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Rohre für die Erdgaspipeline Nord Stream 2 liegen im Hafen zur Abholung bereit.

© dpa

Streit um Nord Stream 2: Der knifflige Pipeline-Kompromiss

Berlin und Paris haben sich im Streit um Nord Stream 2 geeinigt: Die Zuständigkeit bleibt bei Deutschland, aber auch Brüssel könnte das Projekt kontrollieren.

Es bedurfte einiger Verhandlungskunst, um den drohenden Streit zwischen Deutschland und Frankreich in Brüssel wieder zu entschärfen. Der Zwist um die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2, bei dem sich Paris in dieser Woche überraschend gegen Berlin positioniert hatte, ist nun zumindest auf dem Papier beigelegt.

Deutschland und Frankreich legten am Freitag ein gemeinsames Kompromisspapier vor, dem zufolge eine strengere Regulierung für das Milliarden-Projekt möglich sein soll. Damit setzte sich Frankreich durch.

Gleichzeitig soll aber sichergestellt worden, dass die Gaspipeline, die Anfang 2020 ihren Betrieb aufnehmen soll, den neuen Auflagen zum Trotz nicht gefährdet werden soll. Dieser Punkt kommt der Bundesregierung entgegen.

Sicherheitsbedenken in Osteuropa

Die Bundesregierung treibt trotz erheblicher Sicherheitsbedenken in den osteuropäischen EU-Staaten das Nord-Stream-2-Projekt voran, welches die Gasversorgung in Deutschland sicherstellen soll.

Die EU-Kommission möchte hingegen Zugriff auf das Projekt bekommen. Dabei könnte die geplante Änderung der Gas-Richtlinie behilflich sein, die eine strengere Regulierung erlauben würde. Dies wäre vor allem im Sinne vieler osteuropäischer Staaten, die das Projekt kritisch sehen.

Bis Mitte dieser Woche hatte Paris in dem EU-internen Streit still gehalten. Frankreich hatte bis vor Kurzem den deutschen Partnern eine Sperrminorität im Kreis der EU-Staaten gesichert, die eine Änderung der Gasrichtlinie verhindert hätte.

Als das Pariser Außenministerium aber am Donnerstag bestätigte, dass Frankreich ins Lager der Osteuropäer überwechseln und eine Änderung der Gas-Richtlinie ermöglichen wolle, schlug die Stunde der Verhandler. Offenbar waren es die ständigen Vertreter Deutschlands und Frankreichs in Brüssel, die am Freitagvormittag das Kompromisspapier ausarbeiteten.

Paris: Pipeline-Projekt kann unter EU-Kontrolle gestellt werden

Auch die Kommission, die das Papier mitträgt, war in die Verhandlungen eingebunden. Der gemeinsame Vorschlag aus Berlin und Paris, den die übrigen EU-Staaten am Freitagnachmittag fast einstimmig billigten, belässt die Zuständigkeit für die Ostsee-Pipeline in deutscher Hand.

Allerdings könnte die Fertigstellung kompliziert werden. Denn der Kompromiss erlaubt es nach der Pariser Lesart auch, dass die EU-Kommission eine Kontrollmöglichkeit erhält.

Dass sich Präsident Emmanuel Macron in dieser Woche plötzlich auf die Seite der Osteuropäer stellte, kommt derweil nicht völlig überraschend. Bereits in der Vergangenheit hatte Frankreichs Staatschef geopolitische Bedenken gegen das Nord-Stream-2-Projekt geltend gemacht. Paris teilt die Sorge, dass mit der Pipeline die Abhängigkeit von Russland noch weiter zunimmt.

Frankreich befürwortet US-Sanktionen

Nach französischen Medienberichten geht der Schwenk Frankreichs bei der Gas-Richtlinie aber auch auf wirtschaftliche Interessen zurück. Das französische Unternehmen Engie ist an Nord Stream 2 beteiligt. Frankreich will offenbar vermeiden, dass Engie von US-Sanktionen betroffen wird, die Washington im Rahmen des "Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act" (CAATSA) verhängen könnte.

Das Gesetz wurde 2017 verabschiedet und versetzt Washington in die Lage, finanzielle Sanktionen gegen Unternehmen zu verhängen, die in den Bau russischer Export-Pipelines investieren. Im August 2017 hat US-Präsident Donald Trump das Gesetz unterschrieben, welches neue Sanktionen gegen Iran, Nordkorea und Russland vorsieht.

Passend zu den bevorstehenden Entscheidungen über die Änderung der Gas-Richtlinie, die demnächst vermutlich das Europaparlament passieren wird, hatten die US-Botschafter in Berlin, Brüssel und Paris Stimmung gegen das Pipeline-Projekt gemacht. Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hatte gedroht, dass an dem Projekt beteiligte Firmen mit Sanktionen rechnen müssten.

Macron-Vertrauter sieht "symbolisches Signal" in Absage des Präsidenten

Für Verstimmung im deutsch-französischen Verhältnis sorgt auch die Absage Macrons bei der Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche. In Frankreich war die Absage des Präsidenten, dessen Teilnahme an der renommierten Konferenz an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am 16. Februar vorgesehen war, am Freitag kein großes Thema.

Umso mehr richtet sich das Augenmerk der französischen Öffentlichkeit auf den Bürgerdialog, der auch die Begründung für Macrons Absage lieferte: Frankreichs Präsident will mit einer "großen Debatte" den anhaltenden Protest der "Gelbwesten" entschärfen. Weil der Bürgerdialog bei Macron vor der Europawahl im Mai oberste Priorität hat, will er auch Frankreich bis Mitte März nicht verlassen.

Dennoch ist es auch keine Kleinigkeit, wenn der Präsident eine Begegnung mit der Kanzlerin platzen lässt. Der Macron-Vertraute Henrik Enderlein twitterte: "Wenn ein gemeinsamer Auftritt von Merkel und Macron abgesagt wird, dann ist das immer ein symbolisches Signal, das in den übrigen EU-Staaten genau wahrgenommen wird."

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