
© dpa/Soeren Stache
„Das ist unanständig“: SPD und Grüne gehen Lindner im Haushaltsstreit hart an
Der Etat 2025 muss laut Lindner nachverhandelt werden. Die Koalitionspartner werfen ihm vor, Vereinbarungen aufgekündigt zu haben. Die CSU fordert, Scholz müsse seinen Urlaub abbrechen, um auf die Krise zu reagieren.
Stand:
Im wieder aufgeflammten Haushaltsstreit machen SPD und Grüne Bundesfinanzminister Christian Lindner heftige Vorwürfe. Der FDP-Politiker hatte nach einem mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) gefundenen Kompromiss zum Etat 2025 mehrere Vorhaben verfassungsrechtlich und wirtschaftlich prüfen lassen.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte nun in der ARD: „Sich jetzt hinter vermeintlichen oder tatsächlichen Gutachten zu verschanzen und zu sagen, war alles nicht so gemeint, ist kein guter Stil.“ Dies gelte erst recht für die Veröffentlichung, während sich der Kanzler im Urlaub befinde. „Das kann man nur als Selbstvermarktung begreifen.“
Ähnlich klingt es bei SPD-Chefin Saskia Esken. Lindner sei mit seiner Kritik am Haushaltsentwurf an die Öffentlichkeit gegangen, anstatt zuerst mit Kanzler Scholz zu sprechen, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“ am Montag. „Das ist unanständig und es dient der eigenen Profilierung.“ Ein solches Vorgehen „beschädigt wieder einmal die Regierung“. Einen Bruch der Koalition schloss die SPD-Chefin aber aus.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
„Es gibt keinen Grund, neu zu verhandeln“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch der „Rheinischen Post“ vom Montag. Er warf Lindner vor, die zwischen SPD, Grünen und FDP im Juli erreichte Einigung über den Etatentwurf „ohne Absprache in der Koalition“ einseitig infrage zu stellen.
Es sei nun an Scholz, „dafür zu sorgen, dass ein vereinbarter Kompromiss von allen in der Koalition getragen wird“. „Der rechtliche und finanzpolitische Spielraum dafür ist gegeben“, wies Audretsch diesbezügliche Bedenken Lindners zurück. Zugleich wandte er sich gegen Forderungen aus der FDP nach weiteren Einsparungen unter anderem im Sozialbereich. „Klar ist, Kaputtsparen beim sozialen Zusammenhalt und beim Klimaschutz wird es nicht geben“, betonte der Grünen-Fraktionsvize.
Auch der SPD-Haushaltsexperte Achim Post mahnte via „Bild-Zeitung: „Unser Staatshaushalt darf kein Sparhaushalt sein, sondern muss die soziale, innere und äußere Sicherheit sichern und unverzichtbare Investitionen schaffen.“
Der Finanzminister sei jetzt am Zug, die angedachten Maßnahmen zur Schließung der Haushaltslücke gemeinsam mit der gesamten Bundesregierung zu bewerten. Die SPD erwarte dazu „konstruktive Lösungsvorschläge, die rechtlich gut tragbar sind“.
„In Grundzügen steht der Haushalt“
FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte nun, dass es nur um ein kleines Finanzloch gehe. „In Grundzügen steht der Haushalt“, sagte Dürr im Deutschlandfunk. Der Haushalt sei mit 480 Milliarden Euro ja wesentlich größer als die Lücke von fünf Milliarden Euro.
Die Kritik von Kühnert („Selbstvermarktung“) wies Dürr zurück. Es sei bei der Vorstellung des Haushalts durch Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lindner ja öffentlich gesagt worden, dass es diese Prüfbitten an das Finanzministerium gebe. „Und es gebietet die Transparenz, auch über die Ergebnisse dieser Prüfbitten dann zu informieren“, so der FDP-Fraktionschef.
