsatz für Toleranz und Weltoffenheit müsse aus „der Mitte der Gesellschaft“ kommen, forderte er. „Wir sehen, dass das Land auf einmal wach wird“, sagte Habeck mit Blick auf die Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus am Samstag.

Merz warf er zudem vor, wirtschaftliche Innovationen schlechtzureden und für eine Politik von gestern zu stehen. „Die Alternative ist: Schauen wir nach vorne oder schauen wir zurück“, sagte er. Die Frage sei: Bauen wir Deutschland und Europa „mit den neuen Technologien oder folgen wir denen, die mit den Technologien der 90er Jahre die Zukunft gewinnen wollen“.

Habeck nahm auch die Bürgerinnen und Bürger in die Pflicht. Deutschland stehe vor einer echten Alternativwahl. Aber: „Die Demokratie kann nicht an Minister überantwortet werden. Demokratie ist kein Zuschauersport.“ Es bestehe nun die Chance, „dass das Land sich wiederfindet“, so Habeck weiter. Jedoch sei es „kein Parteitag der Fröhlichkeit“. „Die Welt wartet nicht auf uns.“ Dabei nannte er die Wahl von US-Präsident Donald Trump und autoritärer Kräfte als Herausforderungen.

Mit Blick auf Trump, unter dem die USA das Weltklimaabkommen verlassen sollen, rief Habeck nach einem Bekenntnis zum Klimaschutz in Europa. „Wenn Europa umfällt, dann ist es vorbei“, warnte Habeck. „Dann werden Indien oder Indonesien oder China niemals auf uns hören und weniger Kohlekraftwerke zubauen.“

In Umfragen stehen die Grünen vier Wochen vor der Bundestagswahl bei 13 bis 15 Prozent. Im aktuellen Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel verlor die Partei einen Punkt auf nun 14 Prozent.

Beim Direktvergleich der Kandidaten sprachen sich 31 Prozent der Befragten für Merz als Kanzler aus. Das sind vier Prozentpunkte mehr als bei der letzten Erhebung vor zwei Wochen. Auf Platz zwei folgt Habeck mit 25 Prozent (-2) vor Kanzler Olaf Scholz von der SPD mit 16 Prozent (+2). Zum Kanzlerkandidaten hatten die Grünen Habeck bereits bei ihrem Parteitag im November gekürt.

Der Entwurf des Wahlprogramms steht unter dem Titel „Zusammen wachsen“. Die Grünen wollen in Berlin über die künftige Höhe der Verteidigungsausgaben und Fragen der Energiepolitik diskutieren. Auch im Hinblick auf die Wehrpflicht und zum Tempolimit liegen unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch.

Die Grünen legen in ihrem Wahlprogramm den Fokus darauf, den Menschen den Alltag bezahlbar zu machen. Dazu fordern sie unter anderem die Einführung eines Klimagelds, ein wieder auf 49 Euro reduziertes Deutschlandticket und einen Mindestlohn von 15 Euro. (lem)

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