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Friedrich Merz (CDU), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, gibt eine Pressekonferenz nach dem Treffen mit Bundeskanzler Scholz und zu Konsequenzen nach dem Anschlag von Solingen.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

„Dem Kanzler entgleitet das eigene Land“: Merz sieht Kontrollverlust, Scholz weist Forderungen zurück

Arbeiten Ampel und Union nach der Messerattacke von Solingen in Sachen Migration zusammen? CDU-Chef Merz äußert neue Vorschläge und geht Scholz hart an. Der Kanzler weist die Forderungen zurück.

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Eigentlich wollten die beiden schon viel eher miteinander gesprochen haben. Die Rede ist von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Der geplante Anlass: Die ab 2026 geplante Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen auf deutschem Boden. Darum ging es bei dem gut einstündigen Treffen am Dienstag nicht.

Man habe fast eine Stunde allein über die Konsequenzen aus den Messerangriffen in Mannheim und Solingen gesprochen, berichtete Merz am Nachmittag vor der Hauptstadtpresse.

Er habe dem Kanzler gemeinsame Sache angeboten, um eine deutliche Eindämmung der irregulären Migration durchzusetzen. Die Union wolle das gemeinsam mit der Koalition oder den Teilen der Koalition, die guten Willens seien, lösen, sagte der CDU-Vorsitzende nach seinem Gespräch mit Scholz in Berlin. Über ein „schnelles Gesetzespaket“ könne man schon in der nächsten Sitzungswoche ab dem 9. September im Parlament beraten.

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„Die Fraktionen von Union und SPD haben zusammen eine deutliche Mehrheit im Bundestag“, sagte Merz. Der CDU-Chef verwies auf die 403 Abgeordneten, die die Parteien der Großen Koalition auf sich vereinen würden – das wären 36 mehr als es für die absolute Mehrheit bräuchte. Gesetzesänderungen, etwa beim Asylbewerberleistungsgesetz, könnten Sozialdemokraten und Christdemokraten allein umsetzen, ohne Rücksicht auf Grüne und FDP als Regierungspartner Rücksicht nehmen zu müssen.

SPD wirft Merz Parteitaktik vor Wahlen vor

In der SPD nahm man auf Merz’ Angebot, faktisch „Koalitionsbruch“ zu begehen, nicht positiv auf. „Dieses Land zeichnet sich in schwierigen Zeiten dadurch aus, dass die Regierung und die Opposition Parteigrenzen überwinden können“, sagte Wiese den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das müsse man aber mit voller Ernsthaftigkeit tun. „Die Aufforderung zum Koalitionsbruch ist doch eher den Wahlen am Sonntag geschuldet“, sagte Wiese.

Merz betonte, dies sei „ausdrücklich nicht die Bitte um Aufnahme in eine Koalition.“ Konkret habe er Scholz angeboten, eine rasche Abstimmung im Bundestag über dringende Gesetzesänderungen freizugeben. Zuvor solle je eine Person für die Seite der Regierung und für die Union entsprechende Rechtsbereiche benennen.

Merz auch offen für Grundgesetzänderung

Selbst für eine Änderung des Grundgesetzes stünde seine Partei bereit – obwohl es dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat braucht. „Es gibt kein Tabu“, sagte Merz. Das Grundgesetz regelt in Artikel 16a das Asylrecht. Darin steht etwa, dass sich niemand auf das Asylrecht berufen kann, der über einen Staat der EU oder einen sonstigen sicheren Drittstaat nach Deutschland einreist. Nach den Dublin-Regeln ist derjenige EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Flüchtling ankommt.

Merz betonte, diese Regel sei die erste, die wieder eingehalten werden müsse. „Und wenn sie nicht eingehalten werden kann, dann haben wir nach meiner Überzeugung das Recht, an den deutschen Außengrenzen zurückzuweisen. Und davon müssen wir Gebrauch machen. Wir kriegen sonst das Problem nicht unter Kontrolle.“

Der CDU-Vorsitzende warf Scholz gleichzeitig vor, die Lage in Deutschland nicht mehr im Griff zu haben. „Dem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land“, sagte der Unionsfraktionschef. Merz forderte vom Kanzler, notfalls eine „nationale Notlage“ zu erklären, falls es in der EU nicht kurzfristig gelinge, die illegale Migration einzudämmen.

Es sei dramatisch, dass die Mitte des politischen Spektrums keine gemeinsamen Lösungen mehr finden könne, kritisierte Merz. Sein Vorschlag sei aus tiefster Sorge um das Land formuliert. Die Bürger erwarteten zu Recht, dass die Politik, besonders Scholz und er, Probleme lösten, statt sie nur zu beschreiben. Das Vertrauen der Menschen müsse zurückgeholt werden.

Scholz will Grenzkontrollen aufrecht erhalten

Scholz wies Forderungen von Merz nach einer rigiden Begrenzung der Fluchtzuwanderung zurück. Im Gespräch mit dem „heute journal“ des ZDF am Dienstag in Jena verwies Scholz auf internationale Verpflichtungen und die Bestimmungen des Grundgesetzes. „Das Individualrecht auf Asyl bleibt erhalten“, betonte er.

Zugleich sagte Scholz, es gehe darum, die irreguläre Migration zu reduzieren. „Da sind Erfolge, aber sie reichen nicht“, räumte er in dem vorab in der ZDF-Mediathek abrufbarem Gespräch ein. So sei Deutschland bei den Abschiebezahlen besser geworden, „aber noch lange nicht gut“. Hierzu brauche es eine enge Kooperation zwischen Bundesregierung und Bundesländern wie auch zwischen Regierung und Opposition.

Zudem arbeite die Bundesregierung daran, Abschiebungen Schwerstkrimineller nach Afghanistan und Syrien zu ermöglichen. „Schwere Straftäter haben ihr Schutzrecht hier verwirkt“, sagte Scholz.

Auch will er die bestehenden Kontrollen an den Grenzen zu mehreren Nachbarländern „so lange wie möglich“ aufrechterhalten. Sie hätten sich als „sehr effizient“ erwiesen, sagte Scholz in einem Interview für das ZDF-„heute journal“. Deswegen wolle er „die Grenzkontrollen so lange wie möglich fortführen“. „Wir müssen das immer im Rahmen des europäischen Rechts tun. Aber da kann ich Ihnen versichern, das wird uns schon gelingen.“

Seit Mitte Oktober vergangenen Jahres gibt es Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, bereits seit September 2015 an der deutsch-österreichischen Grenze. 

Die FDP sieht in der Migrationspolitik Gemeinsamkeiten mit der CDU und zeigt sich bei der Bewältigung der ungeregelten Zuwanderung kooperationsbereit. „Die Folgen der falschen Migrationspolitik des letzten Jahrzehnts müssen schnell von den Parteien der demokratischen Mitte gelöst werden“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die FDP steht dabei für konstruktive Vorschläge und sinnvolle Anpassungen immer zur Verfügung.“

Der FDP-Generalsekretär sagte weiter, die inhaltlichen Vorschläge von CDU-Chef Friedrich Merz ähnelten denen der FDP sehr. „Wir würden aber noch weiter gehen und beispielsweise Dublin-Flüchtlinge von Sozialleistungen ausschließen.“ (mit dpa)

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