Aus Sicht der CSU soll Kanzler Scholz wegen des Streits gar sofort seinen Urlaub abbrechen und ein Machtwort sprechen. „Wo ist Scholz? Die Ampel zerlegt sich wieder mal in aller Öffentlichkeit, weil sie erneut beim Haushalt scheitert - und der Kanzler urlaubt“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der Deutschen Presse-Agentur in München. Das sei unerträglich und respektlos gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. „Deshalb ist klar: Scholz muss seinen Urlaub abbrechen.“

© dpa/Bernd von Jutrczenka
„Das passiert mir kein zweites Mal“
Eigentlich hatten die drei Ampel-Spitzen Anfang Juli verkündet, einen Kompromiss zum Haushalt gefunden zu haben. Wochenlang hatten sie zuvor darum gerungen, eine Lücke von mindestens 30 Milliarden Euro zu stopfen. Die von Lindner beauftragte Prüfung ergab allerdings rechtliche Risiken vor allem bei dem Plan, übrig gebliebene 4,9 Milliarden Euro der Förderbank KfW für die Gaspreisbremsen anderweitig im Haushalt zu nutzen. Auch das Vorhaben, Darlehen statt Zuschüsse an die Autobahngesellschaft zu zahlen, könnte demnach problematisch sein.
Lindner verteidigte sein Vorgehen im ZDF-Sommerinterview. Die Prüfung mehrerer Maßnahmen sei verabredet gewesen. Bereits bei der Vorstellung des Haushaltes habe er transparent angekündigt, damit unabhängige Sachverständige zu beauftragen. Der Finanzminister unterstrich, er habe sich schon einmal auf einen Koalitionskompromiss beim Haushalt eingelassen, der wackelig gewesen und vom Bundesverfassungsgericht verworfen worden sei. „Das passiert mir kein zweites Mal“, betonte der FDP-Vorsitzende.

© dpa/ZDF/Claudius Pflug
Generalsekretär wirft Koalitionspartnern „Schuldenpopulismus“ vor
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sprang seinem Parteichef bei und kritisierte immer wiederkehrende Forderungen, die Schuldenbremse zu lockern. „Der Schuldenpopulismus von SPD und Grünen wird immer unerträglicher“, sagte Djir-Sarai der „Bild“. Der Respekt vor den Steuerzahlern gebiete jedoch einen sorgsamen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. „Diesen Respekt lassen SPD und Grüne leider allzu oft vermissen“, beklagte der FDP-Politiker.
Lindner hatte die Finanzierungslücke für den Etat 2025 auf noch rund fünf Milliarden Euro beziffert. Es gebe aber noch viel Zeit, eine tragfähige Lösung zu finden. Bis Mitte des Monats werde er mit Scholz und Habeck beraten. Danach gehe der Haushaltsentwurf in den Bundestag, wo er Ende November beschlossen werden soll.
Einen Vorschlag, woher das Geld für die Fünf-Milliarden-Euro-Lücke kommen soll, machte Lindner nicht. Aus der FDP hieß es dazu bislang, sie erwarte von SPD und Grünen Vorschläge für Einsparungen.
SPD will Notlage – FDP dagegen
Die SPD setzt darauf, wegen des Ukraine-Kriegs eine Notlage zu erklären und zusätzliche Kredite aufzunehmen. Das ist im Rahmen der Schuldenbremse in Ausnahmefällen zugelassen. Die FDP ist strikt gegen höhere Kredite.
Videos zu den Ampel-Parteien sehen Sie hier
Das habe unter anderem wirtschaftliche Gründe, sagte Lindner im Sommerinterview. Der Bund müsse lernen, mit seinen Einnahmen von bald einer Billion Euro auszukommen. „Denn für jede Million neue Schulden zahlen die Bürgerinnen und die Bürger doch Zins und Tilgung. Das sind doch keine Geschenke.“
Außerdem müsse Deutschland die europäischen Schuldenregeln einhalten. Diese Regeln vorsätzlich zu brechen, wäre aus seiner Sicht eine Einladung an andere europäische Staaten, auch wieder mehr Schulden zu machen, als tragfähig ist.
Eine rote Linie für die anstehenden Haushaltsverhandlungen zog Lindner bei „Steuererhöhungen für die arbeitende Mitte“. Es gehe auch nicht ums Sparen, sondern darum, Mittel umzuschichten für die richtigen Zwecke. (dpa/AFP)
- Ampelkoalition
- ARD
- Christian Lindner
- CSU
- Die Grünen
- FDP
- Friedrich Merz
- Kevin Kühnert
- Lars Klingbeil
- Olaf Scholz
- Robert Habeck
- Saskia Esken
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: